Eisenbahnnostalgie in Finnland

Finnland Dampflok Eisenbahn

20. Oktober 2023 joerg

Finnland Helsinki HauptbahnhofWarum nach Finnland reisen?

Finnland ist für viele Menschen ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das Land, dass erst im Dezember 1917 gegründet wurde, gehörte davor in Teilen zu Schweden und Russland. Städte und Landschaften geizen mit Sehenswürdigkeiten und auch das Wetter ist oft schlechter als in unseren Breiten. Wahrscheinlich hätte auch ich dieses Land nie besucht. Das Angebot mit historischen Dampfzügen durch finnischen Wälder zu dampfen, verbunden mit dem Komfort sich um sehr wenig kümmern zu müssen, war dann doch die Gelegenheit sich dieses Land etwas genauer anzuschauen.

Der Betrieb von Dampflokomotiven wurde in Finnland etwa 1975 beendet. Durch das Engagement von finnischen Eisenbahnfreunden blieben zahlreiche Lokomotiven und Wagen der finnischen Staatsbahn erhalten. So ist es auch 2023 noch möglich mit fünf verschiedenen Dampflokbaureihen auf einigen Strecken einen Betrieb im Stil der 1960er und 70er Jahre zu erleben. Die Infrastruktur für Wasser, Kohle und Öl wurde nach Ende der Dampflokära weitestgehend zurückgebaut und auch das technische Know-How der Personale ist in Gefahr durch den Generationswandel verloren zu gehen. So gibt es weltweit immer seltener die Möglichkeit das Reisen in stilechten Zügen, wie sie bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrtausends alltäglich waren, zu erleben.

Die Tour beginnt mit einem Aufenthalt in Helsinki. Das Hotel „Grand Central“, dass heute zur Scandic Gruppe gehört, lässt keine Wünsche offen und liegt direkt am imposanten Bahnhofsgebäude. Ende September 2023 sind es am Nachmittag noch 20 Grad Celsius, während wir zu zweit eine Runde durch Helsinki laufen. Doch die Gespräche die wir führen, sind um vieles interessanter als die Hauptstadt selbst.

Einen ersten Einblick in die finnische Eisenbahngeschichte bekommt man im Eisenbahnmuseum von Hyvinkää. Gegen Zahlung eines erhöhten Eintrittsgeldes können wir hier einige Lokomotiven ins Freie zerren und die ALCO 1319 auf der Drehscheibe in Szene setzen. Dabei kann, wer möchte, die Erfahrung machen, wie schwer es ist eine über hundert Tonnen schwere Lokomotive auf einer handbetriebenen Drehscheibe zu drehen.

Finnland Dampflok EisenbahnMit Hr1 1009 von Lahti nach Loviisa

Donnerstag, der 28.09.2023 ist der eigentliche Tourbeginn. Zu früh klingelt der Wecker, denn schon um 7:45 Uhr fahren wir mit dem Bus nach Lahti. Hier findet sich die gesamte Gruppe zusammen. Über vierzig Teilnehmer sind nötig, um diese Tour mit authentischen Sonderzügen zu finanzieren. Unser Zug von Lahti nach Loviisa, wird von der privat betriebenen Schnellzuglok Hr 1 1009 gezogen.

Obwohl vorher vereinbart, verweigert man in Lathi das Wenden der Lokomotive auf dem Gleisdreieck, dass der Staatsbahn gehört. Ursprünglich wurde versucht mit der VR eigenen Pacific Hr1 1021 zu fahren, doch die VR ersann immer neue Gründe warum eine Sonderfahrt mit Fotohalten nicht möglich wäre. Daher wurde die Zusammenarbeit mit der VR beendet und die private Hr1 1009 gechartert. Nun plötzlich verweigert man dem Personal das Befahren des Gleisdreiecks. Ein Schelm, der da einen Zusammenhang sieht. So zuckelt der Zug Tender voran durch das beste nur denkbare Licht. Ein Fotohalt macht so auch von der Seite keinen wirklichen Sinn, da die Loks immer Rauchkammer voran unterwegs waren. Von Loviisa geht es dann Rauchkammer voraus wieder zurück nach Lathi. Noch immer illuminiert die Herbstsonne goldenes Laub und den Postzug, mit der Pazifiklok an der Spitze. Doch so viele runpasts auch gemacht werden die finnische Landschaft ist wenig abwechslungsreich. Keine Berge nicht mal Hügel, nur Felder und Tannenwälder. So ist es auch kaum schade, dass wir nach drei Stopps nach Lathi durchfahren. Im Bahnhofsshop besorge ich mir mein Abendessen in Form eines Hotdogs in der Ahnung das es spät werden wird. Und richtig, bis wir im Hotel in Mikkeli sind und der letzte der Eisenbahnfreunde im Restaurant platziert wurden, ist es 20:40 Uhr.

