3.456 Kilometer durch Mauretanien

Afrika Kamel freigestellt

29. November 2018

Wir fallen ein, mit unserem Geld, unseren Wertvorstellungen und wenig Zeit. Wir wollen Bilder die unsere Klischees bedienen. Bilder einer friedlichen und heilen Welt, in der Moslems und Christen Freunde sind. Menschen die sich in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptieren und voneinander lernen. Doch wir wissen dass die Realität eine andere ist.
Das Auswärtige Amt schreibt: „Vor Reisen in das Grenzgebiet zu Algerien und Mali wird gewarnt. Von Reisen in entlegene oder nicht hinreichend durch wirksame Polizei- oder Militärpräsenz gesicherte Gebiete der Sahara, ihrer Randbereiche und der Sahelzone wird dringend abgeraten. Von Reisen in den Norden Mauretaniens, Ein- und Ausreiseversuchen von und nach Algerien, Mali und auf dem Landweg in die Westsahara wird dringend abgeraten. In der Westsahara kann keinerlei konsularische Unterstützung geleistet werden.“

Wir haben einige dieser Gebiete durchfahren und waren einen Großteil der Zeit in „in entlegenen oder nicht hinreichend durch wirksame Polizei- oder Militärpräsenz gesicherten Gebieten der Sahara“. Alle auf dieser Reise haben sich zu jedem Zeitpunkt absolut sicher gefühlt.

In Mauretanien haben wir touristisches Neuland betreten. Eine Tour wie diese hat es noch nicht gegeben. Es war eine Foto-Reise auf der wir versuchten die Naturschönheiten Mauretaniens, die Menschen und ihr Leben sowie den Weg des Eisenerzes aus den Minen von Zouérate bis zum Hafen nach Nouahibou abzubilden. Die Entfernungen sind riesig und an einigen Orten hatten wir weniger Zeit als ich für nötig erachtet hätte. Halsbrecherische Rallyes über die Ebenen der Sahara unterbrochen von Turbofotografie waren die Folge einer straffen Planung. Doch am Ende der Reise, die alles andere als ein Urlaub war, kann man resümieren:  Alles was wir arrangieren wollten hat geklappt! Zuallererst muss hier unser Partner vor Ort und sein Team erwähnt werden. Der Inhaber hat belastbare Kontakte in alle Behörden und Firmen. Sein Team hat uns jeden Wusch erfüllt und schreckte auch vor 16 Stunden Tagen nicht zurück. So bleibt nur zu hoffen, dass jeder seine eigenen positiven Erfahrungen aus Mauretanien mit nach  Hause nimmt und dort verbreitet. Was wir auf dieser Reise gesehen haben, ist allerdings nur ein Ausschnitt dessen was dieses Land zu bieten hat.

Ankunft

05.11. Am Flughafen von Nouahibou werden wir von unserem lokalen Partner herzlichst empfangen. Es wird sich täglich zeigen, dass er der Problemlöser auch für schwierigste Situationen ist. Im Grunde ist alles was wir hier tun wollen illegal und als Individualreisender würde man sich hier in kurzer Zeit in den Fallstricken abstruser und undurchsichtiger Gesetze und Regelungen verfangen. Es geht gleich mit dem Einschmuggeln der Drohne und dem Fotografieren auf dem Flughafengelände los. Doch unser Partner ist ein Netzwerker und kennt hier jeden. Niemand will es sich mit ihm verderben. An der Bude die den Imigration-Counter darstellt müssen wir aber trotzdem anstehen. Nach kurzer Zeit sind keine Visaaufkleber mehr vorhanden. Auf so einen „Touristenansturm“ ist man hier nicht vorbereitet. Neben unserer 15 köpfigen Gruppe sind noch weiter 12 Touristen am heutigen Tag angekommen. Dazu gesellen sich noch die Geschäftsreisenden aus verschiedenen Ländern. Normalerweise müssten jene von uns, welche kein Visa in den Pass bekommen haben, morgen noch einmal wiederkommen aber Mohamad regelt das anders. Das gesamte Prozedere nimmt eineinhalb Stunden in Anspruch bis wir in das Hotel einchecken können.

Schiffsfriedhof in Nouadhibou bei Sonnenaufgang.

Wracks und Müll

06.11. Kurz vor Sonnenaufgang treffen wir am Schiffsfriedhof nahe Nouadhibou ein. Hier können wir sehen wo unser Müll geblieben ist. Hunderte noch eingeschweißte Bierdosen, Strandgut, Fischernetze, Tonnen toter Fische und tote Seevögel vor dem Hintergrund rostender Schiffswracks machen den Strandspaziergang zu einem Erlebnis der besonderen Art. Ein französisches Unternehmen sollte die Schiffe abwracken. Doch Proteste der Schiffseigentümer und die Tatsache, dass sich auf den Schiffen auch Menschen ein zu Hause eingerichtet hatten, verhinderten dies. Im August 2006 beschloss dann die EU 26 Millionen Euro für die Beseitigung der Wracks bereitzustellen, um die die Schiffbarkeit und Sicherheit in der Bucht von Nouadhibou zu verbessern und somit die Wirtschaftstätigkeit im Hafen anzukurbeln. So sind nun zwölf Jahre nach Ende des Projekts nur noch wenige Schiffswracks übrig. Die großen Frachter die am Strand auf dem Sand lagen, waren die ersten die verschwanden.
Nach dem Frühstück ist noch Zeit für einen Abstecher am Fischereihafen. Hier reihen sich Boote aller Größe zu hunderten aneinander. Die meisten der kleineren Fischerboote sind noch aus Holz gebaut jedoch mit einer Schicht aus Polyester versehen um sie vermeintlich länger haltbar zu machen.

