Papua-Neuguinea – the land of the unexpected
Intro – „Manchmal muss man etwas zurücklassen, um vorwärts zu kommen.“ Es kommt mir vor, als würde ich alles zurücklassen, anders als sonst wenn ich allein unterwegs war. Schwermut statt Reisefiber. Ich fühle mich wie eine Pflanze, die sich ihres Verlustes bewusst, selbst aus dem Topf reißt. So schwebe ich über Deutschland hinweg. Über schnurgerade Hochgeschwindigkeitstrassen, über reißbrettgeplante Eigenheimsiedlungen, Kraftwerke, Stromtrassen und Autobahnen auf denen ich noch vor zwei Tagen, wichtiger Termine wegen, dahin gerast bin. Wo will ich hin und vor allem warum?
Eine Antwort auf diese Sinnsuche habe ich und dennoch hinterfrage ich es dauernd.
Auf der Tragfläche spiegelt sich der Vollmond und darunter zieht gelblich flimmernd, der elektrische Sternenhimmel unserer Zivilisation dahin. Gleichförmig zieht auch die Zeit dahin und egal ob wir es eilig haben oder unseren Gedanken nachhängen, sie hält für jeden und alles ein Beginn und ein Ende bereit. So beginnt diese Reise, in der ich spannende Abenteuer erwartete, mit einer mit einer Leere die mir sonst fremd ist.
Noch vor Sonnenaufgang entsteige ich der Maschine auf dem Port Moresby Jacksons International Airport. In der schwülwarmen und klebrigen Luft trotte zum Immigration Counter. Die Menschen haben deutlich an Geschwindigkeit verloren. Die einen weil sie jetzt an ihrem Ziel angekommen und müde sind, die anderen weil man sich in diesem Klima nicht hetzen kann und weil es auch noch nie einen Grund dazu gab. Wenn man zu spät zum Check In kommt und es kommen viele zu spät, dann drängelt man sich einfach vor und es stört auch niemanden.
Ich laufe zum Domestic Terminal. Malerisch hängen lange Wolkenbänke in der Bucht von Port Moresby und den Bergen dahinter. Die aufgehende Sonne breitet ihren pinkfarbenen Fächer aus und färbt die Wolken kitschig. In der Ecke eines Coffee-Shops in der Flughafenhalle, sitze ich und warte dass die Zeit vergeht. Ein Mann mit einer Schippe, dessen Job es ist Unrat vom Boden aufzukehren, kommt vorbei und lächelt mich an, der Mann vor der Toilette sagt: „Good morning“ und auch die Mutter mit dem kleinen Mädchens an der Hand, dessen Rucksack fast so groß ist wie sie selbst, schenkt mir ein Lächeln. Das passiert mir zu Hause nicht. Vielleicht ist es ja auch nur weil ich so ein eigenartiger junger Alter bin, der dort sitzt und in einem Buch liest, während man heute bei jeder Gelegenheit auf Smartphones herum wischt. Das Buch ist Jack Kerouac´s autobiografischer Roman „Unterwegs“ und handelt von einer Clique, die in den 1940er Jahren, sinnsuchend kreuz und quer durch die USA jagt. Sie finden keinen Sinn, nur den Spaß für einen Moment im Rausch von Drogen, Alkohol und Sex.
Ankunft – Die Wolkenberge türmen sich immer noch geheimnisvoll über dem Hochland als wollten sie die unberührte Natur darunter beschützen. Das Brummen der Propellermaschine schwillt an und wenige Sekunden später erhebt sich die Maschine über Port Moresby während wellblechgedeckte Häuschen darunter hinweg fliegen. Wir folgen zunächst der Küste, wo Flüsse hellbraunes Sediment beladenes Wasser in die Salomonensee ergießen. Dann schwenkt das kleine Flugzeug nach Nordost. Nun zieht nur noch undurchdringlicher Dschungel unter uns dahin. Bewaldete Berge säumen Täler durch die kleine und größere Flüsse mäandern. Niemals fließen sie geradewegs ins Meer. Es ist als suchten sie einen Ausweg. Sie machen eine Kehrtwende nach der anderen und je näher sie der Küste kommen, je dramatischer werden ihre Schlangenlinien.
