Die letzten Stahltiere in Bosnien und Herzegowina – eine Bilderreise durch die Region Tuzla

Bosnien Dampflokomotive Braunkohle Kohleminen
Dampflok Bosnien altes Haus

Wer hält länger durch? Die Dampflok oder das verlassene Haus?

Bosnien steht sicher bei den Wenigsten auf der Reise-Bucketlist. Dabei war sogar unser Verteidigungsminister im Januar 2024 in Bosnien und Herzegowina zu Besuch. Doch standen bei ihm wohl weniger die Sehenswürdigkeiten auf dem Programm. Sein Bestreben war dabei den Einfluss Russlands zu begrenzen.

Doch die EU lässt Bosnien schon lange auf den Beitritt warten, da die bosnische Regierung den Anforderungskatalog nicht erfüllt. Die russische Förderation ist da großzügiger und macht seinerseits attraktive Angebote. Russland ist auch sprachlich und historisch Bosnien und Herzegowina sowie Serbien näher als es die Länder der EU sind. So wirkte er auch beim Besuch der EUFOR-Althea-Truppen, nahe der bosnischen Hauptstadt Sarajewo, eher angespannt als erfolgreich.

Zentrale Aufgabe von EUFOR-Althea, an der sich die Bundeswehr mit etwa 30 Männer und Frauen in Bosnien beteiligt, ist einen Beitrag zur Stabilisierung zu leisten. Diese „Friedensmissionen“ sind aber auch schon in Afghanistan und Mali gescheitert. So sehr Boris Pistorius auch die Entschlossenheit der Europäischen Union bekräftigt, defakto zeigt sich die EU täglich schwach.

Das Dayton-Friedensabkommens, das den Bosnien-Krieg 1995 beendete, ist zerbrechlich. Die Länder des ehemaligen Jugoslawien sind und bleiben ein möglicher Konfliktherd.

Trotz dieser Risiken siedeln sich mehr und mehr Firmen der Elektroindustrie, Bauelemente- und Baustoffproduzenten sowie Metall verarbeitende Betriebe in der Region Tuzla an. Der Wohlstand scheint zuzunehmen. Die meisten der traditionellen Häuser in dieser Region sind verlassen. Dafür entstehen überall neue Gebäude und jedes zweite Eigenheim sieht aus wie vor einem Jahr fertiggestellt. In den Auffahrten stehen auch nicht selten neue Fahrzeuge.

 

 

 

Modracsee Bosnien Tuzla

Modračko Jezero Stausee

Nachhaltig verseucht!

In den Medien unseres Landes tauchen immer wieder Berichte über die katastrophale Luftverschmutzung in den Großstädten auf. Besonders Peking, gilt als Stadt mit der schlechtesten Luft. Das es in Europa Orte gibt an denen die Luftqualität noch schlechter ist, bleibt unerwähnt. Auf dem Balkan wetteifern die Städte Skopje, Tuzla und Tetovo regelmäßig um die vorderen Plätze auf der Liste „Welthauptstadt des Feinstaubs“. Besonders bei Inversionswetterlagen, die im Herbst und Winter in den Bergen des häufig auftreten, staut sich die Luft in den übersiedelten Tälern Bosniens und Herzegowinas und lässt Sauerstoff knapp werden.
In den Städten des Balkans, wo Kohleheizungen noch sehr verbreitet sind, werden dann Schadstoffbelastungen gemessen, die das Zwanzigfache des EU-Grenzwerts erreichen und selbst die katastrophalen Werte Pekings toppen. Die Industriezentren um Tuzla und Zenica, aber auch die von Bergen umgebene Hauptstadt Sarajevo sind oft am stärksten betroffen.
Neben Feinstaub, vergiften auch Stickoxide und Schwefeldioxid aus Kraftwerken und Hausbrand die Bewohner. Eine Wärmedämmung oder eine Gasheizung haben die meisten Gebäude nicht. Umso größer ist der Bedarf an billiger Kohle und wer nur wenig Geld zur Verfügung hat heizt mit Müll.
Wer kann investiert sein Geld in ein Auto um seinen Arbeitsplatz zu erreichen oder um einfach mobil zu sein. Die Anzahl an PKW hat sich in der letzten Dekade verdoppelt. Um die Probleme mit der Luftverschmutzung anzugehen, wurde in Sarajevo ein Stadtgasnetz errichtet. Doch in Städten wie Tetovo versprühen noch immer Tanklastwagen eine Mischung aus Kalkstein und Essigsäure, um die Staubpartikel zu binden. Bosnien und Herzegowina sind nicht in der EU. So kümmert es weder die Regierung noch die Eigner der „Termoelektrana“, die in Tuzla das größte Kohlekraftwerk in Bosnien betreibt, dass dieses Kraftwerk zwanzigmal so viel Schwefeldioxid in die Luft pustet als es Grenzwerte erlauben.
Obwohl das Kohlekraftwerk Gewinn macht, hat es zum Einbau einer Entschwefelungsanlage bisher nicht gereicht. Die Behörden, die das Jahr für Jahr anmahnen, vergessen zu gerne, dass die bosnische Föderation zu 90 Prozent an dem Kraftwerk beteiligt ist.**