Ab in die Wüste

Während der ersten Stunde Fahrt passieren wir vier Checkpoints an denen wir halten müssen. Der Wind schüttelt die kleinen Palmen, in dessen Schatten wir für die Mittagspause halten. Unser Koch zaubert ein köstliches Mal mit Bananen, Salaten, Tunfisch und Brot. Während wir in Sichtweite der Eisenbahnlinie essen, zieht mit tiefem Brummen der Wasserzug an der Oase vorbei. Wenig später kommt ein Erzzug mit 97 Wagen aus der Eisenmiene Zouérate. Danach fahren wir durch die immer karger werdende Landschaft Richtung Süden. Wilde Kamele zupfen an kleinen Bäumen die sich im Wind fast waagerecht biegen. Wir verlassen die Straße und schlagen in einer Senke in der Wüste unser Nachtlager auf. Von der kurzen Erfrischung auf dem Bahnhof an leckgeschlagenen Kesselwagen mit Trinkwasser ist nichts geblieben. Verschwitzt stehen wir im Wind, der erbarmungslos über die Dünen peitscht und Trillionen Sandkörner mit sich trägt, die auf der Haut pieken wie Nadelstiche. Mit Mühe stellen wir unsere Zelte auf und werden dabei sandgestrahlt, während die untergehende Sonne den Himmel gelb wie den Wüstensand färbt.
Unter einem überwältigenden Sternenhimmel in einer wolkenlosen Neumondnacht können wir die Milchstraße mit bloßem Auge erkennen. Dem Lärm der Städte entkommen, haben wir uns in der Nacht in unseren Zelten ausgeruht. Das Frühstück war weitaus besser als wir es hier in der Wüste je erwartet hätten. Die motorisierte Karawane bricht auf, weiter ins Landesinnere. Blasse ockerfarbene Pastelltöne, unterbrochen von rotbraunen vertrockneten Grasbüscheln fliegen auf der Fahrt entlang der Stecke vorbei. Hier und da sucht eine Gruppe Kamele nach spärlichem Grün. Während die endlose Landschaft, die nur durch einen flimmernden Strich in Himmel und Erde getrennt wird vorbeifliegt, klingt sonore Folklore aus dem Autoradio. Alles wirkt total surreal. Ab und zu tauchen Ansammlungen aus Lehmhütten auf, deren Mittelpunkt eine kleine Moschee bildet. Immer wieder fragen wir uns warum und wovon die Leute hier leben? In diesen Siedlungen leben die Bahnarbeiter, welche die Strecke regelmäßig vom Sand befreien. In einer diese Siedlungen machen wir Pause in einem Unterstand aus rostigen Eisenbahnschwellen. Weiter geht die Fahrt durch die Wüste, Straßen oder Wege gibt es schon lange nicht mehr. Nur ab und zu zeugen verwehte Spuren davon, dass hier irgendwann ein Auto nach Sand Valley fuhr.

Ben Amira – Mauretaniens Uluru

Ben Amira und Aicha

Es war einmal vor langer Zeit, da heiratete Ben Amira seine Geliebte Aicha und sie bekamen zwei Söhne. Zusammen lebten sie glücklich auf einer Farm, in der damals fruchtbaren Landschaft. Doch eines Tages brach eine große Dürre über das Land herein. Ben Amira und seine beiden Söhne mussten für lange Zeit in den Süden ziehen um für die Familie den Lebensunterhalt zu verdienen. So war es viele Jahre, bis er sich endlich auf die lange Reise nach Hause machen konnte.  Als er dort ankam, musste er feststellen, dass Aicha einen Geliebten hatte. Ben Amira war außer sich und kämpfte mit dem Rivalen. Sie kämpften so heftig dass Ben Amira seinen Widersacher mit dem Kopf viele Kilometer wegeschleuderte. Von diesem Kampf zeugt die markante Beule am Kopf. Ben Amira zog mit seinen Söhnen in eine Entfernung von Aicha, welche die Trennung symbolisiert. Doch täglich sehen sie sich in ihren Trauergewändern aus der Ferne.
Es ist die Geologie, die danach trachtet diesen Ort zu entzaubern, denn es handelt sich um zwei Magmablasen deren Vulkankegel im Laufe der Jahrtausende von Wind und Wetter abgetragen wurden. Eine magische Aura umgibt diesen abgelegenen einzigartigen Ort aber noch immer. Vor einigen Jahren schuf eine internationale Künstlergruppe am Fuße von Aicha Felszeichnungen, Skulpturen und Kunstwerke.

In einer Düne zwischen dem einstigen Liebespaar unter den Milliarden Sternen unserer Milchstraße errichten wir unser Zeltlager. Während wir beim  Sundowner-Tee sitzen, erhebt sich ein Sturm aus der Wüste, der uns die ganze Nacht nicht schlafen lassen wird. Er verteilt den feinen Sand der Sahara in die letzte Ritze von Mensch und Technik.

7.11.
Die Autokarawane jagt durch den Sand. Deprimiert schauende wilde Esel ergreifen die Flucht und Kamele blicken uns gleichgültig hinterher, während die Staubschleppe mit Himmel und Landschaft verschmilzt. Aus dem Autoradio klingt die wehklagende Stimme einer Frau, die Lieder singt, dessen Inhalt wir nicht verstehen. Die Karawane überwindet auf dem Amoghar Pass einen Gebirgszug und erreicht dahinter Atar.

Atar ist wohl das, was Menschen aus unserer Welt als chaotisch bezeichnen. Während sich zwei schrottreife Mercedes PKW um den Kreisverkehr drängeln laufen dazwischen zwei Esel in entgegengesetzter Richtung und hupen in der ihnen eigenen Weise. An der Straßenecke wird Obst und Brot aus Schubkarren verkauft. In den Straßen finden sich Cafés, Geschäfte die manchmal wie Lagerräume wirken und Werkstätten. Fliegende Händler versuchen an die wenigen Touristen die hier durchfahren Schnitzereien zu verkaufen. Hinter Atar winden wir uns auf einer abenteuerlichen Schotterpiste auf das Adrar-Plateau hinauf. Oben angekommen erwartet uns der vierte Kontrollposten des Tages. Eine halbe Stunde später erreichen wir die tausendjährige Stadt Chinguetti. Hier machen wir in einer unglaublich schönen Pension mit Innenhof unsere Mittagspause und können sogar nach drei Tagen wieder duschen.
Man vermutet, dass Chinguetti im 11. Jahrhundert von Berbern gegründet wurde. Im 12. Jahrhundert wurde die Stadt zu einem befestigten Zentrum des Trans-Sahara-Handels ausgebaut. Die Festungsmauern sind bereits lange verschwunden, doch stammen noch viele Gebäude aus dieser Zeit. Die nüchterne, schnörkellose Architektur der Stadt reflektiert den strengen, malikitischen Islam der Almorawiden. Gehandelt wurde einst unter anderem mit dem in der Nähe gewonnenem Salz.
Chinguetti war lange Zeit eine wichtige Station für die Pilger nach Mekka und ein Zentrum der islamischen, religiösen und wissenschaftlichen Lehren. Zusätzlich zur religiösen Ausbildung wurde an den Schulen Rhetorik, Recht, Astronomie, Mathematik und Medizin gelehrt. Chinguetti besitzt eine hohe Bedeutung als heilige Stadt des Islams.
In den 1950er Jahren wanderten viele Menschen aus Chinguetti in die Bergbauregion Zouérat–F’dérik ab. Die Entvölkerung der Stadt beschleunigte sich durch den Westsaharakonflikt in den 1970er Jahren. Ab 1980 besann man sich auf die geschichtliche Bedeutung der Stadt und begann mit  ersten Restaurierungsarbeiten. Die Stadt besitzt eine der wichtigsten mittelalterlichen Manuskriptbüchereien Westafrikas. Hier sammelt eine Familie seit 300 Jahren alte Schriften. Das älteste Buch hier soll 1400 Jahre alt sein.
Nahe Chinguetti beginnt die Wüstenregion Erg Ouarane. Hier findet man die beeindrucktesten Dünen von Mauretanien, die noch mit einem Fahrzeug erreichbar sind. Endlos erstecken sich hier die Sanddünen bis nach Mali hinein. Am späten Nachmittag, treffen wir in den sanften Hügel aus gelbem Sand auf eine Kamelkarawane, die Richtung Chinguetti zieht. (Entfernung 300 Kilometer)

