Vanuatu – Malekula

Südsee - Vanuatu - Big Nambas

11. Januar 2020

Südsee - Vanuatu - Big Nambas

Port Vila ist etwas moderner und sauberer als die Städte auf den Salomonen. Aber auch geschäftiger und lauter. Das betrifft insbesondere meine Unterkunft an der Hauptstraße. Zuerst waren es die Lastwagen, die sich auf der steilen schmalen Straße den Berg hochquälten. Dann waren es Armeerekruten, die um fünf Uhr am Morgen bei ihrem morgendlichen Lauf durch mein Zimmer, laut im Chor ihre Drill-Kommandos riefen. Kann mich jedenfalls nicht erinnern, geschlafen zu haben. Port Vila hat außer Souvenirläden mit billigem Zeug und Tourveranstaltern, die sich entlang der Hauptstraße befinden, nichts zu bieten. Einzig der Mark auf dem die lokalen Produkte gehandelt werden ist vielleicht einen Besuch wert Für die meisten Besucher dürfte diese Stadt ohnehin nur ein Stopp-Over sein.

Vanuatu Port Vila Market
Markt in Port Vila

Malekula

Stefano holt mich vom Flughafen Norsup ab. Vorbei an der größten Kokospalmplantage von Malekula fahren wir die Küste hinauf, bis wir in einen schmalen Weg abbiegen. Der Weg wird schmaler und ist an beiden Seiten von dichtem Buschwerg gesäumt. Käme hier nicht regelmäßig ein Fahrzeug durch, so wäre der Weg sicher innerhalb eines Jahres überwuchert. Hunderte riesige Spinnen hängen von den Ästen der Bäume und in den Büschen. Ab und zu stehen entlang des Weges kleine Schilfhütten und Frauen beackern kleine Gartenflächen zur Selbstversorgung. Dann erreichen wir die Unterkunft und ich begreife, dass ich hier, ob ich das will oder nicht, das Leben mit den Menschen teilen werde. Die Unterkunft ist in derselben Bauweise errichtet, wie die Hütten der Einheimischen. Ein Betonfundament, einen Holzskelett verkleidet mit geflochtenen Palmblättern. Das Dach ist ebenfalls mit Palmwedeln gedeckt. Einziger Komfort ist Solarstrom, Dusche und ein Moskitonetz. Die Menschen die hier leben gehören zum Stamm der „Small Nambas“, die es durch ihre Zeremonien zu einer überregionalen Bekanntheit gebracht haben. Heute halten sie zwar noch einige Hühner und pflanzen Früchte zur Selbstversorgung, die Haupteinnahmequelle sind jedoch Showvorführungen für Touristen geworden. Zu meiner Überraschung gibt es am Abend Steak mit Bohnen, Gemüse und Frittierten Bananenscheiben. Schwärze umschließt die Hütte. Wellen brechen sich niemals endend an den Korallenklippen darunter. Während ich noch etwas in meinem Buch lese, umschwirren hunderte Insekten das funzelige Licht der Batterielampe auf meinem Tisch.

Vanuatu smol Namba dance
Smol Nambas Dance

„Walla Soup Cannibal“ verkündet ein Schriftzug auf einem Sockel aus Korallensteinen und Beton. Darauf steht ein steinerner Tiegel auf dem mit Farbe Blut angedeutet ist. Einst war das der Tummelplatz für die Passagiere kleinerer Kreuzfahrtschiffe. Hier wurde die „Kultur der Kannibalen“ als schauriges Vergnügen präsentiert. Den Dörfern auf der Insel Walla ging es durch die Einnahmen der Besucher gut. Doch die Kreuzfahrtschiffe kommen schon seit langen nicht mehr. Die Karawane ist weitergezogen. Verfallenen Landungsbrücken und die Pontons am Strand sind die letzten Zeugen dieser Zeit. Doch im Innern der Insel schlummert seit einem Jahrhundert das kulturelle Erbe der Inselbewohner. Diese jedoch hadern mit ihren alten Bräuchen.

