USA – ungeschminkt
22. Februar 2024 joerg
„Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit dem Landeanflug auf New York JFK. Es ist heute leider dicht bewölkt, bei 11 Grad Außentemperatur.“ Ja, dass wussten wir aus diversen Wettervorhersagen. Die Lufthansa hat uns schon eine E-Mail gesendet, dass einer unserer Koffer nicht ankommen wird, da er irgendwie seher verdächtigen Inhalt enthielt. Nicht vorhergesagt war, dass wir an der überfüllten Einreiskontrolle eine Stunde warten müssen. Da fühle ich mich doch sehr unwillkommen. Sie wissen alles über uns und auch in der ESTA muss man erklären, warum, wieso und wie lange man die USA besuchen möchte. Zusätzlich erfolgt dann im Terminal Z, in Frankfurt, auf amerikanischem Hoheitsgebiet, eine Überprüfung und Befragung, bevor man zum Gate gehen darf. Bei der Einreise in den Kongo hätte ich vielleicht noch Verständnis dafür, aber nicht in einem hochtechnisierten und vernetzten Land wie den USA, in dem Datenschutz ohnehin anders definiert wird als in unserer Datenschutzgrundverordnung. In der Stunde die wir gewartet haben, überquerten etwa 12.000 Einwanderer aus Süd- und Mittelamerika und aus Asien illegal die Grenze in die USA.
Wir zerren den verbliebenen Koffer, der auf dem Kofferband schon seit geraumer Zeit seine Runden dreht, vom Band und nehmen uns ein Taxi. Vorbei die Zeit als die Flotte der New Yorker Cabs noch vorwiegend aus gelben Limousinen bestand. In einem seelenlosen Van aus irgendeiner asiatischen Automobilklemptnerei, werden wir nach Down Town New York gefahren. Genauer gesagt fahren wir durch das riesige Queens, wo wir auch schon ab und zu im Stau steckenbleiben. In Manhattan kann dann von Fahren keine Rede mehr sein. Das Taxi staut sich so langsam von Ampel zu Ampel, so dass Laufen selbst mit Koffern und Rucksäcken erheblich schneller gehen würde. Doch eine Taxifahrt für 90 Dollar will man bis zur letzten Minute auskosten. Nicht nur die Autos haben sich verändert auch die Art der Abrechnung. Zahlt man mit Karte oder Smartphone, kann man die Position Trinkgeld nicht abwählen. Der kleinste mögliche Betrag sind sechszehn Dollar. Wer jetzt denkt Barzahlung ist eine Alternative, wird überrascht sein, dass dann der Gesamtbetrag durch das Trinkgeld steigt.
Nach etwas über einer Stunde erreichen wir das Hotel „Michelangelo“ in der 51th Street, Ecke Times Square.
New York City
Urbane Stadtlandschaften gewinnen an einem grauen diesigen Wintertag nicht gerade an Attraktivität. Doch New York City setzt da zum „New Years Eve“ noch eins drauf. Zu den Baustellen, Rüstungen und verhüllten Gebäuden gesellen sich nun mobile Absperrgitter und Beton-Poller der NYPD. Während genervte Autofahrer, die seit einer gefühlten Ewigkeit im Stau stehen, hupen, heulen im Hintergrund Sirenen. Nichts desto trotz schieben sich Menschenmassen aus aller Welt die Bürgersteige entlang. Ein erster Erkundungsgang führt uns zu den überdimensionalen Weihnachtskugeln im Wasserbecken vor dem UBS-Building und zum Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center. Der Weihnachtsbaum ist für viele Besucher einer der Gründe, um in dieser Jahreszeit nach New York zu reisen. So stelle ich mir auch das amerikanische Superlativ eines Weihnachtsbaumes, mit aufwendiger Dekoration vor. Oh wie groß ist dann die Ernüchterung, wenn man um die Ecke kommt und das kleine Bäumchen mit der einfachen LED-Beleuchtung erblickt. Die „Christan Dior & Saks“ Deko in der 5th Ave., die jedes Jahr ein anderes Motiv hat, ist für meinen Geschmack bemerkenswerter. Dicht an dicht schieben sich täglich tausende Menschen durch die engen Wege vor dem Rockefeller Center um das Schauspiel mit dem Weihnachtsbaum, der Schlittschuhbahn und der „Christan Dior“ Deko zu sehen und ein Selfie machen zu können.
Ebenso sind auch das National September 11 Memorial, „A Wild Life for Wildlife“, The Bean Sculpture, das One World Trade Center, Hook & Ladder company Firehouse Nr. 8 (aus dem Film Ghostbusters), das “Carry Bradshaw” Haus, The Vessel im Hudsonyard, die Highline, Grand Central, und der Central Park (im Winter mit Eislaufbahn) zu Hot Spots geworden, die ohne Instagram oder TikTok nicht diesen Hype erleben würden. Besonders absurd wird es an der New York Stock Exchange, wo man bei winterlichen Temperaturen Mädchen beobachten kann, die mit kurzem Rock und bauchfrei oder im Business-Look extra gestylt vor dem Gebäude für Fotos posieren. Ich war hier! Ich bin mitten drin, da wo ihr nicht seid. Ich bin Teil des Big Business? Am Charging Bull stehen Touristen eine Stunde an, um sich unter den Bullen zu legen und sein Gemächt zu packen. Einige erklettern das bronzene Vieh und posieren auf dessen Kopf. Was sollen diese Bilder aussagen? Wer wie ich, das nicht mehr versteht, wird alt oder ist es schon.