Kamelkarawane in der Erg Ouarane

Erg Ouarne

08.11. Bedeckter Himmel statt Sonnenaufgang. Pancakes mit Schoklala (arabisch für Nuss-Nougat-Creme) statt Omelette. Abschied vom Sandmeer. Durch die gigantischen Felsmassive des Tznet-Gebirges, fahren wir weiter zu der malerischen Oase Terjit. Am Rand des Adrar-Plateaus, eingebettet in ein tief eingeschnittenes Tal, mit steil aufragenden Felswänden, finden sich hier im Schatten vieler Palmen Wasserstellen, die von einem Fluss aus den Bergen gespeist werden. In der 600 jährigen Geschichte war sie Schauplatz religiöser Zeremonien, Hochzeiten, sowie der Krönung einiger afrikanischer Prinzen. Der europäische Abenteurer Michael Johnson war der erste Ausländer, der die Oase betrat. Die gute Erreichbarkeit, 45 Kilometer südlich von Atar und die filmtaugliche Szenerie sind Grund dafür, dass sich diese Oase auf fast jedem Reiseplan der wenigen Touristen in Mauretanien findet. So wird inzwischen ausländischen Besuchern eine bescheidene Gebühr abverlangt. Während wir hier dem Gesang der Vögel und dem Geplätscher des Flüsschens lauschen, entspannen wir und essen zu Mittag.

Vallée Blanche

Eine Schotterpiste aus faustgroßen Steinen zweigt von der Hauptstraßen ab und führt hinunter in ein tief eingeschnittenen Canyon, an dessen Ende sich das Tal weit öffnet. Im einzigartigen Vallée Blanche türmen sich helle Sanddünen über hundert Meter hoch bis fast bis an die Berggipfel. Eine Besonderheit sind auch die  zahlreichen Bäume, die hier aus den Dünen wachsen. Der „Passe de Tifoujar“ und dort besonders die Fahrt auf der steilen Sandpiste hinauf auf das Felsplateau ist ein echtes Offroad-Abenteuer. Unser Nachtlager errichten wir am Boden des  Vallée Blanche, bauen unsere Stoffhäuser auf und sitzen noch lange am Lagerfeuer. (Entfernung 250 Kilometer)

Die Blechkarawane zieht weiter.

Road Run

09.11. Die Sonne streichelt die steinernen Köpfe der umliegenden Felsen. Golden erstrahlen die Sanddünen, an dessen Ende grüne Bäume das Tal säumen.  Von den nachtaktiven Käfern, Eidechsen und Hasen sind nur noch die Spuren zu sehen, die wie kunstvolle Reliefs in den Sand gezeichnet sind. Leider ist dies der Moment in dem wir Abschied nehmen von der stillen Schönheit des Vallée Blanche. Auf dem Weg aus dem Tal treffen wir auf einen Kamelhirten vom Stamm der halbnomadischen Khaïmas, die in dieser Region leben.

Das Straßennetz Mauretaniens ist rund 8.100 Kilometer lang und nur etwa  1.700 Kilometer sind derzeit asphaltiert. Unsere Route führt uns auf der Straße RN1 aus den Bergen hinaus. Dieses Teilstück ist asphaltiert, doch ein verunglückter Sattelschlepper kurz vor der Stadt Ain Ekel Taya zeigt wie gefährlich diese Passstraßen trotzdem sein können. Die Felsenmassive hinter uns werden immer blasser, während sich das Landschaftsbild langsam wieder hin zur Wüste wandelt. Plötzlich  endet auch wieder das Asphaltband und wir streben über endlose Sandfelder Richtung Küste.
Shante Chueguetti singt mit brüchiger Stimme von Liebe und Leid während am Fenster stundenlang die endlose Wüste vorbeizieht. Durch den Ort Akjoujt fahren wir zur Oase Beni Chab, wo wir unsere Mittagspause machen.

Wie lange die Oase dem Wüstensand noch wiederstehen kann, weiß man nicht. Viele Häuser wären bereits von der Wüste verschluckt worden, würde man sie nicht ständig freischippen. Wir bauen unsere Tische und Stühle in einer schäbigen, vermüllten Ecke unter einem Baum auf. Staub und Schweiß ist für uns nun schon normal geworden und so stört uns auch kein weicher Eselkot zwischen den Zehen in den Sandalen.

Wenig später jagen die Pick-Ups, eine Schleppe Staub hinter sich ziehend weiter durch die Wüste. Wir fahren Richtung Nationalpark Banc d’Arguin. In jeder Himmelsrichtung bis zum Horizont nur sandige Ebene, in der vertrocknete dornenbewährte Büsche auf den nächsten Regen warten, der vielleicht erst in fünf Jahren kommt. Der Horizont, wie mit dem Lineal gezogen, wird ab und zu von einer Sanddüne unterbrochen. Noch seltener sind hier in dieser Öde menschliche Ansiedlungen.

Alle Städte und Dörfer in Mauretanien bieten das gleiche postapokalyptische Bild. Zunächst mal passiert man den Gürtel aus Müll, Plastikflaschen, Dosen, Ölbehältern und Autowracks. In der Ortsmitte steht man dann inmitten eines großen Mülleimers. Nur hier ist alles was man auf die Straße befördert hat plattgefahren. Die Menschen hier haben andere Sorgen als ein Umweltbewusstsein auszubilden. Jede Verpackung die verbraucht wurde, wird sogleich durch Schwerkraft auf dem Sandboden befördert. Wahrscheinlich würde sich niemand erzürnen, wenn man herkäme und einfach eine Tonne Müll am Straßenrand Innerorts abkippen würde.