Auf den ersten Blick erscheint der Modračko Jezero Stausee wie eine Oase in der Industrieregion Tuzla.  Durch die industrielle Verunreinigung und die wachsende Besiedlung ist das Wasser des Stausees jedoch so mit Schadstoffen belastet, dass zwischenzeitlich sogar das Baden verboten wurde. Auch die Fische des Sees sind nicht zum Verzehr geeignet.

Dampflok Nacht Bosnien

Die Wintermonate eignen sich besonders gut für Nachtaufnahmen. Hier stehen zwei 33er im Februar 2024 vor dem Stellwerk von Lukavac.

Trotz und sicher auch gerade wegen der vielen neuen wirtschaftlichen Ansiedlungen, ist der Braunkohleabbau in der Region Tuzla noch immer ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor. Doch die wirtschaftliche Situation der Kohleminen in Tuzla ist so angespannt, dass seit vielen Jahren nicht einmal der Kauf von gebrauchten Dieselloks in Frage kommt und man die verbliebenen Dampflokomotiven weiterhin am Leben erhält. Im Winter 2023 waren die Minen der Kreka-Verwaltung gänzlich außer Betrieb, weil man die Löhne für Dezember nicht ausgezahlt hatte. Im Ergebnis dieser desolaten Finanzlage unterbleiben nicht nur notwendige Investitionen in die Kraftwerke, sondern es werden auch noch im Jahr 2024 Kriegslokomotiven aus den Jahren 1942/43, die einst nur bis zum „Endsieg“ halten sollten, im täglichen Einsatz gefordert. Der Einsatzbereich ist allerdings stark limitiert. Die Lokomotiven rangieren meist nur im Minenbereich, die Übergabezüge sind in der Hand von ebenfalls über 50 Jahre alten Staatsbahndieselloks.

Warten

Wir sind um fünf Uhr aufgestanden, haben das Frühstück als „Take away“ Paket mitgenommen und warteten dann bei Sonnenaufgang an der Strecke auf den Zug.

Es stellt sich heraus, dass die für den Einsatz geplante Lok einen Schaden an einem der Überhitzerrohre hatte, und so musste eine Ersatzlok angeheizt werden. Später heißt es: „Die Lok musste erst noch Kohle nehmen“. Wir warten und die Sonne steigt immer höher. Mehrmals heißt es der Zug sei abgefahren, doch so genau kann man das auf dem Balkan nicht nehmen. Und nur, weil der Zug abgefahren ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass er auch an dem gewünschten Bahnhof ankommt.