Walla Vanuatu Malekula
Warten auf bessere Zeiten auf Walla Island

Als sich vor etwa hundert Jahren die ersten Missionstationen hier niederließen, beendeten die Menschen die Tradition des Nasara. Die Nasara war eine Zusammenkunft aller Dorfbewohner und von zentraler Bedeutung für das Gemeinschaftsleben. Der Nasara Platz, heute verborgen im Dschungel, wird gesäumt von aufgestellten Steinen und jeder dieser Steine hat eine besondere Bedeutung. Eine Stein symbolisiert den Anführer, ein anderer die Krieger, die Bauern, die Fischer und auch die Frauen. Diese riesigen Steine waren auf der Insel nicht vorhanden und mussten von großen Inseln herübergebracht werden. Um die Erlaubnis der dort lebenden Stämme für die Entnahme eines solchen Steins zu erhalten, mussten bis zu 150 Schweine eingetauscht werden. So war es kein leichtes Unterfangen einen solchen Platz, von dem jeder Stamm seinen eigenen hatte, für Zeremonien zu schaffen. Frauen und Männer hatten jeweils getrennte Blöcke in denen sie den Zeremonien folgten. Es gab Zeremonien für die Fruchtbarkeit, für Vögel, für Hochzeiten und den Tod. Die wichtigste jedoch war die Namagi-Zeremonie. Bei dieser, wie auch den anderen, schlachtete der Stammesführer ein Schwein. Dann wurde festgelegt wer in der Dorfgemeinschaft welche Aufgaben zu übernehmen hat und welche Vorhaben anzugehen seien. Seit das Nasara aufgegeben wurde ist die Dorfgemeinschaft auseinandergebrochen. Es gibt viele Streitigkeiten um Land und die Aufgaben in den Gemeinschaften. Die Kirche hat darauf nie eine Antwort geben können. Nun überlegen einige zu den alten Bräuchen zurückzukehren, doch andere sind dagegen, da sie die Konsequenzen fürchten. Heute wie damals leben die Menschen vom Fischfang und von Subsistenzlandwirtschaft. Der Zugang zu Geld ist für manche Menschen auf den abgelegenen Inseln von Vanuatu schwer. Geschichten vom Kannibalismus, der bis in die Hälfte des letzten Jahrhunderts praktiziert wurde, halten sich hartnäckig. Verbürgt ist nur ein Fall, in dem ein durch übermäßigen Drogenkonsum weggeballerter Dorfbewohner einen kleinen Jungen „versehentlich“ für ein Schwein gehalten hat, ihn getötet und dann über dem Feuer geröstet hat. Auf vielen Inseln findet man heute noch die Plätze an denen die Schädel der Verspeisten zur Ruhe gebettet wurden. Hier beteten die Stammesführer für die Seelen der Opfer und vielleicht auch für ihre eigenen Seelen.

Rano Island Cannibal Site

Starker Wind, der mich in der Nacht weckt, zieht durch meine kleine Stube. Die Wellen krachen gegen die Korallenfelsen. Die großen Spinnen fahren in ihren Netzen Achterbahn und können sich nur mit Mühe in ihren Netzen halten. Der Tropensturm „Ann“, der auch als Zyklon bezeichnet wird, fegt in der Nacht über die Insel Malekula. Ich packe meinen Koffer und bin froh, dass wir heute mal irgendwo hinfahren. Um viertel nach acht am Morgen fahren wir mit Etiennes versifften und schrottreifen Van Richtung Lakatora. Die Reifen bräuchten mal etwas Luft, die Radlager und Bremsen quietschen. In Lakatoro lassen wir sein Auto stehen und fahren mit einem „public transport“ zum Losinwei Wasserfall. Ein Dschungelpfad führt hinauf in die Berge. Mehrfach kreuzen wir den Fluss und mir tropft unablässig Schweiß von der Nasenspitze. Setla, ein kleiner und drahtiger Mann von 81 Jahren, ist unser Führer durch den Dschungel. Nur mit Mühe vermag ich ihm zu folgen. Zu Hause habe er noch einen gut erhaltenen Schädel aus der Kannibalenzeit, erzählt er mir. Ob ich den wohl mal sehen will? Ob er denjenigen noch selbst vom Leben zum Tode befördert hat, möchte ich wissen. Nein, nein, das sei sein Vater gewesen. Nach etwa eineinhalb Stunden ist der Wasserfall erreicht. Unterhalb des Wasserfalls haben sich mehrere perfekte Pools gebildet in denen man baden und schwimmen kann. Die Gelegenheit nutzend, wasche ich mein Shirt aus und fülle meine Wasserflasche. Der Rückweg ist eine Herausforderung für die Motorik, aber einfacher als der Aufstieg. Dann geht es wieder zurück nach Lakatoro. Etienne, mein Guide, muss wieder einen Transport organisieren.