In Mount Hagen erwartet mich Morgan und bringt mich in die Stadt. Für den Straßenzustand müssen wohl neue Begrifflichkeiten gefunden werden. Selbst innerhalb von Mount Hagen ist der Straßenzustand apokalyptisch. Ein zerlöchertes Asphaltband wo eben noch Asphalt vorhanden ist. Autos schieben sich kreuz und quer im Stau mit Schrittgeschwindigkeit voran und versuchen dabei den größten Löchern auszuweichen. Die Straßen quellen über von Autos, LKWs, Bussen und Menschen. Es ist Freitag und alle Leute aus den umliegenden Dörfern sind heute hier, um vor dem Wochenende einzukaufen. Wir fahren mit Schrittgeschwindigkeit durch ein Stadtgeschwür wie ich es schon zu oft gesehen habe und ich finde es weder interessant noch sonst was. Müll wohin man schaut, Leute die durch Matsch und Müll versuchen einen gangbaren Weg zu finden. Gebäude aus Beton, Blech, oder Holz zusammengebastelt – irgendwie – mit dem was gerade vorhanden ist. An jeder Ecke stehen und fahren geschmückte Fahrzeuge mit Plakaten und Lautsprechern. „Elections for Government in couple weeks“, erklärt mir der Fahrer und er erklärt auch, dass es eine Straße mit Geschäften gibt, die sie Chinatown nennen. Die Chinesen sind hier und genau wie anderswo auf der Suche nach guten Geschäften, Holz und Bodenschätzen. Sie sichern sich nun das, was Briten, Australier und Neuseeländer sich noch nicht gesichert haben.
Im „Travellers Hut“ treffe ich Pym und wir begrüßen uns herzlich. Er bespricht mit mir die Details. Wie viel Leute will ich haben will, wo fotografieren wir, was für Licht ich brauche fragt er mich und erklärt mir auch genau wo er wen, über welche Ecken in Aseki kennt, womit er zeigt, dass er nicht nur in seiner Gemeinde, sondern auch in anderen Landesteilen gut vernetzt ist.
Danach lädt er mich um die Ecke ins „Big Rooster“ ein. Er grüßt jeden und ich frage ihn ob er all die Leute hier kennt. „Nein, das macht man hier so.“ Fast alle grüßen sich wenn sie sich in Shops, Restaurants, an Tankstellen oder im Bus treffen. Ein echt sympathischer Typ, der professionell und geschäftstüchtig wirkt. Nach einem Stopp an der Bank und einem Shop, wo ich noch zwei Dosen Bier für den Abend mitnehme, fahren wir zu seiner „Magic Mountain Lodge“. Als wir auf dem Weg aus der Stadt an einem Markt vorbeikommen, verspüre ich plötzlich den Drang, diese Szene fotografieren zu müssen. Selbstgebastelte Sonnenschirme aus Draht, Stöckern und Plastikfolie. Gerade so groß um einen kleinen Stand zu schützen. Schirm an Schirm. Es sind hunderte. Davor die Abfallberge, in denen fette Schweine alles in sich reinmampfen was essbar scheint. Der ganze Platz bis ran zur Straße ist eine einzige Modderpampe und davor quälen sich die verbeulten Fahrzeuge in Endlosschlangen um die wassergefüllten Schlaglöcher. Wie gesagt, einen Moment zuckt es in mir aber die Sonne steht im Gegenlicht und ich habe wenig Lust mich mit meinen einzigen sauberen Sachen für Hin und Rückreise durch dieses Chaos, zu einer vermeintlich guten Fotostelle zu kämpfen. Wir fahren und fahren. Bergauf und bergab. Die Landschaft wird wilder und immer üppiger wird das Grün des Waldes. Wolken und Regen ziehen auf und lassen Berge und Regenwald zu einem Pastell verschwimmen. An einer unscheinbaren Einmündung biegen wir ab und es geht steil bergauf. Der Pfad besteht nur aus zwei steinigen Spurrinnen in denen sich der Toyota im Allradantrieb bergauf müht. „Wer fährt hier her?