Es gibt auf der Strecke auch Steigungen zu bewältigen und es kann schon mal vorkommen, dass die über 70 Jahre alte Lok in einer solchen liegenbleibt. So geben wir irgendwann auf und fahren mit dem Bus eine bessere Stelle suchen. Nach einem Kaffeestopp, über vier Stunden nachdem der Wecker geklingelt hat, entsteht das erste Foto am Tunnel Drenik. Allerdings  verbarg sich die Sonne hinter dichter werdenden Wolken. In Srebrenik wird die Lok umgesetzt und es geht wieder zurück nach Tuzla. Jedoch haben wir bei allen weiteren Fotostellen ebenso wenig Glück. Wenn die Wolken mal die Sonne freigeben, mährt das Lokpersonal solange rum, bis das Motiv dann im Schatten passiert wird. Wir verpassen auf dem Gelände des Kraftwerks sogar die blaue Stunde. Das muss man erst mal schaffen! Doch die Loks rangieren, wider jeden Anweisungen und Absprachen, sinnlos auf dem Bahngelände hin und her, bis es stockdunkel ist und der Tender der einen Lok kein Wasser mehr hat. Die Kommunikation zwischen lokalem Reiseleiter und unserem Organisator scheint verbesserungswürdig und auch die Kommunikation zwischen unserem lokalen Reiseleiter und dem Lokpersonal scheint nicht wirklich zu funktionieren. Anweisungen per Funk werden nicht umgesetzt, da einfach mal das Walkie-Talkie ausgeschaltet wird.

Dampflok Bosnien Herzegowina

Feuer – Wasser – Kohle -Schweiß!

Feuer – Wasser – Kohle – Schweiß

In der Kohlemine Šikulje steht ein beladener Zug im Bahnhof, vor den sich schon die 33-264 gesetzt hat. Der Lokführer zieht an dem eisernen Hebel und ein Pfiff kündigt die Abfahrt des beladenen Zuges aus der Beladungsanlage an. Er dreht die Steuerung nach vorn, reißt den Regler auf und ein erster Auspuffschlag setzt die Lokomotive in Bewegung. Zischend hüllt sich die Lok in Dampf während sie langsam anfährt. Regler zu und wieder auf. Dann zu und wieder auf. Die Dampfzufuhr will wohl reguliert sein. Seine Hand bewegt dabei unablässig den Sandstreuer, damit die Treibräder nicht ins Schleudern kommen. Der Zug, beladen mit nasser Braunkohle, ist schwer und nur langsamer kommt die Fuhre in Fahrt. Die Lokomotive stößt eine Säule aus Dampf in den Himmel. Kraftvoll stampft die Maschine nun vorwärts und ich spüre ich die Freude die man nur dann empfindet, wenn man etwas Besonderes erlebt. Die Vibrationen lassen große Brocken Braunkohle vom Tender in den Führerstand rutschen. Der Heizer greift ein Beil und schiebt mich etwas zur Seite. Dann zerhackt er die Brocken und wuchtet sie in die Feuerbüchse. Während der Zug an Fahrt gewinnt, fahren wir durch eine langgezogene Kurve. Die schmutzigen Fassaden der Wohngebäude rechts der Gleise bekommen ihren Anteil an Dampf und Ruß. Dahinter kommt schon dass Stellwerk von Lukavac in Sicht und der Lokführer beginnt zu Bremsen. Stahl, Feuer, Wasser und Schweiß – harte Arbeit für die Männer auf einer Dampflokomotive im Jahr 2024. Seit im Dezember 2023 die letzten beiden Dampflokomotiven im Tagebau Sandaoling, in China abgestellt wurden, sind das weltweit die letzten Dampfloks, die nahezu täglich im kommerziellen Betriebseinsatz genutzt werden. Ausgenommen sind die Eisenbahnen die auf Hochglanz geputzte Dampflokomotiven für touristische Zwecke einsetzen.

 

 

Dampflok Bosnien Kohlemine

Große Loks und lange Züge. Manchmal gibt es noch die beeindruckenden Ausfahrten aus Lukavac.

Kein Bock in Bukinje

In der Einsatzstelle Bukinje steht vor dem Schuppen die 33-504, die für den Einsatz vorbereitet wird. In der Werkstatt wecken wir die Schlosser aus ihrem Dämmerschlaf und fragen sie, ob sie zum Schein und für ein Foto ein wenig an der 33-236 herumwerkeln können. Doch die Schlosser wollen nicht bei der Arbeit gesehen oder gar fotografiert werden. Wahrscheinlich würde das ihren Ruf zerstören fürs Schlafen bezahlt zu werden! Auf dem Gelände steht noch eine 33 ohne Tender und vier Loks der Reihe 62 abgestellt, die dem Verfall preisgegeben sind.