Um acht Uhr am Morgen sind wir am Dumbo Point, was übersetzt treffend „der Ort der Dummköpfe“ bedeutet. Der Blick auf die Stützfeiler der Manhattan-Bridge, gerahmt durch rote Ziegelgebäude, bekannt aus vielen Filmen gehört, seit Telefone Kameras haben, zu den meistfotografierten Motiven in Brooklyn. Doch wer denk, dass man so früh das Motiv eventuell noch für sich alleine hat, ist wie ich ein Dummkopf. Vielleicht ist in der Nacht um zwei Uhr niemand da um Selfis zu machen, wetten würde ich darauf aber nicht. Einer der nicht ganz so gehypten Orte, da nur bedingt instagramable ist der Union Square, den wir auf dem Weg zum nächsten Spießroutenlauf passieren. Wir schieben uns durch Menschenmassen auf der Highline und müssen wieder einmal feststellen, wie rasant sich New York verändert. Eine komplette Liste aller Points of Interest – Sehenswürdigkeiten gibt es hier als PDF.
Würde King Kong heute versuchen mit Fay Wray das Empire State Building zu erklimmen, würde es ihm schwer fallen vom Hafen bis dort durchzudringen. Er würde sich auf dem Weg dorthin tiefe Schnittwunden an den vielen Hochhäusern aus Stahl und Glas zufügen.
Waren fast einhundert Jahre lang das Chrysler Building und das Empire State Building prägend für die Skyline, so verschwinden sie nun hinter neuen gläsernen Skyscrapern. Immer neue Hochhäuser entstehen derzeit in Down Town New York, in Brooklyn und Queens, so das zu befürchten ist, dass die charakteristischen Gebäude eines Tages aus keiner Perspektive mehr zu sehen sein werden. Am Ende der Highline steuern wir die Bibliothek an. Der Bryant Park davor ist im Dezember ein Weihnachtsmarkt, in dessen Mitte eine Eislaufbahn angelegt wurde. Eher zufällig gelangen wir beim Slalom durch die Menschenmassen, durch einen Seiteneingang in die New York Public Libary. Noch vor einer Dekade ein Ort der Stille, für den sich Touristen wenig interessierten, müssen nun die Studierenden in den Lesesälen mit Absperrungen und Sicherheitspersonal vor dem Touristenmop geschützt werden. Voll und laut ist es im Foyer und als wir die Bibliothek durch den Haupteingang wieder verlassen, warten dort hundert Menschen um eingelassen zu werden. Wir bahnen uns den Weg hinauf nach Midtown, was zusätzlich dadurch erschwert wird, dass die Hälfte der Bürgersteige an einigen Hauptstraßen von Straßenhändlern belegt sind die dort Markenware für die preissensible Influenzerin und anderen Plunder feilbieten. Am Trump-Tower trifft man Donald, der dort die Touristen unterhält, während vorbeilaufende New-Yorkerinnen ihm den Mittelfinger zeigen.
Bei all diesem Wahnsinn fühlt sich ein Ausflug nach Queens, wie ein verlängertes Wochenende an. Queens ist so nah an New York und könnte doch gegensätzlicher nicht sein. Hier ist der Schmelztiegel der Region, hier leben Hispanos, Asiaten, Araber und alle anderen Volksgruppen scheinbar friedlicher nebeneinander, als in unserem Europa. Hier lebt die Putzfrau neben dem Anwalt und der Truckfahrer neben dem Arzt. Man kann eine 65 Quadratmeter große Wohnung schon für 748 Dollar Kaltmiete bekommen. Ein kleines, in die Jahre gekommenes Fertighaus, mit direktem Ausblick auf den Expressway, den AirTrain und einem ganzjährig garantierten Geräuschpegel von mindestens 90 Dezibel kann aber schon locker mal 700.000 Dollar kosten.
Auf der 5th Ave., der 6 th Ave. der 7th Ave. und auf dem Times Square war schon seit unserer Ankunft eine massive Polizeipräsenz sichtbar. Heute ist New Years Eve und am Times Square und allen Straßen in der Nähe herrscht jetzt Ausnahmezustand. Für unser Hotel bekommen wir einen Passierschein um die Polizeiabsperrungen passieren zu dürfen. Der Times Square ist nun mit Absperrgittern in Blöcke eingeteilt in die, nach Kontrollen, nur kleine Gruppen Besucher eingelassen werden. Bürgersteige und Seitenstraßen bleiben für Rettungs- und Einsatzkräfte frei. Das alles läuft sehr ruhig und geordnet ab was zum einem vielleicht an der massiven Polizeipräsenz, aber sicher auch daran liegt, dass die Polizisten sehr freundlich mit den Menschen kommunizieren. Allerdings gibt es keinen Ermessensspielraum. Obwohl wir an der Ecke wohnen und einen Passierschein haben, dürfen wir nicht einen Meter auf den Time Square gehen um Mal ein Foto von dem Spektakel zu machen.
Da wir glauben, dass am East River ein Feuerwerk entzündet wird, ist unser Plan, dies mit der Skyline von NYC von der Brooklyn-Riverside zu beobachten. Es sind verhältnismäßig wenig Menschen am Ufer zwischen Manhattan und Brooklyn Bridge. Wir suchen uns eine Stelle am Ufer und warten. Es wird zehn Minuten vor Jahreswechsel – nichts. Fünf Minuten vor Jahreswechsel – kein Feuerwerk. Eine Minute vor Mitternacht – kein Feuerwerk am Himmel. Eine Minute nach null Uhr wird uns klar, dass es kein Feuerwerk geben wird! Das Feuerwerk am Batteriepark ist so klein, dass über den Gebäuden nichts zu sehen ist. Ab und zu steigen kleine Raketen am Ufer auf und einige Mutige lassen ab und zu eine Rakete auf der Brooklyn Bridge steigen. Alle Bilder vom Feuerwerk in New York sind Fake und wir sind Opfer dieser „Fake-News“. Wir packen und gehen zur Subway, wo wir eine halbe Stunde mit hunderten Menschen auf einen Zug warten, der uns wieder zurück nach Midtown zum Times Square bringt.