Ohne irgendeine Art von Übergang reicht die Wüste bis zum Meer. Als ob die ganze Sahara nur ein riesiger Strand wäre. Aus der Sandpiste ist nun wieder ein schmales Asphaltband geworden, das mit viel Mühe immer wieder vom Sand  befreit werden muss. Hier in der Nähe der Küste, finden sich auch wieder kleine Ansammlungen von Hütten aus Wellblech, Holz oder Stein. In zwei dieser kleinen Orte finden sich Lagerhallen und ummauerte Industriekomplexe, die nicht verraten welches ihr Zweck ist. In diesen Orten wird die Hauptstraße sogar von einer solarbetriebene Straßenbeleuchtung gesäumt, die jedoch nicht funktioniert. Zehneinhalb Stunden brauchen wir vom Vallée Blanche zum Zeltlager des Fischerdorfes Iwik. Hier gibt es sogar kleine Hütten zum Übernachten, Waschgelegenheiten, Toiletten und zwei größere Gebäude in der Küche und Speisesaal zur Verfügung stehen. (Entfernung 630 Kilometer)

Sonnenaufgang im Nationalpark du Banc d’Arguin

Nationalpark Banc d’Arguin

Der Nationalpark Banc d’Arguin wurde 1976 als Naturschutzgebiet zum Schutz und zur Erhaltung dieser Ökosysteme, der natürlichen Ressourcen und der wertvollen Fischerei gegründet.  Mit 12.000 Quadratkilometern ist er einer der weltweit größten Nationalparks überhaupt. 1989 erhielt Nationalpark Banc d’Arguin den Status eines UNESCO-Welterbes. Mehrere NGOs sind hier engagiert um den Park in seiner Mission zu unterstützen, die Harmonie zwischen der lokalen Bevölkerung und dem Naturschutz sicherzustellen. Die größte Herausforderung ist eine effektive Überwachung und Verwaltung in einem so großen Gebiet.  Der Park nimmt zwei Drittel der nördlichen Hälfte der mauretanischen Küste ein und das geschützte Gebiet umfasst mehr als nur die Küste. In der Bucht gibt es Sanddünen, Küstensümpfe, Wattflächen und kleine Inseln, die hauptsächlich aus verwehtem Sand der Wüste bestehen.

Doch auch hier droht die Überfischung dieses Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen, und die mauretanischen Beamten tun ihr Bestes, um den Zugang zu kontrollieren. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen legt fest, dass Parkwächter in dem Gebiet patrouillieren und das der Zugang zum Nationalpark kontrolliert wird um illegalen Fischfang und die Störung von Wasservögeln zu verhindern.  Die Wächter, die in Iwik und der Nebenbasis in Oued Chibka stationiert sind, führen Seepatrouillen durch und kontrollieren den Zugang zu den Inseln. Eine achtköpfige Kamelpatrouille versucht die Jagd einzuschränken.

Die Volksgruppe der Imrague, die man auf 800-1.500 Mitglieder schätzt, leben traditionell im Schutzgebiet Banc d’Arguin. Bekannt sind die für den symbiotischen Fischfang mit Delfinen, einer Technik die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Delfine treiben kleine Schwärme von Fischen in die Netze der Fischer. Allerdings nur wenn es genügend Fische gibt und das kommt immer seltener vor. Ihre Boote durften sie aus Naturschutzgründen bis heute nicht motorisieren und so betreiben sie den Fischfang wie einst mit Segelbooten und kleinen Netzen. Doch Fischtrawler aus Europa, Japan, China, der Ukraine, Russland und anderen Ländern fahren bis an die Grenzen des Nationalparks, dessen halbe Fläche das Meer umfasst. Die Besatzungen der Fischtrawler kümmern sich einen Dreck um Fangquoten und Naturschutz. Da sie die eigenen Fischgründe leergefischt haben, weichen sie nun zu Küsten aus, deren Küstenschutz als eher mangelhaft bezeichnet werden kann. Das wiederum raubt den Fischern Mauretaniens und anderer afrikanischer Staaten die Lebensgrundlage. 86 Millionen Dollar zahlt Europa jährlich an Mauretanien. Das Geld wird zum Teil für den Küstenschutz aufgewendet. 90 Prozent dieser Summe jedoch verschwindet, ohne dass die mauretanische Regierung über den Verbleib Auskunft geben kann.

Der Franzose Luis Leduget hat Europa den Rücken gekehrt und lebt seit Jahrzehnten in Mauretanien. Er sagt: „Der Zustand des Meeres? Eine Katastrophe! Aus der Sicht meines Fachgebietes eine Katastrophe. Das Meer ist überfischt, die Ökosysteme sind aus der Balance geraten. Dahinter steckt eine starke wirtschaftliche Lobby. Dagegen kommt man nicht an. Es sucht auch keiner nach Lösungen – bis zum bitteren Ende.“

Der Stolz der Imrague Fischer.

Iwik

Eine kleine Gruppe von bescheidenen Gebäuden durch deren Gassen Ziegen laufen, bildet den Kern des Dorfes Iwik. Der Strand ist eine bunte Collage aus Fischernetzen, Holzbooten, Muscheln und Müll. Dahinter glitzern die Wellen des Meeres durch die dreieckigen Segel der Boote in der Sonne. Direkt am Strand liegt auch ein im Bau befindliches Boot auf dem Kiel. 1976 wurden die Boote gezählt. Es waren 114 und mehr dürfen es nach den Auflagen der UNESCO auch heute nicht sein. Die Welt der Imraguene dreht sich um das Meer und ihre kulturellen Traditionen unterscheiden sich von der Mehrheit der Mauretanier. Die Politiker sähen die Imrague gerne vollständig integriert und schränken die Möglichkeit für ihre Fischerei ein.
10.11. Zum Sonnenaufgang kommen wir im Hafen von Iwik an. Neben Noumghar ist dieser der einzige Ort, an dem man die traditionellen Segelboote und die althergebrachte Art Fische zu fangen, sehen kann. Hier mieten wir ein Segelboot, um Fotos von den segelnden Fischern bei ihrer Arbeit zu machen. Im seichten Wasser, in dem die Fischer stehen können werden die Netze ausgebracht. Da die Delphin-Fischerei zu Erliegen gekommen ist, werden die Fische durch Schläge mit Holzlatten auf die Wasseroberfläche in die Netze getrieben. Doch auch diese Art des Fischfanges verzeichnet immer weniger Erträge.