 

Versunken im Minenfeld

Abraumbagger haben die Erde der Region von unten nach oben gewühlt. Wo man wieder siedeln kann tut man es. Die Landschaft in und um Tuzla ist total zersiedelt. Flüsse dienen als Abwasserkanäle für die vielen Industriebetriebe und als Müllhalde der Anwohner. Lässt man seinen Müll einfach fallen, so fällt er nicht zu Boden, sondern nur auf anderen Müll.

Die Gelände der Braunkohleminen, ob privat oder staatlich betrieben, sind Minenfelder. Offene Schächte, Gruben, herumliegender Schrott, Öllachen und schlammige Wege und Flächen. Da kann einem schnell ein Unheil widerfahren. So wie Herrn W. W. ist ein etwas eigenwilliger und schrulliger Zeitgenosse. W. war einst Bahnbeamter und ist es gewohnt, dass sein Leben geplant, vorhersehbar und im Takt der Uhr abläuft. Sind solche Menschen dann mal auf sich alleine gestellt und müssen eigenverantwortlich handeln, ist das Unglück vorprogrammiert. In Dubrave fotografierten wir einen ausfahrenden Kohle-Zug von einer Brücke auf dem Gelände der dortigen Mine. Als der Zug durch war, machte sich W. allein auf den Weg hinunter von der Brücke, um die Position zu wechseln. Dabei ist er in mehreren Hinsichten falsch abgebogen. Ohne Anweisung und allein steuerte er auf seinem Weg nach unten geradezu auf tiefe Gräben voller Wasser und Modder zu, was aus seiner Perspektive auch zu sehen gewesen sein muss. Sekunden später ist dann mit den Schuhen im Matsch versunken. Statt nun stehenzubleiben, nachzudenken oder umzukehren, ging er weiter bis er zu den Knien im Modder steckte. Doch auch an diesem Punkt schien er nur nach vorne fokussiert und dachte nicht über eine Lösung nach. Einer seiner Schuhe saugte sich nun im Schlamm fest und er musste ihn mit den Armen aus der Pampe herausziehen. Jeder hätte in dieser Situation erstmal die Kamera, die er um den Hals trug unter die Jacke gehängt um Schlimmeres zu verhindern. Aber nicht W.! Es kam wie es kommen musste. Er ruderte mit den Armen, verlor las Gleichgewicht und versenkte Kamera und die Fototasche in der Pampe. Dann wühlte er sich weiter vorwärts bis er wieder festen Boden unter sich hatte. Nun war er jedoch bis zum Oberkörper über und über mit dem braunen Brei eingesaut und sicher nass bis auf den Schlüpfer. Doch eines muss man ihm lassen. Er ist ein Kämpfer! Das Ziel immer fest vor Augen, unbeirrt aller Widrigkeiten und ohne Rücksicht auf Verluste.

Matsch Mann versunken

Irrwege

Mentalitäten-Crash

An einem Morgen verwenden wir mehrere Stunden für Diesellokomotiven, bevor die 33 064 mit einem Leerzug eine furiose Ausfahrt aus Lukavac hinlegt. Danach fahren wir nach Oskova in die Werkstatt der Kohlebahn, wo derzeit eine der beiden Loks der Baureihe 83 zur Überholung ausgeachst in der Werkstatt steht. Diese Baureihe basiert auf einer altösterreichischen Schmalspurlok-Konstruktion, von Krauss/Linz, aus dem Jahr 1903. Diese Lokomotiven wurden nahezu unverändert von Ðuro Ðakovic in Jugoslawien bis 1948 nachgebaut.