Nur die mobilen Absperrgitter sind letzte Zeugen des New-Year-Eve Events am Times Square, bei dem eine Millionen Menschen darauf warten, dass um Mitternacht ein illuminierter Ball von einem der Häuser herabgelassen wird. Kein Müll und keine Flaschen, die bei uns noch Wochen danach an den Straßen zu finden sind. Auch wenn Müllvermeidung hier ein Fremdwort ist, in der Durchführung und Nachsorge solcher Events sind die New Yorker sicher Weltspitze.
Von New York fliegen wir weiter nach Minneapolis um Carolines Gastvater einen Besuch abzustatten und statt Touristen-Hotspots abzuhaken, in das normale amerikanische Leben einzutauchen.
Minneapolis – Ham Lake
Ich habe mir wirklich alle Mühe gegeben um herauszufinden was man in der Umgebung von Ham Lake und in der Twin-City Region unternehmen kann. Das Ergebnis war ernüchternd und reduziert sich in der Winterzeit auf Null und Nichts. So fahren wir am Morgen, nach dem Frühstück bei Dennys, zu Mark´s Ford Dealer. Der soll einen 1969 Ford Mustang Fastback für einhunderttausend Dollar in der Ausstellung haben. Wir müssen jedoch erfahren, dass der bereits verkauft ist. OK! Wenn wir schon mal hier sind können wir ja den neuen Ford Bronco Probe fahren. Zwar ist dieser drei Tonnen-Koloss ein echter Offroad-King, jedoch ist für meinen Geschmack zum Preis von 68.000 Dollar etwas viel Plastik im Innenraum verbaut. Haben wollen wir ihn trotzdem!
Danach fahren wir im Starbucks Drive Through einen Cappuccino holen. Hinter uns steht ein neuer Bronco mit zwei blonden Twens auf den vorderen Plätzen. Jetzt kommt sicher: „Ja, den haben sie sich von Daddy geliehen.“ Das ist im Bereich des Möglichen, hier aber eher unwahrscheinlich. Man findet hier gute Jobs und verdient auch entsprechend. Eine Krankenschwester zum Beispiel verdient etwa 100.00 Dollar pro Jahr und zahlt darauf 25 Prozent Steuern. Ob eine Krankenversicherung enthalten ist konnten wir nicht herausfinden. Mark´s Enkelin ist 25 Jahre alt, alleinstehend, angestellte Bäckerin und Konditorin und zahlt ihr Haus mit 800 Dollar pro Monat ab. Vielleicht muss sie den Bronco finanzieren, wenn sie ihn will. Das ist aber in dem vielgescholtenen Amerika kein Problem. Es ist hingegen in Deutschland unmöglich, sich mit 25 Jahren ein Haus zu kaufen, es sein denn es befindet sich auf einer Kuhbläke in Sachsen-Anhalt oder Ost-Brandenburg.
Wir scheitern bei dem Versuch auf die „Saint Paul Joint Air Reserve Station“ zu gelangen. Das überraschte mich gar nicht, denn ich las schon vorher auf der Webseite der Base, dass man sich eine Woche vorher per Email anmelden muss. Mark, seines Zeichens USAF Veteran und Person besonderer Vertrauenswürdigkeit, war der Meinung, mit seiner Zugangsberechtigung wäre das kein Problem. Die Zeiten ändern sich und die Sicherheitsvorschriften verschärfen sich.
Die „Mall of America“ ist die größte Mall in den USA, mit Vergnügungspark in der Mitte. Shoppen und Wasserrutsche fahren, Riesenrad fahren, sich im Foodcourt vollfressen und während der Achterbahnfahrt alles wieder auskotzen, alles das geht hier in der „Mall of America“. Mit anderen Aktivitäten ist es etwas schwieriger. Als ich von dem Vergnügungspark ein Foto mache und etwas länger an einer Stelle verweile, tritt ein kleiner untersetzter Mann an mich heran und fragt mich irgendeinen Quatsch. Mit seinem Kabel hinter dem Ohr und der Halterung für die Bodycam am Hemd entpuppt er sich schnell als verdeckter Kaufhausdetektiv, hinter dem sich auch schon die Kaufhauspolizei in Stellung gebracht hat. Er ist zwar nett aber ich lehne ab mit ihm in sein Büro zu gehen. „Sie können mir ihre Fragen stellen aber ich gehe jetzt meine Frau suchen“, sage ich und zwinge ihn somit mit mir zu kommen. Ich frage was denn das Problem sei. Man hätte halt ein Protokoll ist die Antwort. So muss ich ihm schildern warum ich in Minneapolis bin, was ich hier mache und mit wem ich da bin. Zwischendurch spricht er per Funk immer wieder mit seinem Supervisor und gibt ihm durch wo wir hingehen. Ebenso freundlich wie er es ist, weise ich ihn daraufhin, dass hier ein Missverständnis vorliegt und ich ein Tourist und kein Terrorist bin. Klingt ja ähnlich. Er erklärt drauf, dass es da ein Protokoll gäbe. Es verstreicht eine halbe Stunde und wir können Caroline nicht finden. Als wir irgendwo rumstehen, er wieder mit seinem Supervisor gesprochen hat und meinen Namen und mein Geburtsdatum auf einen Zettel gekritzelt, hat frage ich ihn ob ich nun gehen kann. Nein er muss erst noch mal mit seinem Supervisor sprechen und es gäbe da ja ein Protokoll. „Das hast du mir schon zweimal gesagt sage ich, und muss mich bemühen freundlich zu wirken. Ich gehe jetzt weiter zu dem Platz wo unser Freund auf uns wartet, du kannst mit mir kommen.“ Das kann er nicht ablehnen, seine Befugnisse scheinen arg begrenzt. So finden wir dann nach fast einer Stunde Mark auf einer der Loungemöbel. „Und“, sage ich, „Glaubst du nun meine Story?“ Dann troll dich hinfort, denke ich. Nach einer Stunde sind wir dann alle wieder vereint. Das ich in Amerika nicht, nicht anecken kann, liegt weniger an mir, als an den verschärften Sicherheitsmaßnahmen. Die „Mall of America“ ist in der Wahrnehmung der amerikanischen Behörden, Ziel Nummer eins für Anschläge. So sorgt eine Armada von Sicherheitskräften für gefühlte Sicherheit. Abgerundet wird das „Rundum-Sorglos“ Paket von Regelungen, dass sich, Kids bis zum Alter von sechszehn Jahren, von Freitag ab vier Uhr am Nachmittag, bis Sonntag nur in Begleitung von einem Elternteil in der Mall aufhalten dürfen.