 

Finnland Dampflok Eisenbahn

Von Pieksämäki nach Joroinen

Am Morgen des Freitags, den 29.09.2023 fahren wir mit dem Bus nach Pieksämäki, wo die 1924 in Hannover gebaute Lok Vr1 665 mit zwei Personen- und einem Güterwagen auf uns warten. Ganz im Gegensatz zu gestern ist es diesig und grau, so dass es auch nicht schade ist, dass wir erst nachdem die Strecke abzweigt einige Halte zum Fotografieren einlegen. Erst in Joroinen durchbricht die Herbstsonne für Sekunden den Hochnebel.

In Huutokoski gab es im 19. Jahrhundert eine russische Eisenhütte. Heute hat die Natur und der Wald das Hüttengelände fast gänzlich zurückerobert. Der Bahnhof Huutokoski wurde vom Architekten Thure Hellström nach Vorgeben der finnischen Eisenbahnbehörde erstellt und steht heute auf der Liste der „national bedeutsamen kulturhistorischen Umgebungen“ der Denkmalschutzbehörde.

Der Bus bringt uns dann über die Distanz von 220 Kilometern, von Joroinen nach Nurmes. Dieser Teil Kareliens war im 18. Jahrhundert Teil des expandierenden russischen Kaiserreiches.

Von Vuokatti nach Nurmes

Am Sonnabend, den 30.09.2023 besteigen wir am frühen Morgen den Bus und fahren 80 Kilometer von Nurmes nach Vuokatti. Dort steht der Sonderzug mit der Personenzuglok Hv3 995 von für die Fahrt von Vuokatti nach Nurmes bereit. Die Strecke bietet eine Vielzahl an Motiven, die das finnischen Klischee voll und ganz erfüllen, Seen, Wälder, felsige Hänge und kleine Brücken. Leider hat yo.nr mit seiner Wettervorhersage Recht und es ist bewölkt, dunkel und trist bis es anfängt zu regnen. So ist der Norden und darum fremdele ich mit diesen Destinationen. Am Abend gibt es dann noch die Möglichkeit Nachtaufnahmen in den markanten Anlagen des Bahnbetriebswerkes Nurmes zu machen.

Zeitverschwendung in Suolahti

Während man daheim am Sonntag ausschläft besteigen wir am ersten Tag des Oktobers am Morgen den Bus und fahren 261 Kilometer von Nurmes nach Suolahti, wo wir halb Zwölf am Bahnhof Suolahti ankommen. Die 1945 gebaute Personenzuglok Tk3 1132 steht schon Bahnhof. Trotz der attraktiven Lage direkt an einem See, ist der Bahnhof bis auf das restaurierte Empfangsgebäude wenig attraktiv. Anscheinend ist dem Personal das Thema Eisenbahnfotografie wir diese Gruppe sie betreibt bisher unbekannt. Abzüglich einer Mittagspause in der für 30 Euro Lachscremesuppe und Kuchen gereicht wird, rangieret das Personal auf dem Bahnhofgelände fünf Stunden mehr oder weniger sinnlos herum, bis die Lok über die nicht mehr funktionsfähige Drehscheibe in den Lokschuppen gefahren wird. Ich bin froh, als wir am Nachmittag mit dem Bus nach Haapamäki weiterfahren.

Finnland Dampflok EisenbahnHaapamäki – Myllymäki – Petäjävesi

Es ist Montag, der 02.10.2023 und der sonnige Morgen verspricht einen schönen Tag.  Mit dem Sonderzug, gezogen von der Tk3 1136, fahren wir von Haapamäki nach Myllymäki. Am Nachmittag wird dann die Strecke von Petäjävesi nach Myllymäki befahren. Besonders auf diesen Strecken findet man noch zahlreiche Eisenbahngebäude in typisch finnischer Holz- oder Steinarchitektur. Es werden Felseinschnitte und Dämme über Seen passiert.

An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen, etwas näher auf die Community der Eisenbahnfreunde einzugehen. Diese Interessengruppe setzt sich zum Teil aus recht eigenartigen Zeitgenossen zusammen. Es gibt durchaus Teilnehmer die sozialkompetent, intelligent, entspannt und rücksichtsvoll sind. Mit einigen kann man auch sehr interessante Gespräche führen, die nichts mit dem Thema Eisenbahn zu tun haben. Das Leben einiger anderer dreht sich zumindest scheinbar nur um das Thema Eisenbahn. Ebenfalls scheint mit zunehmender Fixierung auf die Jagd nach Bildern aus der „guten alten Zeit“, die Sozialkompetenz proportional abzunehmen. Die harmlosesten Teilnehmer sind noch die, welche immer zu spät kommen. Leider gibt es aber auch jene, die die Sicherheitsbelehrungen nicht verstehen oder verstehen wollen und damit riskieren, dass erteilte Genehmigungen eventuell zurückgezogen werden oder die Tourveranstalter sich dafür an höherer Stelle rechtfertigen müssen.