Eine Katze versucht in den Ecken der Halle Mäuse aufzuspüren. In den Werkstätten, in der Teile für Lokomotiven und Produktionsanlagen überholt und gefertigt werden, hängt der Geruch von Öl in der Luft. Der Chabby-Charme der 60iger Jahre ist hier überall präsent und seitdem hat sich hier auch nicht viel verändert. Hoch oben, an der Wand hängt ein Gemälde von General Tito und darunter werkeln Männer und eine Frau an uralten Drehbänken und Fräsen. Die Wände sind patiniert mit dem Schmutz der vergangenen Jahrzehnte und der Boden ist schwarz von Schmutz und Öl.

Auch wenn vorher alles abgestimmt, organisiert und bezahlt ist, heißt das noch lange nicht das das Programm auch funktioniert. Oft muss unser lokaler Guide noch ewig Kaffee trinken und Gespräche führen gehen, damit avisierte und bezahlte Einsätze von Lokomotiven auch wirklich durchgeführt werden können. Nicht selten wartet man währenddessen untätig in den unwirtlichen Industriegeländen. So auch am Abend in Šikulje, wo wir während der blauen Stunde wieder einfach nur rumstehen.

Eisiger Wind weht über das Werksgelände während wir warten. Ich warte auf meine perfekte Spiegelung, die anderen darauf das der Zug abfährt. Über das Warten wird es dunkel. Zu dunkel für die Siegelung und auch zu dunkel für alles andere. Das Lokpersonal werkelt etwas auf dem Führerstand herum, steigt dann aber wieder runter und verschwindet im Gebäude. Mir ist kalt. Ich gehe auch in das Gebäude. Wohlige Wärme im Aufenthaltsraum des Lok- und Rangierpersonals. Suppe köchelt auf dem Herd vor sich hin. Nebenan gibt es sogar einen dunklen schäbigen Raum mit Liege und Fernseher. Dragan, der lokale Guide, ist im Smalltalk mit dem Personal. Nach dem ich die Szenerie dort drinnen beobachtet habe, wird mir klar: Niemand wird heute noch mit einem beladenen Zug ausfahren. Wir könnten ins Hotel fahren und Abendessen. Ich frage Dragan: „Fährt Zug heute noch aus?“ „Nein Lok wird nur vorbereitet für morgen früh. Nicht Ausfahrt heute, nein“ ist die Antwort. Ich gehe zum Bus und warte dort. Doch ich irre mich! Bernd Seiler würde seinem Ruf nicht gerecht, wenn er sein Willen nicht durchsetzt. Um 18:41 Uhr stößt die 33 248 eine Säule aus weißem Dampf und Funken in den nachtschwarzen Himmel als sie den beladenen Zug aus dem Werkbahnhof Šikulje zieht. Es sei jedoch hinzugefügt, dass dies auch eine Stunde früher vor einem dramatischen Abendhimmel möglich gewesen wäre aber dem steht die bosnische Mentalität entgegen. Denen ist das völlig egal. Keine Ahnung warum sie es nicht einfach machen, wenn sie es dann doch irgendwann tun. Es wäre viel einfacher die georderten Leistungen zu erbringen. Dann hätten auch die Personale viel eher wieder ihre Ruhe und könnten sich auf die Pritsche hauen, Suppe löffeln oder stundenlang quatschen.

Bosnien Dampflokomotive Braunkohle Kohleminen

Abendlich Ausfahrt aus der Mine Dubrave.

Mit Volldampf von Sikuljie nach Višća Donja

Um 6:45 Uhr treffen wir auf dem Minengelände in Sikuljie ein. Eine erste Rücksprache ergibt, dass es ein Sicherheitsproblem gibt und ich ahne das man das wieder aussitzt bis das beste Licht vergangen ist. Doch wieder irre ich mich. Die warmen Strahlen der Morgensonne illuminieren die Ausfahrt der 33 248 aus der Mine Šikulje. Mit imposanter Dampfentwicklung geht es vorbei an den Einfahrtsignalen von Lukavac. In Lukavac kreuzt die Dampflok mit dem Kohlezug den antiquierten Bahnübergang über die Straße, die bezeichnenderweise „Termoelektrana“ heisst.