Gemeinhin gilt, dass durch gestiegene Preise und den schlechten Euro-Dollar Kurs, das Shoppen in Amerika für Europäer nicht mehr attraktiv ist. Das gilt jedoch nicht für Minnesota, da in diesem Bundesstaat keine Steuern für Bekleidung und Schuhe erhoben werden. Grundsätzlich wäre mir das egal, denn ich shoppe, wenn ich was brauche, wenn es mir gefällt und nicht, weil es billig ist. Aeropostale hatte ich schon seit längerem im Visier und so steuere ich diese Marke zuerst an. Es gibt mehr was mir gefällt als ich es auf dem Plan hatte. Wir schoppen zwei Jacken, neun T-Shirts, eine Sweatjacke und zahlen 185 Dollar. Allein für die Jacke hätten wir in Deutschland 185 Euro gezahlt. Was für ein Deal! Caroline kauft sich noch das 13. Paar UGG Boots. Wie alle zehn Jahre, beehren wir auch diesmal wieder „Professor Z’s Old Time Photos“ Shop und lassen uns als Wild-West-Gangster-Trio ablichten.
Das „Texas Roadhouse“ ist das was man sich in Europa als rustikalen Saloon vorstellt. Es ist laut und riecht nach Gegrilltem. Modern Country und Pop dröhnt aus den Lautsprechern. Über zwanzig Servicekräfte huschen durch die Gänge. Es ist Dienstagabend der 2. Januar 2024 und das riesige Roadhouse in Coon Rapids, einer überschaubaren Kleinstadt mit vielen anderen Optionen zum Essen gehen, ist voll besetzt. Früher gab es hier auch einen mechanischen Bullen auf dem man reiten konnte, doch der ist inzwischen weiteren Tischen zum Opfer gefallen. Vielleicht musste er aber auch geschlachtet werden, da der Fleischvorrat für die nimmersatten Gäste nicht ausreichte. Für die Bewirtung dreier Personen zahlen wir nicht mal fünfzig Dollar!
Es ist noch Zeit für einen Joyride mit Marks neuem, 421 PS starken Ford Mustang GT, bevor wir unseren Kram zusammenpacken und zum Flughafen fahren. Wieder fliegen wir mit „Sun Country Airlines“ und hoffen diesmal Nomen es Omen. Einzige Abwechslung während des Fluges ist der Blick auf die verschneiten Rocky Mountains. Bei „Sun Country Airlines“ werden nur Sitzplätze geboten. Es gibt kein Entertainment, keine Snacks und Essen sowie Getränke muss man bezahlen.
Die Temperaturen im Winter in Kalifornien überraschen uns, da wir sie aus dem Dezember 2017 wärmer in Erinnerung hatten. Das lag jedoch an den Santa Ana Winden, die damals für ein warmes Klima sorgten.
Schon die Bilder die uns unsere Freunde von Weihnachten sandten, zeigten sie mit dicken Jacken. Kurz vor unserer Ankunft in Los Angelas, ist auch noch ein Wintersturm, mit Regen, starken Winden und Meter hohen Wellen von der Westküste her, über das Land gezogen. Mit 12 Grad ist es immer noch so kalt, dass wir in unseren Ski Jacken nicht schwitzen, als wir zur Autovermietung laufen.
Einen Mietwagen zu buchen ist einfach und auch die Preise sind wieder gesunken. Das gilt aber nur, wenn man sich mit irgendeiner Karre zufriedengibt. Auch wenn das nicht mehr zeitgemäß ist, möchte ich in den USA ein amerikanisches Auto mit etwas Hubraum fahren. Als erklärter Fan von Wrangler, wird es dann schon schwieriger eine Autovermietung zu finden, die einen Fahrzeugtyp zusagen und wenn dann sind sie völlig überteuert. Nichtsdestotrotz sitzen wir um sechs Uhr am Abend im Fahrzeug unserer Wahl und fahren quer durch Los Angelas und es liegt noch eine zweistündige Etappe nach Barstow vor uns.
Mein Klischee vom langsam fahrenden Amerikaner ist nun nachhaltig zerstört. Wer sich an die Geschwindigkeit hält ist im Großraum Los Angelas der Langsamste. Fünf Meilen pro Stunde mehr ist die Grundregel. Es können aber auch gut 20 Meilen pro Stunde mehr sein. Dabei werden auch recht forsch die Spuren gewechselt und die sonst eher rücksichtsvollen und vorsichtigen Amerikaner sind sich hier zum Hupen nicht zu fein.