“ denke ich. Nach etwa zwei Kilometern sind wir an der Lodge mitten im Regenwald. Ein junger Typ aus Wales, namens Oschan, wohnt im Bungalow neben mir. Er kam von Freunden aus Brisbane hier rüber, um ein paar Wochen durch Papua zu trampen. Ich beziehe meine Hütte und überlege was ich mit dem Rest des Tages mache. Immer wieder regnet es und die Berge sind Nebel verhangen. So brauche ich mir wenigsten nicht den drei Stunden Marsch zum nächstgelegenen Gipfel antun. Aber irgendwann ziehe ich dann doch los. Es soll hier einen schönen Wasserfall geben. Den ersten waghalsigen Abstieg breche ich ab und suche einen anderen Weg. Über einen ausgewaschenen und matschigen Hohlweg erreiche ich den kleinen Fluss. Nur den Wasserfall nicht. Später wird sich aufklären , dass es keinen Weg zum Wasserfall gibt. Egal. Wasserfälle habe ich schon so viele geknipst und bis auf den Angel Fall oder die Iguazu Fälle sehen ja alle irgendwie gleich aus. Jetzt habe ich mich aber festgebissen. Meter für Meter kämpfe ich mich durch den Dschungel, bis ich nach fünfzig Metern, für die ich zwanzig Minuten gebraucht habe, endlich unterhalb des Wasserfalls stehe. Der Rückweg ist etwas einfacher aber Schuhe und Hose sehen aus, als würde ich hier schon seit Tagen durch den Dschungel streifen. Damit ist der Tag dann aber abgeschlossen und ich sitze auf der Veranda und warte bis ich endlich ins Bett gehen kann. Vögel und Zikaden beginnen ihr abendliches Konzert mit Klängen wie sie mein Ohr noch nie gehört hat.
Ich habe ein scheiß Jetlag. Um zwei Uhr morgens bin ich wach und versuche wieder einzuschlafen. Lesen geht auch nicht, da kein Strom da ist. Ich höre den Zikaden und den Paradiesvögeln so lange zu, bis ich dann um vier Uhr wieder einschlafe. Kurz nach sechs ist die Nacht vorbei. Hier in der kalten nassen Luft des Hochlnd-Dschungels trocknet einfach nichts. Meine Hosen und Schuhe sind noch so nass wie gestern am Abend. Einzige Chance – anziehen und hoffen, dass sie durch Köperwärme trocknen. Der ganze Tag gehört den Asaro Mud men und women, den Skelleton Men, dem Chief Terema des Dorfes Paiyakona und seiner Frau Tela. Erwähnenswert ist nur die Exkursion zu einem anderen Wasserfall als der, an dem ich gestern war.
John, die wirklich mitleiderregende Gestalt aus dem Dorf, mit einem chronischen Schnupfen und in Lumpen gekleidet, kämpft sich mit seiner Machete und mir am Flusslauf entlang. Auf glitschigen und wackeligen Steinen versuche ich, dass meine Schuhe und Hosen nicht wieder nass werden. Wir kommen nur langsam voran immer wieder läuft man einen Meter über dem Boden auf morschen Bäumen und Geäst und muss aufpassen nicht irgendwo hüfttief einzubrechen. Ich war ja schon in einigen Dschungeln unterwegs aber so mühselig war es noch nirgends. Nach einer halben Stunde sind wir an einem Wasserfall, der zum Fotografieren nur im Notfall geeignet ist. Was solls! Auf dem Rückweg kämpfen wir uns eine Abkürzung zur Magic Mountain Lodge den Berg rauf. Dann und wann regnet es ja auch mal im Regenwald und so beginnt es zu tröpfeln. Ehe wir aus dem Dschungel raus sind schüttet es sinnflutartig. Es sind zwar nur noch hundert Meter bis zur Lodge, doch ich ziehe mein Shirt aus und stecke es in die Hose, sonst wird es hier in der Luftfeuchtigkeit nie wieder trocken. Als ich rennend meine Unterkunft erreicht habe, bin ich bis auf die Unterhose triefnass. Der Regen trommelt so laut auf das Dach, dass man eine Schießerei draußen nicht hören würde. Ich dusche, rubbel mich trocken und krieche ins Bett. Draußen tobt ein Gewitter, der Strom ist auch wieder ausgefallen und so dämmere ich unter der Decke dem Abend entgegen. Als ich am Abend meine Hütte verlasse, habe ich alles an, was der Koffer hergibt. Es sind 10° Celsius und alles ist klamm oder nass. Das ist nicht meine Welt und ich sehne mich schon den Tagen entgegen, wenn ich auf Meereshöhe in das tropische Klima eintauchen kann. In der Nacht höre ich ein Tier um die Hütte trapsen und es schabt an den hölzernen Stützpfeilern. Wahrscheinlich ein Cuscus, eine Art Opossum die es hier im Hochland gibt. Irgendwann macht es sich dann auf zur benachbarten Hütte in der Oschan wohnt, um dort auf dem Dach herum zu laufen.