Nachdem sie ihre Braunkohlefracht bei einem der Kraftwerke der „Termoelektrana“ abgeliefert hat, bringt sie Leerwagen wieder hinunter zur Mine. Das war dann jedoch zu viel für das alte Eisen und die Lok bleibt zunächst mit einem Schaden an einem der Rohre in der Mine stehen. Glücklicherweise wird der Schaden aber schnell behoben. Da man hier jedoch nur flickt statt repariert, wird es wohl nicht lange dauern bis die Lok wieder ausfällt.

Es gelingt jedoch die Fahrt von Bosanska Poljana über Živinice nach Višća Donja zu verfolgen und im Abendrot noch ein Bild der 33-248 anzufertigen.

Gute Besserung!

Der Generaldirektor, der das OK für den Einsatz der Dampflokomotiven in Banovice gab, befindet sich derzeit im Krankenhaus. Das ist traurig aber an sich kein Problem, jedoch hat der Leiter der Werkbahn in Banovice ein anderes Parteibuch als der Generaldirektor und verbietet daher den Einsatz der Dampflokomotiven. Es ist dabei unerheblich ob diese für den Betriebsablauf benötigt werden oder nicht. Es geht nur darum den Generaldirektor herabzusetzen und zu beschädigen. So werden wir wieder zum Spielball von Machtkämpfen in Bosnien.

 

Dampflok Kohle Mann Bosnien

Miričina, der Siebzigjährige der auf die Lok stieg und davon fuhr.

Die Alternative ist mit der 33-264 von Dobošnica nach Miričina, bis zur „Grenze“ der Republika Srpska zu fahren.

Diese Gelegenheit nutze ich wieder zu einer Mitfahrt auf dem Führerstand der Lok und klettere hinauf. „Die Handschuhe kann ich wegschmeißen“, ist mein erster Gedanke. Das Nylongewebe ist augenblicklich voller Öl und Ruß, der an den Griffstangen klebt. Einen Pflegezustand, den man so bezeichnen könnte, haben die Maschinen nicht mehr. Schon drei Wochen nach einer Hauptuntersuchung sind die einst schwarzen Loks braun vom Braunkohlestaub der Minen und Verladeanlagen. Oft wird nur geflickt statt repariert, was zum häufigen Schäden an den Lokomotiven führt und der Ruß der schwefelhaltigen Braunkohle und des Holzes das verfeuert wird verstopft Rohre und Rauchzüge. Wohlige Wärme und der Geruch nach Rauch, heißem Öl und gespanntem Dampf umfangen mich. Die beiden Wasserstandsgläser, rechts und links oben am Kessel sind die Lebensversicherung einer jeden Lokbesatzung! Hier sehen Lokführer und Heizer wieviel Wasser noch über der Feuerbüchsdecke steht. Würde das Wasser dort fehlen, würde die stählerne Feuerbüchsdecke ausglühen. Schwappt dann Wasser beim Bremsen oder bei Bergfahrten auf den glühenden Stahl würde diese irreparablen Schaden nehmen und kann aufreißen. Wasser würde sich dann auf das tausend Grad heiße Feuerbett ergießen und schlagartig verdampfen. Eine Kesselexplosion, das Lokführer und Heizer zumeist nicht überleben, wäre die Folge. Doch auf dieser Lokomotive sind die Wasserstandsgläser zwar vorhanden aber die Scheiben so von Ruß und Öl so geschwärzt, dass man beim besten Willen nichts erkennen kann. Sie vertrauen dem Gefühl und speisen regelmäßig Wasser nach. Was bleibt mir außer Vertrauen und der Hoffnung, dass es auch in den nächsten Stunden noch gutgeht? Mirsad, der Heizer ist ein wandelndes Klischee und etwa doppelt so alt wie der Lokführer. Dieser hält fünf und zwei Finger in die Luft und weist auf Mirsad. „Seventy, seventy“ ruft er. Der rüstige Heizer ist tatsächlich 70 Jahre und pensioniert. Er hat viel Erfahrung auf diesen Maschinen, fährt aber nur noch zu besonderen Anlässen. Mirsad lacht, greift einen Schraubenschlüssel, steckt ihn durch ein Handrad und öffnet mit aller Kraft das Speisewasserventil. Wasser strömt hörbar in den Kessel. Die Lokomotive eilt weiter durch kahle Büsche und Bäume vorbei an nassen Wiesen und einzelnen Häusern. Ein Pfiff gellt um Autofahrer auf der selten befahrenen Stecke vor dem Zug zu warnen, der sich einem Wegübergang nähert. „Euro, Euro“, ruft mir Mirsad zu und streckt mir seine Zigarettenschachtel entgegen. Darauf ist ein 50 Euro Schein abgebildet. Ein Wink mit dem Schürhaken, dass er etwas Trinkgeld erwartet? OK. Botschaft angekommen. Er steckt sich einen der Lungentorpedos in den Mund und zündet ihn an, was seine Bronchen, sofort mit einem Hustenanfall quittieren. Nachdem er seine Fluppe aufgeraucht hat, greift er den Hebel der Feuerluke und scheppernd öffnet sich der Feuerschlund. Gemeinsam wuchten wir die Eisenbahnschwellen, die mir eben noch als Sitzmöbel dienten in die Feuerbüchse. Oh, zu lang, Mirsad greift ein langes Eisenrohr und wuchtet im Feuer herum, um Platz für die Holzschwelle zu schaffen. OK, noch ein Stück. Mit dem Fuß schiebt er das Holz weiter ins Feuer, wobei sein halbes Bein in der Feuerbüchse verschwindet. Wir nähern uns Miričina. Mirsad steckt sich wieder eine Zigarette an, die nun in der Lücke zwischen seinen vorderen Schneidezähnen klemmt. Er lacht und hustet. Der Lokführer beginnt behutsam zu bremsen. Miričina ist erreicht und mein kleiner Blick durch das Schlüsselloch in das ungesunde und einfache Leben, der Personale auf den Dampfloks der Braunkohletagebaue von Tuzla ist zu Ende.