Bis wir in Barstow angekommen, getankt, eingekauft und eingecheckt haben, ist es dann zehn Uhr am Abend. Kein Problem, wenn man nicht zur Morgendämmerung um sechs Uhr an der Strecke stehen will.
04.01.2024 Linesiding Barstow nach Needles und zurück
Schon als wir gestern Abend in Barstow ankamen, konnten wir es kaum fassen, als wir aus dem Auto stiegen. Es waren gerade mal sechs Grad Celsius und ein starker Wind peitschte über die Wüste hinweg und durch die Stadt. Bei der Reiseplanung habe ich mich im T-Shirt gesehen und am Abend, bei einem Bier vielleicht mit Jacke. Doch ich saß da mit Pullover, Schal und Skijacke und wünschte mir einen Glühwein! Die Temperatur fühlte sich an wie einige Grad unter Null.
Der Wind hat glücklicherweise nachgelassen, als wir zum Sonnenaufgang in der Hector Road, in der Mojave Wüste an der Strecke stehen. Die nächsten Tage gehören der Eisenbahn. Neben der I 40 und der I 15 ist die Bahnlinie Los Angelas-Barstow-Needles Hauptschlagader des Güterverkehrs zwischen dem Hafen in Los Angelas und dem Inland. Nicht abreißende Schlangen von Trucks auf den Highways und 60 bis 70 Güterzüge pro Tag mühen sich über den Cajon Pass hinauf auf die Hochebene der Mojave Wüste. Von dort werden die Waren aus aller Welt über das Land verteilt.
Der längste Zug der uns vom frühen Nachmittag bis Sonnenuntergang begleitet hat, hatte 217 Wagen, drei Zugloks, drei Loks in der Mitte des Zuges und zwei Schiebeloks am Ende. Man hatte in Neeedles zwei Züge zu einem zusammengefasst um die fotografischen Möglichkeiten weiter einzuschränken (Sarkasmus).
Noch vor der Morgendämmerung geht es wieder an die Strecke, jedoch offenbart sich schon auf dem Weg dorthin, dass es heute Morgen stark bewölkt ist. Somit sind die Ergebnisse in Verbindung mit den Zügen, die ein schlechtes Timing haben, sehr bescheiden. So fahren wir zwei Cappuccino holen und versuchen erneut irgendwo ein gutes Landschaftsbild von den extrem langen Güterzügen zu machen. Als wir zwischen Ash Hill und Siberia an der großen Schleife stehen hat sich das kleine Loch in der Wolkendecke wieder geschlossen. Um das nicht in die Länge zu ziehen, wir fahren die Route 66 und die I 40 rauf und runter. Mal stehe ich hier und mal stehe ich wo anders, doch Motivgestaltung, Zug, Wetter und Sonnenstand sind nicht einmal perfekt in Harmonie. Ein schönes Erlebnis ist aber am Mittag das 1954 erbaute Road-Restaurant „Peggy Sues“. Eine Zeitblase in der man sich in die frühem 1960 Jahre beamen kann. Es war eine Zeit, in der es chic war mit einem tonnenschweren Designwunder aus Detroit, das 20 Liter auf 100 Kilometer verbrauchte durch die Lande zu cruisen. Elvis, Paul Anka und Jonny Cash waren die Stars in dieser Zeit und ihre Musik wurde bei Peggy nie abgestellt. Auch die Kellnerinnen im Restaurant haben anscheinend noch die Kittelröcke aus dieser Zeit an und einige sind schon so alt, dass man meinen könnte sie wären bei der Eröffnung dabei gewesen. Die vielen Devotionalien aus den letzten 70 Jahren machen dieses Restaurant zu einem Museum in dem man günstig und gut essen kann. Allerdings ist es auch eine Touristenattraktion an der Route von Los Angelas nach Las Vegas und somit meist sehr gut frequentiert.
Nach dem die Sonne vor fünf Uhr am Nachmitttag hinter den Bergen verschwunden ist fahren wir nach Hesperia. In der Dunkelheit kann man die Städte, durch die sich die Interstate mitten hindurch zieht, kaum voneinander unterscheiden. Man fährt ab San Bernadino und Victorville nur noch durch ein Lichtermeer. Rechts und links der Interstate sind riesige Gewerbeparks in denen jede Firma so viel Platz beansprucht, dass der ganze Gewerbepark der Gemeinde Castrop-Rauxel dort hineinpassen würde. Riesige grelle Leuchtreklamen von Schnellrestaurants, Malls, Supermärkten, Outlets, Hotels, Casinos und anderen Gewerben schreien nach Aufmerksamkeit. In jedem Ort der auch nur 3000 Einwohner hat, scheint es 3000 Hotelbetten und 30 Restaurants zu geben. Während bei uns zu Hause die Restaurants um Personal oder gleich ganz ums Überleben kämpfen, kommt es hier manchmal zu unschönen Situationen. Für ein Abendessen im Texas-Roadhaus in Hesperia, muss man sich am Freitagabend auf eine Liste setzen lassen, und dann fast zwei Stunden warten, bis man einen Tisch bekommt. Ich habe mich in der verdammten Ostzone nicht angestellt oder mich gar um einen Tisch im Restaurant beworben und werde es auch jetzt nicht tun. Noch absurder wirkt das, wenn man an die Obdachlosen denkt, die sich jetzt zwischen der Abfahrt der Interstate und dem Zaun zum Gelände der BNSF (Eisenbahngesellschaft) sich jetzt wieder auf eine bitterkalte Nacht in ihren Zelten aus Plastikfolie vorbereiten.