Die Entstehung eines Fotos – Am Abend haben wir wieder diskutiert und beraten welchen Wasserfall wir für ein Foto von den Asaro Mud Men nutzen wollen. Den an der Magic Mountain Lodge oder einen anderen, den ich noch nie gesehen habe. Da ich weiß, dass der an der Lodge nach wenig aussieht und zu dem was ich machen will nicht so recht passt, entscheide ich, dass wir es an dem anderen Wasserfall probieren. Am Morgen warte ich in den ersten Sonnenstrahlen zwischen Sechs und halb Neun, dass Pym mich abholt. Dann ruft er Wannie an. Dauert alles länger und wir sollen schon mal runter zur Straße laufen. Ich glaube es einfach nicht! Ich zahle hier über XXXX Dollar für das Landarrangement und soll jetzt mit dem Rucksack und dem Koffer auf dem steinigen und abschüssigen Hohlweg runter zur Straße laufen. Mir den Koffer tragen zu lassen bin ich natürlich auch zu stolz. Also placke ich den ganzen Krempel auf dem Rücken den Berg runter. Zwanzig Minuten später warten wir unten an der Straße. Irgendwann, ich schaue hier nicht auf die Uhr, kommt Pym. Wir laden den Krempel ein und fahren los. Ich bin gespannt. Wenige Kilometer weiter halten wir in einer Kurve, wo ein paar Leute hinter der Leitplanke stehen. „Ok, bla bla backpack irgendwas“. Ich verstehe es kaum aber hier geht es wohl los. Pym schmeißt mich raus und fährt weiter. Er will in die Kirche, es ist schließlich Sonntag. Jetzt sehe ich auch, dass die Leute an der Straße Masken der Mud Men und allerlei anderes Zeug dabei haben. Ich folge dem Einheimischen einen steilen und rutschigen Trampelpfad, hinunter in das Tal. Mit beiden Armen versuche ich im Gras Halt zu finden und ein paar Mal geht es nur vorsichtig rückwärts die rund sechzig Höhenmeter abwärts. Unten angekommen streifen wir durch mannshohes wildes Zuckerrohr und Gräser und der Guide sagt: „Take care for drain“. Drain hatte er noch nicht zu Ende gesprochen, da hänge ich mit einem Bein schon im Entwässerungsgraben, die hier gut zwei Meter tief sein können, wie ich heute schon gesehen habe. Wir überqueren Sweet Potato Felder und tauchen in das Unterholz ab. Diesen Weg hat seit Jahren keiner mehr benutzt so zugewachsen wie er ist. Leider hat der Guide kein Buschmesser dabei, was den Schwierigkeitsgrad noch etwas steigert. Dann endlich kommen wir zu einem Fluss und auch der Wasserfall ist zu hören. Wenige Meter weiter stehen wir an einem wirklich berauschenden Ort. Der Wasserfall stürzt in eine Art Pool der zu zweidrittel von steilen Felswänden umschlossen ist und entleert sich durch eine Öffnung, welche durch die umgestürzten, mit Moosen und Farnen bewachsenen Bäume, die über den Felsen liegen wie ein Tor wirkt. Ich erkenne es erst nicht aber Wannie, der inzwischen dazugekommen ist, erzählt mir ganz aufgeregt, dass er mir ja am ersten Abend erzählt hat, dass er mit einem Fotografen vor einigen Jahren, genau diesem Wasserfall war. Obwohl ich es bezweifelt habe, jetzt kenne ich jemanden der Sebastiao Salgado kennt. Nun müssen die mudlosen Mud Men erst mal eingemoddert werden. Dann müssen sie auf die Felsen im Fluss klettern, wobei sich der Mud natürlich wieder von den Beinen abwäscht. Danach werden also wieder die Beine eingemoddert und dann heißt es warten, denn erst wenn der Mud trocken ist, nimmt er die helle Farbe an. Der Weil balanciere ich mit der Kamera durch den Fluss um ebenfalls eine Stelle im Wasser zu erreichen, die als Fotoposition geeignet ist. Dann werden die Finger aus Bambus aufgesteckt, die Maske über den Fluss gereicht und aufgesetzt