Auf dem Kairo-Dakar-Highway fahren wir am Nachmittag weiter Richtung Nouahibou, machen aber noch einen Stopp an der Goldmine in Chami. Hier wird täglich ein Kilo Gold gewonnen, der Ort und das Minengelände sing jedoch völlig uninteressant und obendrein auch noch von Uniformierten bewacht. Als ich nur so mit meiner Kamera auf der Hauptstraße stehe, kommt ein Wachmann und fragt mich nach meiner „permission“.  Das Problem delegiere ich an Mohamad und höre nie wieder davon. Gegen 18:30 Uhr sind wir dann wieder zurück im Hotel El Medina. Am Abend gehen wir in ein teures Restaurant essen. Obwohl reserviert und vorbestellt dauerte es ewig bis das Essen kam. Das Fleisch war zäh wie Leder, kalt und der Reis und die Kartoffeln konnten es auch nicht mehr retten. (Fahrstrecke 180 Kilometer)

Wo Nouadhibou bunt ist – an der Kirche zum „Heiligen Fisch“.

Abhängen in Nouahibou

11.11. Nouahibou ist die zweitgrößte Stadt und mit dem größten Hafen das wirtschaftliche Zentrum Mauretaniens. Die Lage auf einer Halbinsel an der westafrikanischen Atlantikküste war ideal für den Bau eines Industriehafens Anfang der 1960er Jahre, über den seither das per Eisenbahn aus dem Abbaugebiet um Zouérate hertransportierte Eisenerz verschifft wird. Ein weiterer Wirtschaftszweig ist der Fischfang. Der Stadtbereich erstreckt sich über etwa 15 Kilometer entlang der Küste von seinem Nordende bis zum südlichen Stadtteil Cansado. Weitere drei Kilometer südlich beginnt der Eisenerz-Verladehafen Port Minéralier, an dem die Bahnlinie von Zouérat endet.
An der östlichen Hauptstraße reihen sich einige Mittelklassehotels für Geschäftsleute, sowie Restaurants mit europäischer und asiatischer Küche.

An der Ostseite des Hafenbeckens hinter einer Fabrik für Fischmehlverarbeitung folgt ein langer Küstenstreifen, auf dem Schiffswracks seit den 1980er Jahren vor sich hin rosten. Die meisten der noch schwimmfähigen Schiffe sind in der Mitte der Cansado-Bucht verankert. Die Europäische Union fördert seit 2013 ein Projekt in dem die Wracks beseitigt werden sollen. Somit werden es von Monat zu Monat immer weniger.

Seit dem Jahr 2000 entwickelte sich Nouadhibou zu einem Transitort für afrikanische Flüchtlinge, die in überfüllten und meist nicht hochseetauglichen Booten die lebensgefährliche Fahrt zu den Kanarischen Inseln antreten wollen. Die mauretanische Regierung baute in Zusammenarbeit mit der EU spezielle Lager zur Aufnahme der Flüchtlinge, bevor sie wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Einige siedeln sich dennoch dauerhaft an. Nachdem die Sicherungsanlagen der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla 2005 verstärkt wurden, weichen mehr Flüchtlinge auf Ersatzrouten wie der über Nouadhibou aus. So brachte ein spanisches Rettungsschiff im Februar 2007 einen in Seenot geratenen Trawler mit 369 Flüchtlingen aus mehreren afrikanischen und asiatischen Ländern, der auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln war, in den Hafen von Nouadhibou. 299 von ihnen wurden unter unzumutbaren Bedingungen in einer Fischlagerhalle untergebracht, wo sie vor ihrer Zurückführung mehrere Monate von spanischen Soldaten bewacht wurden.
Ganz offen gesagt gibt es in Nouadhibou nichts was uns besonders interessiert. Nouadhibou ist genauso postapokalyptisch wie alle Städte in Mauretanien.
Nouadhibou war für uns das Basislager für die Touren in den Westen und ins Landesinnere. So ging es hier zwei Tage so entspannt wie selten auf unseren Reisen zu.  Wir machen einen Ausflug zum Leuchtturm am Cap Blanc bei Nouadhibou und schauen uns die Kirche zum „Heligen Fisch“, eine der beiden einzigen christlichen Kirchen in Mauretanien an. Architektonisch ist sie mit ihrer runden Kuppelform in einem muslimischen Land gut getarnt.

Zum Mittag gehen wir in das Restaurant „Tako“. Der Inhaber ist ein trinkfreudiger Spanier der das Restaurant zusammen mit einer Gruppe Han-Chinesen führt.  „Tako“ ist einer der wenigen Orte in denen es Bier, Schnaps und sicher auch alles andere gibt, was sonst unmöglich zu beschaffen ist. Die Softdrinks sind in (manchmal) den Mahlzeiten inkludiert, nur die Alkoholika sind zu zahlen. Eine Mahlzeit kostet hier etwa 24 Euro und eine 0,33 Liter Dose Bier schlägt mit sechs Euro ins Kontor.

Am Nachmittag wollen wir den Fischmarkt von Nouahibou besuchen. Der Nachmittag soll die beste Zeit sein, die geschäftigen Aktivitäten auf dem Gelände zu beobachten. Allerdings wird uns die Genehmigung dazu verweigert. Auch am Fischereihafen fliegen wir auf und werden von der Polizei verjagt. Da wir nun schon so viel Aufsehen erregt haben, ist auch der Start der Drohne nicht möglich. Da heute kein Zug mehr Nouahibou verlässt und die Sonne sich dem Horizont nähert, gibt es außer Abendessen in einem landestypischen Restaurant keine Option mehr.  (Fahrstrecke 50 Kilometer)

Kulinarisches

Wir hatten Müsliriegel, Knäckebrot, 1 Kilogramm Studentenfutter, Nuss-Nougat-Creme, Bonbons, hitzeresistente Schokolade, Trinkschokolade, Teebeutel und Kaffee im Gepäck. Wir sind davon ausgegangen, dass die Mahlzeiten nicht üppig ausfallen und dass uns das meiste davon nicht schmeckt. Kein Problem, so kann man mal ein paar Kilo loswerden. Ein Irrtum! In Mauretanien gibt es vom leckeren frischen Weißbrot über Pizza, Burger und Steaks bis zu Eis und Schokolade alles. Einer der Unterschiede: Bestellt man hier im Restaurant „Meat“ so ist es immer Kamelfleisch. Rindfleisch gibt es selten und es ist teuer. Bei einer Küstenlinie von 755 Kilometern wundert es nicht, dass vielerorts Fisch auf der Speisekarte dominiert. Das Gemüse und Obstangebot ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Agrarfläche Mauretaniens überschaubar ist, recht gut. (Fahrstrecke 50 Kilometer)

Schwer, lang, laut und staubig – der „Sahara-Express“

Sahara-Express „Société Anonyme des Mines de Fer de la Mauritanie“

12.11. Erbarmungslos brennt die Sonne auf den heißen Wüstensand nieder. Echsen und Käfer haben sich schon lange vor der Hitze in Sicherheit gebracht. Aus der flimmernden Luft erscheinen zwei helle Lichter und wenig später schwillt ein tiefes Brummen an bis die ganze Luft zu vibrieren scheint. Es sind die Motoren zweier Lokomotiven, die eine scheinbar nicht endende Wagenschlange hinter sich zieht. Der Zug hat 220 Wagen und wird von zwei weiteren Lokomotiven nachgeschoben. Der Name Sahara-Express ist etwas irreführend, denn der Zug ist weder schnell noch ist er für Personen vorgesehen.