Cajon-Pass
Minus zwei Grad Celsius, vereiste Autoscheiben aber stahlblauer Himmel. Das könnte ein guter Tag für ein paar nette Fotos und Videos vom Cajon Pass werden. Der Pass befindet sich an der einzigen für die Bahn überwindbaren Stelle, an der die San Bernadino Mountains in die San Gabriel Mountains übergehen. Ein Zug nach dem anderen erklimmt die aufwendige Streckenführung über den Cajon Pass. Das satte Blubbern der Dieselmotoren, hallt von den Bergeflanken wider. Stoisch brummend ziehen und schieben die Maschinen gutmütig und zuverlässig die schier endlosen Züge den Berg hinauf. Den für amerikanische Eisenbahnen so typischen Klang des Hupens habe ich noch in der Nacht im Ohr. Es dauert bis zu zehn Minuten bis der gesamte Zug die gewählte Position passiert hat. In der Sullivans Curve sieht man eine Meile entfernt im Tal den Zug hinter einem Felsmassiv verschwinden, während hinter einem noch Wagen ohne absehbares Ende mit stählernen Donner vorbei rumpeln.
Am Hill 582 treffen wir Scott, der in Washington wohnt, sich in Montana eine Farm mit Haus gekauft hat, in Kalifornien seine Mutter und in Arizona seine Tante besucht hat und jetzt auf dem Weg nach Washington ist, wo derzeit noch sein zu Hause ist. Er ist Modelleisenbahner und hat hier, für eine Nacht, mit seinem zum Camper umfunktionierten Pick-Up, sein Nachtlager aufgeschlagen. Er lädt uns zum Kaffee vom Campingkocher ein. Wir Quatschen und quatschen und er fragt uns ob wir aus Kalifornien sind. So schlecht kann unser englisch also nicht sein.
Die Urlaubskultur in Amerika ist eine völlig andere als wir uns so vorstellt haben, falls wir mal darüber nachgedacht haben. Man nutzt die Public Holidays und fährt durch dieses großartige Land. Man campt irgendwo in der Wildnis oder nutzt eins der unzähligen Motels und Hotels. Wer etwas mehr Geld zur Verfügung hat kauft sich einen Campervan oder Bus, hängt sein Auto hinten dran und besucht einen der unzähligen Nationalparks.
Zum Abschied von dieser grandiosen 17.600 PS Dieselshow (eine Lok der Reihe GE Dash 9 hat 4.400 PS), fahren wir noch einmal zum Point 582, dem Affenfelsen für Trainspotter. Der Himmel ist bedeckt und ein unangenehm kalter Wind peitscht über die Berge. Es scheint aussichtslos noch irgendeinen fotografischen Erfolg zu erzielen. Doch dann kurz bevor die gedimmte Sonne hinter dem Bergmassiv verschwindet, fahren zwei Züge synchron bergab und kreuzen einen sich bergwärts mühenden Zug. Für zehn Minuten ist Luft erfüllt von sonorem Brummen von zehn Lokomotiven. Was für eine Show!
Man muss nicht in den Joshua-Tree-Nationalpark um die Joshuabäume zu sehen.Auf dem Navi im Auto erscheint zum wiederholten Mal eine Warnung vor Winterwetter, worüber wir uns lustig machen. Diese Meldungen kamen immer wieder Mal auf dem Display des Navigationssystems. Doch der Wind frischt auf und wird immer stärker. Am Himmel bilden sich dramatische Wolkenformationen, die uns auf dem Weg nach Tehachapi einen spektakulären Sonnenuntergang bescheren. Doch nach Einbruch der Dunkelheit wird es ungemütlich. Ein Sturm fegt über das Land. Sand, kleine Steine und jede Menge Tumbleweed (diese Bälle aus Gestrüpp, die man aus Wild-West Filmen kennt) werden über den Freeway geweht, die LKW-Fahrer haben Mühe ihre Trucks in der Spur zu halten und unser Jeep möchte jetzt mit zwei Händen am Lenkrad gefahren werden.
Wir fahren durch das ganze Alphabet. Rechts auf die Avenue M, links auf die Avenue C und dann rechts auf die Avenue Q um dann nach acht Meilen auf die Avenue E abzubiegen. Nur die roten Warnlichter hunderter Windräder blinken am nachtschwarzen Himmel. Auf dem Aerospace Highway im Ort Mojave, ist der Wind zu einem Orkan herangewachsen. In Tehachapi ist es mit minus zwei Grad bitterkalt und der Sturm bläst uns die Mützen vom Kopf. Als wir ins Steakhaus „Jakes“ eintreten, fragt uns einer der Gäste: „Schneit es draußen?“. „Nein“, ist unsere verwunderte Antwort. „Na dann geht raus und sagt uns Bescheid, wenn es schneit.“ Das machen wir natürlich nicht und genießen unser Steak ohne Anstehen und Warteliste.
Lange warten musste der Gast im „Jakes“ nicht. Kaum im Hotel eingecheckt, gesellt sich zu Kälte und Sturm, Schnee und Graupel der von rechts nach links fällt. Die Wettervorhersage liest sich wie die vom Doomsday. Am Morgen leichter Schneefall bei 0 bis -2° Celsius, gefühlt minus zehn Grad. Mittags 0 bis -4° Celsius, gefühlt minus 11 Grad.