und ich mache dann einfach die Karten voll und hoffe, dass etwas Brauchbares dabei ist. Da sich der ganze Clan ja wieder nicht zeitgemäß an Verabredungen gehalten hat, bleiben uns nur etwa 30 Minuten bis das Licht gegen Mittag so brutal von oben in Schlucht knallt, dass man das Fotografieren aufgeben kann. Als der Spuk der Mud Men vorbei ist, regnet es Trinkgeld und ich freue mich auf den Rückweg. Ohne vorher in zugewachsene Entwässerungsgräben gefallen zu sein oder mich auf dem Mudpfad nach oben zu Tode geplumpst zu haben, komme ich mit meinen elf Kilo Rucksack atemlos oben wieder an.
2 Goroka – Nach dieser Fotosession machen wir uns auf nach Goroka. Zunächst passieren wir noch einmal Mt. Hagen. Hier gehen wir noch einmal zu „Big Rooster“. Ich will aber nur ein paar Fritten und Pym auch. Nach wenig mehr als zehn Minuten, hat das Personal die Bestellung bearbeitet und wir bekommen zwei Pappschachteln mit Fritten, welche die Verkäuferin in eine Plastiktüte packt. Ich packe sie wieder aus und lege sie ihr mit den Worten: „We don´t need a bag.“ wieder hin. Pym schaut mich verwundert an, nimmt die Tüte, steckt seine kleine Packung in die Tüte und geht zum Auto, während ich mit meiner Pappschachtel in der Hand neben ihm her trotte. Wir kauen unsere Fritten, während wir wieder auf den Highland Highway nach Goroka abbiegen. Die Straße ist nicht ganz so schlecht wie ihr Ruf. Auf einigen Streckenabschnitten gibt es eine durchgehende Asphaltierung, die jedoch immer wieder von Hangabgängen und Unterspülungen unterbrochen wird. Dann muss sich das Fahrzeug auf hunderten Metern durch Löcher quälen, die meist fünfzig Zentimeter tief sind. Den Reisenden wird es kaum stören, denn umso länger kann er die Ausblicke auf die hoch aufragenden Berge und die tiefen grünen Täler genießen. Unterwegs trifft man immer wieder auf Mädchen, die bemüht um die Verkehrssicherheit, Blumenkränze an die Fahrzeugführer verkaufen, damit diese dann auch gesegnet und sicher an ihr Ziel kommen. In dieser ländlichen Region, finden sich noch viele, der in traditioneller Bauweise errichteten Häuser. Für die Fussböden der Häuser, die zum Teil auf Stelzen stehen, wird Pandanussbaumrinde verwendet, die Wände sind aus geflochtenen Palmblättern und Bambus gefertigt, die Dächer werden mit Matten aus Gräsern gedeckt. Zumeist wird in den Häusern auf einem kleinen offenen Feuer gekocht. Manche leisten sich auch einen provisorischen Unterstand in dem sich die Küche befindet. Traditionell ist auch, dass die gesamte Gemeinde beim Bau eines Hauses für eine neue Familie hilft. Doch diese Traditionen gehen auch in PNG zunehmend verloren und die traditionellen Häuser werden langsam von Häusern aus Blech verdrängt. Uns kommt eine Familie mit einem Schwein an der Leine auf der Straße entgegen und Pym erzählt: Die Leute kommen von einer Hochzeit und das Schwein ist die Mitgift. Schweine sind sehr teuer, ein kleines Schwein kostet 300 Dollar. Auch die wild gefangenen Kasuare, eine Mischung aus Truthahn und Saurier sind wegen ihres Wertes eine begehrte Hochzeitsbeigabe. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Goroka. Als ich Pym fragte was es in Goroka gibt, sagt er: „Only Asaro Mud Men“. Als ich ihn frage was es in Madang gibt, wo Oschan der Typ aus Wales von hier aus hin will und was auch Reisegruppen als Zwischenstation nutzen, sagt er: „There is nothing“. Wir übernachten im der GK Lodge, welche qualitativ gut ist, jedoch täglich daran scheitert den Preis von 140 Dollar zu rechtfertigen.