Obwohl alle ein ähnliches Interesse an der Eisenbahn im Allgemeinen teilen, was ja gegenseitiges Verständnis fördern könnte, artet die Aufstellung an Fotostellen nicht selten zum Kampf aus. Stehen dann alle auf ihrer Position und der Zug nähert sich bereits, erscheint die Spezies auf dem Plan, die noch auf der Suche nach einem Motiv oder Sinnsuche überhaupt ist. Das machen sie bevorzugt im dem Bildausschnitt, den die Gruppe als Motiv auserkoren hat. Das löst wiederum lautstarke Proteste aus, die mit Schimpfwörtern nicht geizen. Wenn es darum geht an Fotostellen zum Vorteil FÜR ALLE die Vegetation etwas zurückzuschneiden, um freie Sicht auf das Motiv zu haben so muss man fürchten danach keinen Platz mehr an Standpunkt zu bekommen, da niemand bereit ist, auch nur wenige Zentimeter zu rücken. Sprüche wie: „Ich war zuerst hier“ bekommt man dann gedrückt und muss sich dann mit einer wenig zufrieden stellenden Alternativposition zufriedengeben.

Dampflok Finnland EisenbahnEiner der Fotohalte lief besonders absurd ab. Der Zug hält, alle klettern raus und die Mehrheit der Gruppe einig sich auf einen Standpunkt. Eine kleine Gruppe jedoch entscheidet sich für einen Standpunkt in entgegengesetzter Richtung, bei dem jedoch die größere Gruppe im Bild steht. Der runpast wird wiederholt. Nun tauschen aber die Gruppen lediglich ihre Standpunkte, wobei sie zunächst aneinander vorbeilaufen und sich dann wiederum gegenseitig im Bild stehen.

Hier wird Egoismus ganz neu definiert. Man duldet sich aber man mag sich nicht. Ist das Tagesprogramm beendet, zieht sich jeder in sein Grüppchen zurück, so er ein Grüppchen hat, der Rest muckelt alleine vor sich hin oder versucht seinem Durcheinander an Equipment Herr zu werden. Gemeinsame lustige Abende wie sie vor zwanzig Jahren noch möglich waren gehören der Vergangenheit an. Vielleicht sind das die Gründe warum ich mich auf Eisenbahn-Fototouren immer deplatziert vorkomme.

Besonders anschaulich wird dies an dem folgenden Bespiel: Eric, im fortgeschrittenen Alter, etwas übergewichtig und nicht der Fitteste, kommt auf dem Schotter am Gleis ins straucheln, stürzt, fällt dabei mit dem Oberkörper unter die Wagen und verliert seine Brille. Er versucht nun sich wieder aufzurappeln und seine Brille zu finden. Während dessen laufen ALLE an ihm vorbei, steigen in die Wagen und niemand hilft ihm!

Depot Toijala und Humppila–Forssa

Dienstag, der 03.10.2023 ist der letzte Eisenbahntag und wir verlassen Haapamäki in Richtung Toijala. Nach zwei Stunden treffen wir dort ein. Leider hat die Güterzuglok Tv1 933 keine Kesselprüfung erhalten. So können wir die Strecke von Toijala nach Valkeakowski nicht bereisen. Schnell arrangiert der Veranstalter ein Alternativprogramm.

Im Depot wird eine „Theaterveranstaltung“ mit Tv1 933 und der Rangierlok Vr2 964 arrangiert, bei der den Loks mittels Rauchbomben scheinbar wieder Leben eingehaucht wird.

Dann geht es weiter nach Minkiö, wo wir auf der 750 Millimeter Schmalspurbahn in einem Güterzug nach Humppila mitreisen. Auf der Museumsbahn ist man auf Publikum eingestellt. Wir werden mit frischem Apfelkuchen, Puddingkringeln und Kaffee empfangen. Dem Personal sind foto- und videografische Aspekte scheinbar nicht neu, denn bei mehreren Vorbeifahrten zeigt die Mannschaft was in ihrer Maschine steckt. Auch wenn die Lichtverhältnisse bescheiden waren, so war der Besuch der Schmalspurbahn wahrscheinlich sogar besser, als die ursprünglich geplante Fahrt. Vor dem „Grand Central“ am Bahnhof von Helsinki endet die Tour und jeder wird nun selbst bewerten ob es den Aufwand wert war.

Dank dem Veranstalter, der dank seiner guten Verbindungen und seiner Ortskenntnis in Finnland diese Tour möglich gemacht hat. Finnische Breitspur Dampflokomotiven fahren nur wenige Tage im Jahr. Als Einzelreisender ist es sehr zeitaufwendig sie im Betrieb zu erleben. Nicht zuletzt, weil die von uns besuchten Fotostellen oft nur mit dem Zug und mit einem Halt auf freier Strecke erreichbar sind.Die vom Veranstalter ebenfalls zur Verfügung gestellte Akku-Heckenschere, die Rauchtöpfe, die Säge und LED-Scheinwerfer haben so manches Bild aufgewertet.

 

 

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