Die einzige Eisenbahnlinie des Landes führt vom Bergwerk bei F’dérik im Norden des Landes quer durch die Sahara zur Hafenstadt Nouadhibou. Die hier verkehrenden Züge zählen zu den längsten und schwersten der Welt. Über 200 Waggons werden von bis zu vier Lokomotiven gezogen. Die Ladung: bis zu 21.000 Tonnen Eisenerz. Der größte Feind der Bahnstrecke ist der Sand. Alle hundert Kilometer ist ein Entsandungstrupp stationiert, dessen Aufgabe es ist, die vom Sand zugeschütteten Gleise wieder freizuschaufeln. Der Sand ist so aggressiv, dass die Gleise und auch die Verschleißteile des Zuges nur ein Sechstel der normalen Lebenszeit haben.

Es ist das erste Mal da ausländische Touristen das Ausbesserungswerke der Bahngesellschaft und das Hafenterminal, wo das Eisenerz verladen wird besuchen dürfen. Zu verbergen gibt es nichts, denn die Abläufe und die Strukturen, sowie die Ordnung sind vergleichbar mit Werken in Europa. Auch die Verdienste, liegen je nach Qualifikation zwischen 1000 und 1500 Dollar. Insgesamt war die Besichtigung ganz interessant auch wenn nicht fotografiert werden durfte.
Der starke Wind am Hafenterminal hat uns aber derart mit feinsten Eisenerzteilchen beschossen, dass ein Aufenthalt dort eine ziemlich dreckige Sache war. Zurück im Hotel konnte ich dem Drang nach einer Dusche nicht wiederstehen. Eben dieser starke Wind verhinderte dann auch meine lange geplante Aufnahme des Fischerhafens mit der Drohne. Die kam nur Meter für Meter voran und ich erreichte die gewünschte Position nicht. Die 50 Euro Bakschisch für die Polizei musste ich trotzdem entrichten. Dann geht es raus aus der Stadt zum Bahnhof, der den Kilometer Null markiert.

Etwa hundert Menschen warten dort schon auf den Zug, an dessen Ende ein Personenwagen mitgeführt wird. Kinder und Erwachsene werden durch die Fenster ins Wageninnere gezogen, da nicht alle Türen in dem Zustand sind, dass man sie noch öffnen könnte. Säcke, Kisten, Metallplatten, Esel und Ziegen werden von Pick-Ups in die Wagen verfrachtet und auch die leeren Erzwagen werden zum Mitreisen genutzt. In diesen Wagen fahren manche der Passagiere in der Hitze des Tages, in der Kälte der Nacht, durch Sandstürme und immer in dem vom Fahrtwind aufgewirbelten Erzstaub, siebzehn Stunden lang bis Zouérate. Wir folgen dem Zug in unseren komfortablen Off-Roadern und fotografieren ihn noch einmal bei Kilometer 35. Wenig später, als die Sonne sich dem Horizont nähert, kommt aus der Gegenrichtung der Versorgungszug mit Kesselwagen für Diesel und Wasser. Während die Reisenden in der Dunkelheit durch den Sandsturm fahren, sitzen wir bei Paella und Meeresfrüchten in unserem Lieblingslokal „Tako“.

Richtung Zouérate

13.11.  Mit der aufsteigenden Sonne wird der Wind auch wieder stärker. Den ersten Zug aus Richtung Zouérate fotografieren wir bei Kilometer 35, im Auslauf einer S-Kurve. Der Zug hat 97 Wagen an dessen Spitze sich die Loks CC 101 und CC 109 abmühen. Als wir den zweiten Zug mit 195 Wagen bei Kilometer 128, mit den Loks CC 127 und CC 122 abpassen, kann man schon von einem Sandsturm sprechen. Mit einer extremen Staubschleppe, zieht der zwei Kilometer lange Zug an uns vorüber. Im Sichtabstand folgte BB 206 mit Flachwagen und einem Kesselwagen. Nahe einem Goldgräberzelt bei Kilometer 209, fährt kurz vor Mittag CC 114 und CC 115 mit einem Leerzug aus 114 Wagen vorüber. BB 208 treffen wir mit einem Instandhaltungszug in der Oase Tmeymichat bei Kilometer 319. Bei Kilometer 321 machen wir unsere Mittagspause.
In Sichtweite von Ben Amira bauen wir unser Lager für die Nacht auf. Suppe und Nudelsalat mit Rote Beete haben sich die meisten jetzt schon übergegessen. Wieder frischt der Wind auf und in der Nacht, die ungewöhnlich kalt ist, rüttelt er unablässig an den Zelten.

Mauretaniens stählerne Wüstenschlange.

Zugverfolgung

14.11. In der Nacht ziehe ich mich wieder an und verkrieche mich unter der Decke wie in einem Kokon. So wird es halbwegs warm aber Schlaf finde ich nur stundenweise. Kurz vor Sonnenaufgang kriecht einer nach dem anderen aus seinem Zelt und das Camp erwacht zu müdem Leben. Bitterkalt und windig ist der Morgen. Nach einem kurzen Frühstückssnack besteigen wir den namenlosen Fotofelsen und unter uns breitet sich die Sahara in anmutiger Schönheit aus. Gräser und Dünen werfen lange Schatten. Das weiche Morgenlicht lässt die Felsen wie kunstvolle Reliefs erscheinen und ein Paar riesiger schwarzer Krähen vollführt in der Thermik kunstvolle Flugmanöver. Doch dann erreicht uns die Nachricht, dass der Zug Richtung Zouérate erst gegen elf Uhr die Stelle passieren wird. Das Licht ist dann schon hart und die Landschaft wirkt flach in der hochstehenden Sonne.

Wir verfolgen nun den Zug, der hinter Choum Mauretanien verlässt und das Gebiet der Westsahara durchquert. Auch wir durchqueren auf der Asphaltstraße die Wertsahara, wo es nicht mal einen Kontrollpunkt gibt. Das wird an Flughäfen ein riesiger Kontrollwahnsinn veranstaltet und hier könnte man eine Panzerarmee unbemerkt über die Grenzen bringen. Ein unscheinbarer Kontrollpunkt an der Straße kommt erst weit im mauretanischen Gebiet. Wir verfolgen den Zug weiter und holen ihn an einer dreigleisigen Ausweichstelle bei Kilometer 597 ein. Hier machen wir eine Essenspause, entscheiden uns aber leider für das falsche Ende der Station, so dass wir die eigentliche Kreuzung der Lokomotiven beider Züge verpassen. Dem schnurgeraden Asphaltband folgen wir weiter bis F’dérik. Dort versuchen wir Zubringerzüge von den Minen zum Bahnhof F’dérik zu erwischen, haben aber kein Glück. Die Sonne verschwindet fünf Minuten vor der Vorbeifahrt des Zuges hinter den Eisenfelsen. Wir geben auf und fahren ins Hotel nach Zouérate.