Die Sonne ist gerade aufgegangen, als ich mit Wannie vor dem Hotel stehe und mit ihm eine rauche. Natürlich hat er auch schon wieder Betelnuss im Mund und sicher nicht die erste an diesem Tag und auch ganz sicher auch nicht die letzte. Betelnüsse werden im ganzen Land von jung und alt, zusammen mit Ingwerzapfen und gemahlenem Kalk zerkaut. Die rote Masse soll eine leicht aufputschende Wirkung haben und der Speichelsaft wird überall im Land auf den Boden gespuckt. Der Verkauf der Ingredienzen für diesen Kausport ist ein wichtiger Wirtschaftszweig für das Land. Vielleicht ist auch deshalb ein Teil der Flagge Papua Neuguineas rot.
Ungewohnt früh starten wir nach dem Frühstück in Richtung Lae. Zunächst müssen wir aber tanken. Das Tanken mit Reisenden zieht sich wie ein roter Faden durch meine Reisen. Aber vielleicht passiert es ja nur mir. Abends hätte er ja nicht tanken können, dann sehe ich es ja nicht und denke noch, dass er mich abzockt, da das Auto in Wirklichkeit ein Perpetuum Mobile ist oder wie? Wie dem auch sei. Wir fahren weiter über den Bena River, wo wie überall die Autos im Fluss gewaschen werden und machen einen Stopp in der vierundzwanzigtausend Einwohner Stadt Kainantu, wo wie überall im Land die Menschen im Wahlfieber sind. Auch hier verbinden die Menschen die Wahlen mit der Hoffnung auf Veränderung und so kommen wir auf das Thema Politik. Das Interessante daran war zu hören, dass wenn jemand aus einem Dorf, jemanden aus einem anderen Wahlkreis oder einem anderen Clan wählen würde, man ihn aus dem Dorf verjagen und sein Haus niederbrennen würde. Auch wenn das vielleicht nicht repräsentativ ist, bleibt dann von der Hoffnung auf Veränderung bestenfalls noch die Hoffnung übrig. Wahrscheinlich nicht einmal die. Auf der Fahrt ist auch leider nicht zu übersehen, dass die Herrscher dieses Landes Korruption und Missmanagement heißen.
Kompensiert wir der Mangel, durch den Einsatz von Kirchengruppen, meist sind es dann die Frauen, die zum Beispiel mit dem Spaten in der Hand beim Reparieren des Highland-Highways helfen.
Am Ramu Lake erreichen wir das Flachland. Palmölplantagen, Zuckerrohrfelder und Rinderweiden prägen hier das Land. Überall brennen Grasflächen und ich frage warum: „There have so many snakes here, they burn down the fields to chase the snakes“. Die Logik erschließt sich mir nicht und nach einem ungläubigen Nachfragen gebe ich es auf. Ein blauer Schleier aus Rauch und Wasserdampftröpchen der Wolken hängt vor den hoch aufragenden Gipfeln des Hochlandes. Grün schimmern die Berge in allen Schattierungen, die in sanften Bögen in die Ebene auslaufen. Hier stehen auch überall die beeindruckenden Marmar Trees, Bäume die den Schirmakazien sehr ähnlich sehen. Schwülheiße Luft weht durch die offenen Fenster und wir nähern uns Lae. Was gibt es in Lae frage ich: „There is nothing – only companys“. Wir rollen rein nach Lae und auch wenn sie vorher schon gut war, hier ist die Straße fast wie in Europa. Mehrspurig mit Straßenbeleuchtung und sogar Straßenschilder sehe ich hier zum ersten Mal. Sonst gehört Lae für mich zu den Orten an denen man bestenfalls eine Zwischenstation macht, um sich die Wunden zu lecken und schnellstmöglich weiterzureisen.