Vanuatu Losinwei Wasserfall
Losinwei Wasserfall

Unter einem schäbigen Vordach vergammele ich eineinhalb Stunden an der Straße, bis er mit einem „public transport“ vorbeikommt. Regen setzt wieder ein. Der Pickup mit seiner menschlichen Fracht quält sich über die ausgewaschene Sandpiste bis nach Unua 5. Die Unterkunft erweist sich als das Schlafzimmer einer Familie im Dorf, die Verwandte von Etienne sind. Sie müssen ihr Schlafzimmer jedoch erst räumen und für den Besuch herrichten. Derweil besichtige ich Dusche, Toilette und das Anwesen. Der Hof ist mit rund geschliffenen Steinen vom Strand aufgeschüttet, im Gras gackern die Hühner und in einem Unterstand rottet ein Pick Up vor sich hin. Die Toilette ist randvoll, wird aber jeden Morgen gespült und die Kochstelle ist eine mit Palmwedeln gedeckte Hütte, in der auf zwei Eisenstangen ruhend, ein Kessel mit heißem Wasser vor sich hinblubbert. Aus einem Radio dröhnen vier pazifische Schlager und „Dancing in the Dark“ von Ed Sheeran in der Endlosschleife. Mein Guide geht irgendwo im Dorf Cava in sich reinkippen und ich lege mich nach dem Genuss einer mitgebrachten Instandnudelgerichtes auf die schäbige Matratze auf dem Boden.

Bitin Mask Dance

Es hat die ganze Nacht wie aus Kübeln geregnet. Ich hole mir Wasser, gieße mir einen Kaffee auf und kaue meinen Müsliriegel. Dann gehen wir eineinhalb Kilometer über matschige Wege durch den Dschungel hinauf in die Berge zu dem Dorf Bitin, wo es den „Mask Dance“ zu sehen gibt. Dieser Mask Dance hat keine tiefere Bedeutung. Er dient nur dem Vergnügen. Männer und Frauen führen die Tanzveranstaltungen jedoch getrennt durch. Nach Aussagen verschiedener Einheimischer wird dies auch heute noch praktiziert. Am häufigsten jedoch für zahlende Besucher. Dann balancieren wir auf modderigen Pfaden wieder hinunter nach Unua. Dort sitze ich dann wieder und warte auf meinen Transport, der natürlich erst noch organisiert werden muss. Mit einem vollbeladenen Pick ab fahren wir, durch drei vom Regen angeschwollene Flüsse und durch knietiefe Modderlöcher. Kleine blaue Perlhühner wechseln panisch die Straßenseiten und verschwinden im dichten Unterholz. Krabben stellen sich mutig dem Auto in den Weg und so manche wird Opfer ihrer Fehleinschätzung. Zurück in Lakatoro steigen wir in Etiennes schon beschriebenen Hunday Van um. Der macht heute irgendwie den Eindruck als wolle er endlich auf dem Schrottplatz gemütlich vor sich hinrosten. Seine Reifen bekommen etwas Luft und dann muss er sich ein weiteres Mal über Malekulas Pisten quälen. In Nawori, zu Hause bei Etienne angelangt, lassen wir den Van stehen, und besteigen wieder einen voll beladenen Pick Up. Die Fahrt geht der Küste entlang durch dichten Dschungel. Das Unterholz ist so dicht und verfilzt, dass man auch mit dem wichtigstem Besitz der Männer, dem langen Buschmesser, Mühe hätte, sich da durchzuschlagen. Vor etwa zehn Jahren wurde ein Kletterpflanze eingeschleppt die nun beginnt die gesamte Insel zu überwuchern. Im Süden der Insel sieht der Wald aus der Luft aus wie eine riesige, mit grünem Guss überzogene Torte. Bäume sind bis zu den Kronen von der Pflanze überwuchert. Niemand wird dem jemals wieder Herr. Wie lange wird es wohl dauern bis Vögel die Samen über alle Inseln Vanutus verteilt haben? In Tanmiel ist für den PT dann Endstation. Hier fallen wir abermals in das Zuhause von Verwandten Etiennes ein. Die sind wieder überrascht, weil niemand uns vorher angemeldet hat. Man richtet uns aber sogleich eine Art Scheune als Unterkunft her.