Tehachapi Loop
Der Morgen ist dunkelgrau und kalt. Es sieht nicht so aus, als hätte sich dieser Weg gelohnt. Wir frühstücken in Ruhe, was man in einem amerikanischen Best Western Plus so Frühstück nennt. Teigwaren, Instant-Ei, Omlett, Pancakes, Fruitloops, etwas Obst und Orangensaft. Die Kaffeemaschine bekommt das Personal nicht in Gang. Personal das selbstständig denken und arbeiten kann ist auch in Amerika ein Problem. Wir fahren zum Tehachapi Loop (gesprochen: Teahäätschäpi). Für alle die wissen wollen was es damit auf sich hat: Die Union Pacific Railway hat sich 1876 eines ingenieurtechnischen Tricks bedienen müssen, um die starken Steigungen hier in den Bergen zu überwinden. Die Bahn fährt über eine enge Schleife in eine Kurve ein, die einen Kreis bildet. Die kreisförmige Strecke gewinnt dabei ständig an Höhe und an der Stelle an der sich der Kreis schließt, überquert sie sich selbst, bevor sie sich in einer weiteren S-Kurve wieder an den Berghang schmiegt. Mehrmals am Tag wird das Tal für 20 Minuten vom sonoren Brummen der Dieselmotoren und Quietschen der Wagenräder, die durch die engen Gleisradien gezwungen werden, erfüllt. Eisenbahnfans können hier, mit etwas Glück Züge beobachten, die in beiden Richtungen den Loop befahren, oder sich hintereinander in Sichtweite folgen.
Der Wind bläst erbarmungslos und schickt graue Wolken in das Tal. Graupel sticht mir ins Gesicht und bedeckt Fotokoffer und Kamera mit einer weißen Schicht. Wenn jetzt ein Zug kommt, wäre es sinnlos den Aufnahmeknopf zu drücken. Trotzdem würde ich es tun, um wenigsten ein „Belegvideo“ zu haben. Das typische Horn der amerikanischen Lokomotiven hallt im Tal wieder, als sich alle Konturen im Schneetreiben aufgelöst haben. Fünf Minuten braucht der Zug, bis er durch die erste Schleife an der Stelle ist, wo ich den Aufnahmeknopf drücken würde. In dieser Zeit hört der Schneegriesel auf und die Bergspitzen bekommen Sonne. Dieses Video werde ich später noch einmal machen, denn über dem Tehachapi Loop reißt die Wolkendecke auf, während ringsumher dunkle schneeschwangere Wolken über Berge und Täler ziehen und alles mit winterlichem Weiß beflocken. Es ist unglaublich was für ein Glück wir haben, denn bis nach ein Uhr bleibt das Wolkenloch bestehen, wenn es auch kleiner geworden ist.
Das war ein gelungener Abschluss, dieser kleinen Eisenbahntour und wir brechen auf nach Los Angelas. Der Jeep brummt auf der CA-14 durch die leeren Weiten der Mojave Wüste, vorbei an der „Mojave Air & Space Port“, wo hunderte Flugzeuge in der Wüste abgestellt sind. Im Radio läuft Tim McGrow mit „Dont take the girl“. “I love this song” sagt die Radiomoderatorin. Scheiße, ich liebe ihn auch. Das hier ist gerade echtes Amerika-Feeling!
Bevor wir in Los Angelas ins „Best Western Plus Sunset Plaza Hotel“ einchecken, fahren wir zum Aussichtspunkt am Griffith Observatory. Keine gute Idee an einem Sonntag, denn die Straßen sind voll mit überforderten Mietwagenfahrern die sich gegenseitig im Weg sind und nach Parkplätzen zum Vorwärtseinparken suchen. Früh am Morgen sind wir in den Straßen von Los Angelas unterwegs. Die Strahlen der Morgensonne streicheln die Dächer der weißen Häuser, die sich die Berge hinaufziehen. Palmen recken sich überall dazwischen empor und sehen sich nach Wärme. Der „Walk of Fame“ ist noch ohne Touristen und auch der „Rodeodrive“ ist noch nicht erwacht. Wir suchen die Ansammlung der vielen Wohnmobile der Homeless People in der Jasmine Avenue und anderen Straßen. Doch die Stadtverwaltung hat all diese Straßen geräumt und die Wohnungslosen haben sich nun über die ganze Stadt verteilt. Wir fahren zum Citadel Outlet, wo es für Caroline ein weiteres Paar UGG-Boots gibt, die man in Europa nicht kaufen kann. Leider sind die Preise in Kalifornien ohne Steuern ausgewiesen, so dass die ohnehin schon teuren Markenartikel nur für schmerzbefreite Käufer hinnehmbar sind.
I´m fall in love with Malibu. Charlie und Alan Harper kann ich gut verstehen, wenn sie diese Gegend nie verlassen wollten. Selten habe ich in der Welt einen Platz gefunden, der diesen besonderen Charme hat. Natürlich hat dieser Ort auch andere Menschen in seien Bann geschlagen und so ist der begrenzte Raum an dem schmalen Küstenstreifen etwas teurer. Eine renovierungsbedürftige Bretterbude an der Straße bekommt man für 3,8 Millionen Dollar. Ein brauchbares Haus gibt es für 10 Millionen und ein Strandhaus ab 20 Millionen Dollar. In den Auffahrten stehen Maserati, Ferrari, Lamborghini, Porsche und alle anderen Edelmarken. Ein Hemd, dass bei H & M 19,99 € kostet, schlägt hier mit 400 Dollar zu Buche und ein T-Shirt mit Malibu drauf kostet auf dem Pier 80 Dollar. Das T-Shirt ist zwar „Made in Amerika“ aber der Schriftzug nur geflockt. Da würde ich schon bei der Hälfte aussteigen. Sehr genossen haben wir den Snack auf dem Malibu Pier. Sonne satt und zum ersten Mal Temperaturen die T-Shirt und dünne Jacke zulassen. Dazu der Blick auf den Ozean – einfach endlaser! Wenn mich jemand fragen würde was man in Los Angelas sehen muss würde ich antworten: „Nichts, fahre nach Malibu“.