Das Hotel “Somasert“ ist eine einzigartige Komposition aus gefliestem Industriedesign, mintfarbener Ölfarbe und weinroten Vorhängen, illuminiert von nackten Leuchtstofflampen. In den Zimmern habe sogar ich, der Schmutzfink, das Bedürfnis mich in einen Ganzkörperschutzanzug zu zwängen. Die Einzigen, die sich hier wohlfühlen sind die Kolonien der Kakerlaken, welche ihre Regentschaft bis in die oberste zweite Etage ausgedehnt haben. Egal! Das Tropeninstitut wird schon helfen. Im Hotel nehmen wir auch unser Abendessen ein, ersparen uns jedoch die Küche zu besichtigen.

Die Stahlmonster von Zouérate.

Eisenerz und Stahlmonster

15.11. Zouérate verdankt seine Existenz im Wesentlichen der Eisenmine und hat den unverwechselbaren Charme einer Minenstadt. Doch anders als erwartet, ist die Stadt nicht wie der Rest des Landes mit einem Teppich aus Plastikmüll überzogen. Geradezu sauber wirken Straßen und Plätze und Autos halten sogar an roten Ampeln. Der allgegenwärtige Müll wird in Containern gesammelt und kurz vor der Stadt im Gelände entsorgt.

Tiefe Löcher klaffen in den Bergen rund um Zouérate. Löcher so tief, dass man kaum den Boden sehen kann. Dichter roter Staub erfüllt hier und da die Luft. Er wird von den riesigen Trucks aufgewirbelt, die wie auf einer Ameisenstraße leer hinab fahren. Langsam und mit tiefem Brummen der 2000 PS starken Motoren mühen sie sich mit bis zu 200 Tonnen Eisenerz beladen vom Grund des Tagebaus wieder hinauf. Einer nach dem anderen fahren sie zum Crusher. Der Crusher ist ein überdimensionaler Mörser, in dem Brocken so groß wie ein Kleinwagen zermahlen werden. Über Förderbänder gelangt das gemahlene Erz in Silos an der Verladestelle, wo es dann auf die Eisenbahnwagen verladen wird. Mienen und Verladeanlagen gibt es in Zouérate, El Rhein und M’Haoudat.

Das Hotel “Somasert“ ist  das beste Haus der Stadt und verfügt auch über das beste Restaurant, auch wenn das Personal mit einer Gruppe von 15 Reisenden leicht überfordert wirkt. Mohamad möchte uns jedoch die einheimischen Küche nahebringen und geleitet uns in ein kleines Restaurant, in dem der brokatfarbene Teppich an die Wand genagelt und die Gummifliesen auf dem Boden verlegt sind. Die einstimmige Meinung; lecker ist anders und wir wären lieber im Hotel geblieben.

16.11. Honig, Butter, die allgegenwärtigen Schmelzkäseecken und Marmelade. Dazu gibt es Milch von Ziegen, Kamelen oder Kakerlaken – keine Ahnung und chemische Säfte aus dem Tetrapack. Den Teebeutel kann man eine Stunde in der Tasse belassen, der „Tee“ schmeckt dann immer noch nur nach lauwarmen Nichts. Einziger Lichtblick ist das fast immer frische Weißbrot aber zum Essen sind wir ja nicht hergekommen.
Zunächst statten wir den französischen Dieselloks, die zur Erstausstattung der Bahn von 1963 gehörten und nun abseits der Stadt verrotten, einen Besuch ab. Der „Wächter des Schrottplatzes“ und der einen Weiche, die es hier am Abzweig zu bedienen gibt, freut sich über diese seltene Abwechslung und lädt uns zu Tee ein. Er haust hier mit drei Katzen in einem ausgedienten Zugbegleitwagen. Ein Funkgerät stellt den Kontakt zur Bahnverwaltung sicher und zur Verteidigung hat er ein Luftgewehr. Er posiert mit dem Gewehr und wir fragen ihn ob er auch Munition dafür hat. Er zeigt uns die „Munition“ und es handelt sich um kleine Steinchen, die er sammelt und die in den Lauf passen!

Dann endlich gelingt es uns eine Diesellok zur Verladestation Rouessa zu beordern und dort die Verladung vorzuziehen. Auf einer Schutthalde mit angrenzender Freiluftlatrine machen wir eine Mittagspause, nachdem weitere zwei Züge diese so einzigartige Fotostelle passiert haben.

Nur wer die Wüstenschlange geritten hat, war wirklich in Mauretanien.

Trainride

Stählerne Schläge gehen von Wagen zu Wagen, als die beiden Diesellokomotiven CC 123 und CC 1224, mit je 4.500 PS, den zwei Kilometer langen und 18.000 Tonnen schweren Zug zu ziehen beginnen. Die Züge werden von Reisenden zu anderen Oasen und bis nach Nouadhibou genutzt. Das Erlebnis der Mitfahrt auf den vollen Erzwagen ist sicher nicht jeder Manns Sache. Die endlose Weite der Sahara ist eine gewisse Zeit genussvoll, doch meist wandelt sich der Genuss nach spätestens 100 Kilometern in Langeweile. Spätestens dann ist auch der Staub in die letzte Ritze vorgedrungen. So sind wir nicht unglücklich den Zug nach 75 Kilometern wieder verlassen zu können. Bis nach Sonnenuntergang verfolgen wir den Zug noch mit den Pick-Ups und schlagen dann in den Dünen hinter Choum unser Zeltlager auf.