Vanuatu Norsup public transport
Public Transports sind für Reisende die einzige Art sich auf den Straßen Malekulas zu bewegen.

Ich stehe fassungslos in Tanmiel, auf dem Hof vor einer Hütte und Etienne geht sich mit Cava zukippen. Zum Glück gibt es da noch Peter, das Familienoberhaupt. Der setzt sich zu mir und wir unterhalten uns ein wenig. Was er so macht, will ich wissen. Fischen und ein bisschen Gartenarbeit zur Selbstversorgung. Er hat acht Kinder, vier Mädchen und vier Jungen. Einer fährt Pick Up, einer ist Lehrer, einer ist in der Verwaltung in Santo tätig, aber die Töchter sind hier. Wie lange war deine Tochter in der Schule? Er überlegt…. Bei meinen vorgegebenen Zahlen wählt er dann die Acht. Also acht Jahre – wahrscheinlich. Er weis es nicht genau. (In Vanuatu zählt man den Kindergarten, in den die Kinder fünf Jahre gehen, mit dazu). Auch auf die Frage nach dem Alter seiner Tochter antwortet er: „17, 18 weiß ich nicht“. Ich erzähle ihm, dass wir in Europa jedes Jahr den Geburtstag feiern. Von der Geburt bis zum Tod. Dann frage ich: „Was macht deine Tochter jetzt. „Na jetzt ist sie hier“, antwortet er. „Sie hat einen Mann, ein Kind und bekommt hoffentlich noch weitere Kinder“. Bist du glücklich und zufrieden? Ja, das ist ein leichtes und einfaches Leben. Wenn er Lust hat zu Fischen, dann nimmt seine Harpune und taucht nach Fischen bis er keine Lust mehr hat. Den Rest gibt der Garten und die Hühner her, Früchte hängen von den Bäumen und Wasser regnet vom Himmel. Schweine hat er keine. Da müsste man einen Zaun bauen, sonst hauen die in den Dschungel ab. Im Dschungel gibt es viele wilde Schweine und darum hat er fünf Hunde. Die verscheuchen die Schweine, die sonst in der Nacht den Garten plündern würden. Die Katzen kümmern sich indes um die Ratten und Mäuse. Ob ich in der Stadt lebe? „Ja in Berlin.“ Oh, Stadt wäre nichts für ihn! Alles so teuer und seine Natur ist eben das freie Leben hier in dem kleinen Dorf an der Küste Malekulas. Dann frage ich nach dem Wetter. Ja, das sei eigenartig, normalerweise ist es sehr schön und sonnig zu dieser Jahreszeit. Ich erzähle ihm dass ich auf den Salomonen im Fernsehen gesehen habe, dass hier von PNG über die Salomonen und Fiji, bis nach Vanuatu irgendein Sturmtief unterwegs sein. Ja sagt er, ob dass wohl die Klimaveränderung ist, über die alle sprechen? Das erstaunt mich dann doch. Jeder den man darauf anspricht, der weis anscheinend sehr gut, dass sich etwas am Klima verändert. Selbst hier auf der abgelegenen Insel Malekula. Allerdings gibt es auch Inselbewohner die glauben, dass jemand ein sehr dickes Tau durchschnitten hat und damit den Sturm entfesselt hat. „Du sprichst sehr gut englisch“, sage ich und wir fragen uns noch ein wenig aus. Er bedauert mich sehr, dass ich weder Brüder noch Schwestern, noch Kinder habe. Ist unser Leben besser frage ich mich und hoffe aus dem Aufenthalt hier im Dorf irgendwas für mich mitnehmen zu können.