Von Malibu nach La Habra sind es nur 34 Meilen. Was man als Ortsfremder nicht so auf dem Schirm hat, ist, dass man in Los Angelas am Nachmittag für diese Strecke zwei Stunden und 15 Minuten braucht, da aus welchem Grund auch immer, tausende andere Autofahrer den Highway in derselben Richtung benutzen.
La Habra
Wir schmeißen unsere ToDo List in den Müll und lassen uns von „real-Los Angelas-inhabitants“ ihre Lieblingsplätze zeigen. Dabei meiden wir Los Angelas und fahren zunächst nach Newport Beach. Während wir die Strandpromenade herunterschlendern, staunen wir über die luxuriösen und aufwendig gestalteten Strandhäuser die weit außerhalb unser finanziellen Möglichkeiten liegen. In dem Teil von Newport Bech der “The Wedge” genannt wird haben auch viele Berühmtheiten saisonal genutzte Häuser, die aber treffender Villen genannt werden können. Hier haben Stars wie Niclolas Cage, Heather Locklear, Gwen Stefani, Barbara Steisand und Emma Stone, um nur die zu nennen die man in Europa kennt, opulente Anwesen. Viele sind jedoch nur im Sommer hier, denn es ist ja meist auch nur eines ihrer Anwesen. Ein Unikum ist die kleine Balboa Ferry mit der wir nach Balboa Island übersetzen. Auch auf dieser Insel herrscht eine ganz eigene Atmosphäre und es riecht nach Reichtum. Die Straßen und Gehwege sind geradezu clean und die Straßenzüge mit ihren pittoresken Fassaden wirken fast wie eine Filmkulisse.
Huntington Beach hat außergewöhnlich breite Strände und ideale Wellen zum Surfen. Seit 1959 wird hier Ende Juli der „US Open of Surfing“ Wettbewerb ausgetragen. Aber schon ab April jeden Jahres, wenn die Saison beginnt ist es hier mit der beschaulichen Ruhe vorbei.
Bevor wir uns auf den Rückweg nach La Habra machen, besuchen wir Laguna Beach, wo es auch eher nobel zugeht.
Ein Tag am Meer. Ungewohnt entschleunigt. Ein Tag, an dem wir im Grunde nur Sonne, Sand und Meer genossen und uns über das „daily life“ austauschten. Das ist die Rückkehr zum wirklichen Reisen. Land und Leute kennenlernen, satt des stupiden Abhakens von Points of Interest.
Nachdem wir am Morgen einen Rundgang mit dem Hund durch die Nachbarschaft in La Habra gemacht haben, fahren wir in den Carbon Canyon Regional Park, der für seinen Red Wood Bäume bekannt ist.
Die Old Town Orange ist eine beschauliche Stadt mit vielen historischen Holzhäusern, die im Sommer von Besuchern aus der näheren Umgebung frequentiert wird. Die Straßen sind gesäumt von Antiquitätengeschäften, Restaurants, Bars und Teestuben. Im Zentrum der Stadt befindet sich der mit Palmen bepflanzte Plaza Park mit dem Watson’s Café, das sich mit dem ältesten noch in Betrieb befindlichen Soda Fountain im Orange County rühmen kann. Im Sommer findet hier die Orange International Street Fair statt und dann platzt der Ort aus allen Nähten.
Glauben
Es war meine Idee das Daily Life zu teilen. Das bedeutet natürlich auch, dass man den gemeinsamen Besuch der Kirche zum Bibelstudium nicht ablehnen kann. Gesagt, getan. Obwohl das Gebäude der Calvary-Kirche einst ein Geschäfts- und Einkaufszentrum war und über einen riesigen Parkplatz verfügt, finden wir gerade so noch einen freien Platz. Der Hauptsaal bietet Platz für 750 Menschen und ist gut gefüllt. Der „music-master“ tritt auf die Bühne und das Duo beginnt mit einem Song. Das gemeinsame Singen kann über eine viertel Stunde lange dauern und lobpreist den „Lord“ in vielfacher Form. Wir sind überrascht, wie viele junge Menschen unter den Gläubigen sind. Frauen wie Männer sind inbrünstig dabei und manche der Teilnehmer öffnen ihre Arme und Hände, strecken sie leicht nach oben, während die Finger ein OK Zeichen formen. Den Text können wir mitsingen, da er an große Videowände zu beiden Seiten des Saals projiziert wird. Da Frauen Männer nicht unterrichten können, gehen nach dem gemeinsamen Gesang die Geschlechter getrennt zum Bibelstudium und es werden kleine Diskussionsgruppen gebildet. Ein Sprecher trägt Verse aus der Bibel vor und es wird dann danach gefragt, in welcher Weise der Inhalt dieser Verse das eigene Leben beeinflusst hat. Viele in den Diskussionsgruppen bringen eigene Beispiele von Ereignissen in ihrem täglichen Leben. Es wird aber auch darüber diskutiert, ob Noah beim Bau der Arche Hilfe gehabt hat oder nicht und wer die Versorgung der Tiere bewerkstelligt hat. Es ist nicht so, dass wir zum Glauben gefunden hätten aber dieser Kirchenbesuch trägt zum Verständnis der amerikanischen Gesellschaft bei.
Manchmal fällt es aber schwer, Verständnis zu haben. Zum Beispiel dann, wenn Republikaner bekunden, dass sie nie in einen demokratisch regierten Bundestaat ziehen würden. Ebenso drastisch ist, dass Republikaner und Demokraten mehrheitlich nicht mehr bereit sind mit einander zu sprechen. Hier hat die Regierung ihr Ziel erreicht. „Herrsche und teile!“
Eine Boeing 747-800 bringt uns zurück nach Deutschland, wo ebenfalls erfolgreich geherrscht und geteilt wird.