Aseki – Um 4:36 Uhr klopft Pym an die Tür. „You all ready?“ Verabredet war, dass ich um fünf Uhr fertig bin. Wenn es mal nicht darauf ankommt, wird gedrängelt. Pünktlich kommt dann der LandCruiser mit dem Fahrer Freddi, dem Giude David für Aseki und mit Wannie angefahren. In der schwülen Luft von Lae, schwitzen alle schon und süßlicher Geruch erfüllt das Wageninnere. Wannie hat schon so viel Betelnuss im Mund, dass er nur noch nuscheln kann, was meistens der Fall ist. Aseki, heisst das Ziel und außer David, der in eine Familie aus diesem Gebiet eingeheiratet hat, weiß niemand was uns dort erwartet. Freddi, sieht aus wie Win Diesel und fährt auch wie Win in „The Fast and the Fourios“. Er hängt mit einer Hand am Lenkrad, während die andere den Schaltknüppel massiert. In jeder Kurve legt er sich geschmeidig wie ein Biker nach links oder nach rechts. Die Drehzahl hat er im Ohr und Drehzahl muss sein. So gibt er beim Schalten jedes Mal Zwischengas, damit die Gänge besser reinflutschen und auch ja keine Kraft durch das Einkuppeln verlorengeht. Er mag das Gaspedal und ist doppelt so schnell unterwegs als Pym, der ein eher vorsichtiger Verkehrsteilnehmer ist. So jagen wir auf einer gut asphaltierten Straße durch den blauen Morgen. Die kleinen Dörfer entlang der Straße schlafen noch und nur unsere Scheinwerfer brennen einen schmalen Tunnel in die Dunkelheit. Eine Maus springt eilig über die Straße und ich werde nie erfahren ob sie es geschafft hat oder nun einige Kilometer im Profil eines Reifens mit fährt. Im Zwielicht der Dämmerung erwacht das Land zum Leben. Die ersten Busse und LKWs sind unterwegs und die Straßenränder werden von Kindern, die in ihrer Uniform auf dem Weg zur Elemetery-Schule sind, bevölkert. Ein Schild zeigt eine solche Schule an. Der Tacho zeigt 100 an. Doch lange kann er das Tempo nicht halten denn wir erreichen den Kumalu River. Wannie, der seine Betelnüsse fast zu Ende gekaut hat, erzählt:
Einst lebte hier ein alter Mann im Dorf Mueng. Als es ihm schlecht ging, begab er sich ins Krankenhaus. Doch der Doktor sagte: Sie stinken, gehen sie nach Hause waschen sie sich, sonst behandele ich sie nicht“. So ging der Mann wieder nach Hause, wusch sich und ging wieder zum Krankenhaus. Nach dem langen beschwerlichen Weg, war er natürlich weder frisch gewaschen noch roch er parfümiert. Der Doktor weigert sich wieder ihn zu behandeln und der Mann musste den langen Weg wieder nach Hause gehen, ohne dass ihm jemand geholfen hatte. In den nächsten Tagen ist er gestorben und die Dorfbewohner beerdigten ihn in den Hügeln hinter dem Dorf nahe dem kleinen Fluss. Seit dem lässt der wütende Geist des alten Mannes jedes Jahr den kleinen Fluss Kumalu zu einem riesigen Ungeheuer anschwellen das alles und jeden zermalmt. Die Regierung hat mehrere Male die Brücke über den Fluss wieder aufbauen lassen und die Dorfbewohner haben ihre Häuser jedes Mal neu errichtet. Der Fluss Kumalu zerstörte das alles immer wieder. Nun hat man das Dorf an einem anderen Platz neu errichtet. Alle Menschen sind überzeugt davon, dass es sich so zugetragen hat.