dogout beach Vanuatu
Traditionelles Einbaumboot auf Rano Island.

Am Morgen gibt es zum Frühstück die Reste vom Abend. Kalten Reis und Fisch. Dazu wird heißes Wasser mit Rohrzucker getrunken. Ich bekomme ein Stück trockenes Brot und etwas Papaya angeboten. Wenig später erklingen drei verschiedene Zeichen, die mit der Spitze eines alten Projektils, auf der vor der Kirche hängenden leeren Gasflasche geschlagen werden. Dann kommen die Dorfbewohner zur Baptisten Kirche und auch die Familie verabschiedet sich dorthin. Wir laufen durch dichten Bambuswald, wenige Gehminuten hinauf zur Oop Lam Lam. Das ist eine Höhle die seit Jahrtausenden als Wohnstätte genutzt wird. An den Wänden befinden sich unzählige Petroglyphen und Zeichnungen. Als Wohnhöhle wird sie heute nicht mehr genutzt, dient aber wie vor drei Jahren als Zufluchtsort bei Zyklonen.

Vanuatu Spirit Cave
Spirit Cave

Ein klappriger Minibus bringt uns zum Zugang der Yala Cave, die auch als Spirit Cave bekannt ist. Von den drei Höhlen auf Malekula ist sie die beeindruckteste. Die Menschen glauben, dass die Geister der Toten hier versammelt sind und der Geist des Todes in der Höhle über alle wacht. Bevor man eintritt, müssen Besucher angekündigt werden. Dies geschieht durch das Blasen in den löchrigen Muschelkalkwänden, was dann einen tiefen Ton erzeugt. Dabei ist die genaue Anzahl der Besucher zu beachten. Es dürfen keine ungeraden Zahlen sein! Die Höhle hat drei Zugänge. Einen Zugang für die Geister, einen Zugang für jene Tote, die bei Kämpfen ums Leben kamen und einen Zugang für Besucher. In dem Zugang für die eines unnatürlichen Todes Gestorbenen, wächst ein Baum in den nach oben offenen Dom. Hier steigen die Toten herunter und man kann auf den Steinen unten das heruntergelaufene Blut sehen. Hunderte Petroglyphen und Kratzzeichnungen zieren die Wände. Diese Höhle ist wirklich ein unheimlicher und zugleich faszinierender Ort. Heute kommen manche Einwohner hierher um die Geister zu fragen, ob sie eine Mädchen oder einen Jungen als Nachwuchs bekommen.

Vanuatu Malekula Cave
Oop Lam Lam Cave

Die Böden können kein Wasser mehr aufnehmen. Es regnet und stürmt seit Tagen fast ununterbrochen. In den Dörfern und in den Plantagen bilden sich erste Seen. Die Pisten sind teils nur noch Schlamm und der Minibus muss so manche Steigung mehrfach in Angriff nehmen. In den vergangenen drei Tagen kam vielleicht eine Sonnenstunde zusammen. Die Landschaft in den Bergen und die Ausblicke auf Buchten und das Meer mögen berauschend schön sein. Wenn jedoch alles unter Wolken liegt und Regenschleier über die Insel ziehen, dann ist es auch in der Südsee einfach nur trist.

