MUZIRU MUZUNGU
Angekommen am Ausgangspunkt starten wir mit Trägern, bewaffneten Soldaten sowie den Rangern. Zunächst geht der Marsch über einen Feldweg bis zum Anstieg des Vulkankegels. Nach höchstens 800 Metern, am Waldrand stoppen wir für eine weitere Einweisung. „Everybody OK?“ Klar sind alle OK, war ja noch nix! Außer auf Jabba und seine pizzagesichtige Begleitung müssen wir fünf Minuten warten, bis er schweißüberströmt angestampft kommt. Dann geht es entspannt durch einen Bambushain. Der Weg wird aber schnell anspruchsvoller und der Bambuswald immer dichter. Da es in der vergangenen Nacht ausgiebig geregnet hat, ist der Weg sehr schlammig. Nein, schlammig beschreibt es nicht wirklich. Der Weg ist eine knapp einen Meter breite und mehr als knöcheltiefe ausgetretene Rinne, angefüllt mit einem Brei aus Büffelkacke und Waldboden. Immer steilergeht es bergan, in einem schmalen Tunnel, den die Guides in den Bambuswaldgeschlagen haben. Die feuchte Schwüle und die Höhe von bis zu 2.750 Metern trennt die Spreu vom Weizen aber auch die über fünfzigjährigen schlagen sich tapfer. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es Jabba nicht schafft. Alle hundert Meter müssen wir auf ihn fast dreißig Minuten warten. Unter seinem inzwischen schweißgetränkten Shirt versucht sein Herz die drei Kubikmeter Fett mit Sauerstoff zu versorgen, wobei sein gesamter Leib beängstigend pumpt, so dass man glaubt er bekommt jeden Moment einen Infarkt. Das ständige Warten nervt und selbst die geduldigsten aus unserer Gruppe werden zunehmen militanter. Nach dem dritten Zwangshalt beugen sich die Guides dem Gruppendruck und wir lassen den wabernden Koloss zurück. Nun geht es zügiger weiter durch den schmatzenden Brei und bei jedem Schritt saugen sich die Schuhe fest und lösen sich dann mit geräuschvollem Schmatzen. Schuhe und Hosen verschmelzen scheinbar unter der anhaftenden braunen Pampe. Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir eine Lichtung auf dem Berggrat. Dort hinten in einem Busch guckt der erste Gorilla aus dem Blattwerk. Die Guides gehen vor und wir müssen zunächst zurückbleiben obwohl wir vor Aufregung fast platzen. Dann gehen auch wir los und ein letztes Mal durch einen grünen Tunnel bevor auch wir sprachlos auf einer kleinen Lichtung stehen. In einer, nein in keiner Entfernung! Wir stehen mitten in der Gruppe einer Gorillafamilie. Es scheint, als würden sie uns nicht wahrnehmen. Sie groomen, sie kämpfen, sie chillen, die Babys klettern herum, andere klettern auf Bäume und stürzen herunter und nicht selten schrumpft die Entfernung zu uns auf einen Meter – als wären wir gar nicht da. 75 Minuten die man niemals vergessen kann. Kurz bevor die Zeit um ist, kommt Jabbas Frauchen angeschnauft und versucht jemanden zu finden der ihre 20 € Kamera bedienen kann. Dann das Unfassbare – Jabba betritt die Bühne! Irgendwie haben es die Träger geschafft ihn den Berg hochzuziehen, wobei er aber mindestens einmal nach hinten in den Brei gefallen sein muss, so wie er aussieht. Als der tiefschwarze rastagelockte Jabba aus dem Busch tritt, ergreifen zuerst die Gorillamütter ihre Kleinen und suchen Deckung hinter Büschen. Die gesamte Gorillafamilie, die bisher fotogen in der Sonne döste beginnt sich aufzulösen. Wir sind bereits fast fünfzehn Minuten über der Zeit und müssen los. Unfassbar auch, dass sich nun Jabbas kroatisches Dummchen ereifert und meint ihnen würden jetzt ebenfalls sechzig Minuten bei den Gorillas zustehen. Doch welchen Sinn sollte der Aufenthalt jetzt noch haben, wo die Gorillas im Angesicht des Grauens das Weite suchen. Der Abstieg ist leicht. Die Vorsicht sich beim Aufstieg möglichst wenig einzusauen ist der Erkenntnis gewichen, das diese Mühe ganz und gar vergebens ist. Wir sehen nun aus wie die Schweine und dreckig sind wir außerdem. Inzwischen ist es sehr warm geworden und wir sind erstaunt wie die Zeit vergangen ist. Seit dem Start unseres Fußmarsches sind bereits fünf Stunden vergangen. Inzwischen hat Ivan wieder mal einen Reifen gewechselt und es beginnt wieder die spannende Fahrt in Schrittgeschwindigkeit über die Steine die nur auf eine Gelegenheit warten unsere Reifen aufzuschlitzen und durch die Schlaglöcher für die unser Auto eine leichte Beute ist. Ich renne immer wieder mal ein Stück vor um Fotos zu machen. Ein Musiru Mzungu in Dschungelkriegerbemalung und Kamera – da laufen selbst die Kinder verängstigt in die Deckung. Welches Glück wir hatten zeigt sich bei unserem Eintreffen in der Lodge, als es zu regnen beginnt. Ich hole Zigaretten und besichtige noch zwei der typischen Straßengeschäfte. In der Zwischenzeit sind zehn Träger mit einer Trage damit beschäftigt den Kadaver aus Burundi den Berg herunterzuwuchten. Nun geht alles seinen gewohnten Gang. Caroline duscht, ich bade, die fränkische Fraktion holt Hektoliter Bier und erzählt an jeder Ecke Geschichten, wir packen und warten an der Bar auf das Dinner. Es regnet wie aus Kübeln.