62-126 auf der Kohlemine Banovići, ist die letzte im Einsatz stehende Lok dieser Baureihe.

Doppelbespannung

Später fahren wir von Dobošnica nach Dubrave, wo ein schwerer Kohlezug mit Doppelbespannung abgefahren wird. Nach getaner Arbeit stehen die zwei Dampflokomotiven vor dem Abendhimmel und die Rufe des Muzzein hallen von der Stadt hinüber. Eine surreale Stimmung mitten in Europa.

Die letzte Amerikanerin

Am letzten Tag widmen wir uns noch einmal der Kohlemine Banovići. Im Schmalspurteil soll keine Lok der Reihe 83 im Einsatz sein. Auch die 25-30, die letzte betriebsfähige Werkbahnlok des Typs 122-760CN/245, die von ČKD aus Prag 1949 für die Bahn gefertigt wurden, soll wegen einem Schaden zurück in der Werkstatt sein. Wir fahren trotzdem hin! Und widererwartend ist die 62 125 auf dem Normalspurbahnhof im Einsatz. Die Baureihe S 100, in Jugoslawien als Reihe 62 bezeichnet wurde, waren Kriegslokomotiven des United States Army Transportation Corps (USATC), die zwischen 1942 und 1944 in großer Zahl produziert und in alle Länder, die als Verbündete gegen Hitlers Truppen agierten, geliefert wurden.

Von der Lokfabrik Djuro Djakovic in Kroatien wurden 90 Lokomotiven im Lizenzbau, zwischen 1951 und 1961 nachgefertigt. Sie waren zumeist für den Einsatz in Kohleminen vorgesehen. Die 62 125, die als Reserve in Banovići vorhanden ist, ist die letzte ihrer Art die noch gelegentlich eingesetzt wird. Doch ihre Tage sind gezählt.

Dankeschön heißt Hvala

Allen Widrigkeiten zum Trotz, haben es Drago Jovanović und Bernd Seiler geschafft, dass wir noch einige gute Aufnahmen von den letzten im kommerziellen Einsatz stehenden Dampflokomotiven auf diesem Planeten digital speichern konnten.

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