woodden art Vanuatu
Große hölzerne Tam Tams findet man überall auf Malekula

Sind die Bezeichnungen Small Nambas und Big Nambas korrekt oder sind es Wortschöpfungen der Reisebuchautoren aus fernen Ländern? Nach Aussage meises Guides gibt diese Bezeichnungen bei den Einheimischen nicht. Die Einheimischen kennen verschieden Stämme mit unterschiedlichen Arten von Zeremonien. Die genannten Gruppen heißen eher Big Genecis und Smol Nambas. Smol ist aber auch nur ein Wort das durch den Einfluss englischer Kolonialisten „small“ in den Wortschatz der Ureinwohner gelangte. Große oder kleine Penisköcher, wie oft erklärt wird, wird man jedoch nicht sehen. Die Genitalien der Männer sind in immer ähnlicher Weise durch dicke Blätter geschützt. Allein die Art des Schmucks und der Tänze unterscheiden sich, auch wenn es dem Besucher schwer fallen wird, dabei die Unterschiede zu benennen. So besuchen wir Mahe, ein Dorf in den Bergen, dass ebenfalls Tänze vorführt. Hier werden jedoch aus verschiedenen Zeremonien die Tänze zu einem touristisch aufbereiteten Potpourri vermischt.

Südsee - Vanuatu - Big Nambas
Tam Tam bei den Big Nambas

Am Abend sind wir wieder zurück im Nawori Sea View Bungalow. Zur Freude der beiden Damen aus Neukaledonien und meiner Enttäuschung gibt es das traditionelle Lap Lap. Auf großen Blättern wird dabei ein Ring aus Bananenbrei geformt. Ein innerer Ring besteht aus Kohl und Bohnen, gewürzt mit Zwiebeln und Ingwer. In die Mitte befindet sich eine Art Soße in der Fisch oder Huhn schwimmt. Mit Blättern bedeckt kommt dies dann in ein Erdloch in den sich heiße Steine befinden. Gut abgedeckt gart das Gericht dann in diesem Loch. Ist es fertig, wird es in die Mitte einer Matte gelegt und entblättert. Die Hausfrau presst dann mit der Hand erwärmte Kokosraspel drüber aus. Die ganze Familie sitzt auf der Matte im Kreis, gegessen wird mit den Händen. In der Südsee liebt man dieses Gericht.

Das traditionelle Lap Lap.

Orange taucht die Sonne aus dem dunkelblauen Südpazifik auf. Zwischen den Wolken lässt sich hier und da der blaue Himmel sehen, doch es ist sehr windig. Genaugenommen ist es stürmisch. Nach dem Frühstück laufe ich drei Stunden durch die nahe Umgebung. Es ist Sonntag und die meisten Menschen gehen zur Kirche. Hin und wieder bricht die Sonnen durch die Wolken und ich beginne zu hoffen, dass der Sturm und der Regen ein Ende hat. Doch kaum bin ich zurück und sitze mit einer eiskalten Cola vor der Hütte, beginnt es wieder zu regnen. Dann die Überraschung, am Morgen des letzten Tages vor der Abreise aus Malekula zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite. Die Palmen wiegen sich vor einem strahlend blauen Himmel über den kleine weiße Wölkchen ziehen. Ich laufe noch etwas durch die Gegend, trockne dann in der Sonne meine Sachen und lüfte den moderigen Gestank aus meinem Koffer. Dann bringt mich Vanuatu Air mit einer betagten DHC-6 wieder zurück nach Port Vila, wo ich noch ein paar Tage in einem Resort verbringe, wo sich die Gäste zum Abendessen was „hübsches“ anziehen und beim Trinken den Finger abspreizen.

„Wenn die Zivilisation die Welt erobert hat, wird es auch keine Wildnis mehr geben. Gibt es keine Wildnis mehr, so gibt es auch keine Paradiese. In hundert Jahren wird dieser Planet so bevölkert sein, dass die Phantasie selbst keinen Platz mehr auf ihm zu finden vermag. Lasst uns also die Welt erobern solange sie für uns noch die Wildnis bereithält.“ Aus Der König von Ozeanien von Andreas J. Obrecht, Brandes & Apsel, 2006.

South Pacific sunset

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