17.11. Glutrot färbt die aufgehende Sonne die Wolken über der Wüste. Ein letztes Frühstück in den Dünen der Sahara. Dann werden die Toyota-Kamele beladen und wir folgen der Strecke Richtung Nouadhibou.  Unterwegs fragen wir an der Strecke einen einsamen Bahnarbeiter nach einem Zug. Ja er habe einen Zug gehört, der müsse gleich kommen. Nur wenig später bei Kilometer 420 kommt uns ein Leerzug, gezogen von den beiden grünen CC…entgegen. Bei Kilometer 368 holen wir einen, Güterzug ein, der mit Schwellen beladen zu einer Baustelle geschoben wird. Wenige Kilometer vor ihm, bei Kilometer 287 ist ein Wasserversorgungszug unterwegs. Angehängt sind auch einige Güterwagen zu Versorgung der Siedlungen an der Strecke. In den Ansiedlungen der Bahnarbeiter sind große Wasserblasen aus Gummi in den Boden eingelassen. Diese werden bei Bedarf durch Kesselwagen der Bahn gefüllt. Ein rollender Markt befindet sich unter Planen auf einem Flachwagen am Ende des Zuges. Hier können sich die Bewohner der Siedlungen mit Waren versorgen. In der Oase Inal bei Kilometer 255 macht der Zug ebenfalls halt und während leere Kesselwagen ausgestellt werden, machen wir im Schatten eines Wasserturms Mittagspause. Dies ist auch der Platz eines Polizisten der hier vorbeikommende Fahrzeuge kontrollieren soll. Die Ausstattung des „Kontrollpunkts“ besteht aus einem Stuhl. Die vordringlichste Aufgabe des Wachpostens ist es, mit seinem Stuhl dem Schatten des Wasserturms zu folgen.
Mit bis zu 120 Kilometer pro Stunden jagen die Pick-Ups über die Sahara. Lediglich Sanddünen und steinige Anhöhen drosseln die Geschwindigkeit. Ein Wettrennen gegen die Zeit. Wir haben über eine Stunde in der Mittagshitze in der Wüste auf ein Motiv mit dem Wasserzug gewartet und dann auch noch eine Stunde Mittagspause drangehängt. Nun ist die Zeit knapp um den Leerzug von Nouadhibou bis zum Sonnenuntergang zu erwischen. Wir rasen vorbei an wunderschönen Sicheldünen die golden in der Nachmittagssonne glühen. Manche Dünenfelder scheinen sich bis zum Horizont zu erstrecken und anderswo erhebt sich eine einzelne Sicheldüne aus der Ebene und wirkt dort wie hingemalt. Ein klein wenig Wehmut wenn man nicht weiß, ob und wann man die Wüste so wiedersehen wird. Ein halbe Stunde vor Sonnenuntergang erreichen wir die Oase Boilinoir, bei Kilometer 96. Doch ausgerechnet heute war der Zug pünktlich und hat die Oase bereits verlassen und wir sehen hin nur noch in einer entfernten Staubwolke entschwinden. Eine Verfolgung ist im tiefen Sand der vielen Dünen nicht möglich und so fahren wir zurück nach Nouadhibou.

Verspätet immer – früher nimmer

18.11. Zehn vor Sieben sitzen wir wieder im Pick-Up, da ab 7:30 Uhr der Zug aus Zouérate erwartet wird. Bei Kilometer 27, am Posten der Gendarmerie fragen wir ob wir dort fotografieren dürfen. Zu unserer Überraschung wird dem Wunsch stattgegeben. So warten wir zwei Stunden auf einem verwitterten Korallenfelsen, der in den nächsten 1000 Jahren zu dem feinkörnigen Wüstensand zerfallen wird, auf die Vorbeifahrt des Zuges nach Nouadhibou. Dunst umhüllt die Dünen und Felsen und die aufgehende Sonne färbt die Wolken rosa. Im Gegenlicht der aufgehenden Sonnen glänzen Millionen Plastikflaschen am nahen Strand der Lagune. Lastwagen fahren in die Wüste und kommen mit Sand beladen für die Baustellen in Nouadhibou zurück. Ein Minibus, auf dessen Dach Ziegen unter einem Netz verstaut sind passiert die Kontrolle. Langweilig wird es kaum, zumal unsere Fahrer einen Tisch mit Tee aufbauen. Mohamad denkt einfach an alles! Dann kommt der Zug beladen mit Eisenerz. Doch auch Personen und Ziegen finden auf den vollen Wagen noch Platz. Am Ende wird wieder ein Personenwagen, Wasserwagen und einige Güterwagen mitgeführt. Wir folgen dem Zug bis zum Bahnhof wo die Ziegen im freien Fall entladen werden. Dann ist die Mauretanienreise zumindest fotografisch gelaufen und wir fahren zum Hotel wo wir noch einmal frühstücken und uns zu Abreise bereit machen.

Der am häufigsten zu findende Rohstoff in Mauretanien…

Umwelt

Berichte über die Müllteppiche in den Weltmeeren und deren Folgen für uns und die Umwelt, werden in unseren Medien immer präsenter. Doch niemand spricht über die Müllteppiche in den Sandmeeren. Für Mauretanier ist die Umwelt nicht mehr als die Welt die sie umgibt. Als Europäer hat man den Eindruck, dass Mauretanier die Welt die sie umgibt, eher als riesigen Mülleimer wahrnehmen. Natürlich ist es ein Stück weit nachvollziehbar, dass die Menschen in diesem Land andere Probleme zu lösen haben, als sich um den anfallenden Müll zu sorgen. Aber das betrifft auch leider die wohlhabenden Menschen die eben mit einer intakten Umwelt Geld verdienen.

Im Vallée Blanche brannte unweit unseres Lagers ein Feuer mit einer typischen schwarzen Rauchfahne.  Es war das Feuer einer anderen Touristengruppe, deren einheimische Führer den Müll verbrannten. Auch unsere Crew verbrannte am Abend und am folgenden Morgen im Vallée Blanche Pappe, Dosen, Essensreste, Plastik und alles was sonst noch so anfiel. Unseren lokalen Guide und Inhaber einer großen Reiseagentur in Mauretanien, habe ich darauf angesprochen und ihm gesagt, dass man dafür eine andere Lösung finden müsse. Es sei sein Land, seine Natur mit der er, nur wenn sie intakt ist auch Geld verdient. Er nahm mich brüderlich an die Hand, beteuerte wie gut und wichtig er meine Gedanken fände und antwortete: „Ja, sie machen das jetzt nur so schnell und morgen oder während der nächsten Tour würde er den übriggebliebenen Müll abholen und mit in die Stadt nehmen.“ So einen unglaublichen Blödsinn habe ich selten gehört! Später war auch zu beobachten wie der Müll an unserem zweiten Lager nahe Ben Amira zurückgelassen wurde. Man denkt hier überhaupt nicht über so etwas nach. Der Müll bleibt in der Wüste, irgendwann hat es der Wind zugeweht und weg ist der Dreck. Aber der Dreck ist eben nicht weg, er ist unübersehbar! An Straßen, in Städten, an den Küsten in der Wüste einfach überall. In ganz Mauretanien und in vielen anderen afrikanischen Ländern. Jedes Jahr kommen tausende Tonnen hinzu.

 

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