So fahren wir über eine riesige Geröllhalde, die aussieht als habe es hier einen Vulkanausbruch gegeben. Zermalmte Baumstämme und verbogene Eisenträger ragen hier und da aus den Steinen empor. Den Fluss durchqueren wir in einer Furt und ab hier ist die Straße nur noch eine Schotterpiste. Freddi macht das nichts aus. Die Reifen streicheln jedes Mal das Gras wenn er um die Kurven jagt. Dann erreichen wir Bulolo. Hier gibt es einen Markt, auf dem die Jungs Betelnüsse, Brötchen und Dosenfleisch kaufen und ich schmeiße eine Runde Betelnüsse um sie bei Laune zu halten. In Bulolo zweigt die Straße ins Hochland nach Aseki ab. Hier endet die Asphaltierung und man taucht in die ausgedehnten Waldgebiete des Hochlandes ein. Zehn Kilometer hinter Bulolo, gabelt sich die Straße erneut. Hier geht es nur nach rechts. Geradeaus kommt man zur „Harmony Gold Mine Company“. Hier schürft der drittgrößte Edelmetall-Konzern, mit Sitz in Südafrika nach Gold und Silber. Der Zugang ist natürlich nicht erlaubt. Wannie sagt, dass es ein australisches Unternehmen sei und dass mit dem Gold, welches die Company hier bisher geschürft hat, ganz Sydney erbaut wurde. Ob Legende oder Fakt bleibt offen. Bald säumen Pinienplantagen den Weg. Die Company die diese Pinienplantagen betreibt, hat den irreführenden Namen „PNG Forest Products“, gehört aber zu achtzig Prozent einem Investmentfond aus Singapore. Hier in den Pinienwäldern machen wir einen kurzen Halt und die Jungs schmeißen ihren Müll und die leeren Plastikflaschen in den Dschungel. Nun ist David der Fahrer, da er den Weg und die Bedingungen besser kennt. Immer höher windet sich die Straße an den Hängen des Hochlandes hinauf. Hoch oben von der Passstraße eröffnen sich immer atemberaubendere Perspektiven und mir persönlich gefällt es in diesen Bergen besser als in den Magic Mountains. Gerade überlege ich, wieso alle so viel Vorbehalte gegen diese Straße hatten, als wir mit dem Hinterrad einem Hangabbruch so nahe kommen, dass man über das Hinterrad schon die Leere spürt. Hier ist für die einen der Spaß vorbei, für andere beginnt er jetzt.
Abgehende Bergflanken sind eher die Regel als die Ausnahme. Straßenabbrüche lassen den Weg an manchen Stellen so schmal werden, dass der LandCruiser fast am Hang entlang schrammt, während die Insassen auf der anderen Seite mehr oder weniger entspannt in die gähnende Tiefe blicken. An anderen Stellen ist die Straße auf hunderten Metern nur Brei und halb Meter tiefe Spurrinnen zeigen an, wo es möglich sein könnte, durchzukommen. Über Flüssen liegen scheinbar intakte Brückenträger, die nur einen neuen Belag aus Holzbohlen bräuchten. Doch die Dorfbewohner nutzen diese Träger balancierend als Fußweg, da niemand Geld für die Instandhaltung der „Straße“ ausgibt. Die Fahrzeuge fahren seit dem durch die Flüsse, was jedoch in der Regenzeit unmöglich ist. Das ist aber egal, denn wenn es hier lange und ausgiebig regnet, verhindern Hangabrutsche, Schlammgruben und reißende Flüsse, dass man auch nur zehn Kilometer in dieses Gebiet hineinfahren kann. Dann sind die Bewohner auf sich allein gestellt. Ab und zu schiele ich mal auf den Tacho, aber der bleibt immer unter der Marke 20. Nun wird auch klar wozu der Griff am Armaturenbrett ist, den brauche ich jetzt andauernd. Eine gute Halsmuskulatur ist ebenfalls von Vorteil, damit der Kopf nicht ständig ungewollt gegen den Türrahmen knallt. Differenzialsperre und Allrad sind auf dieser Straße kein optionales Zubehör sondern ZWINGEND erforderlich! „Es ist die reinste Knochenmühle“, denke ich. In Lae habe ich auf den Kilometerstand geschaut. Es sind fünfundfünfzig Kilometer bis Bulolo und noch einmal etwa zwanzig Kilometer auf einer, na sagen wir mal, erträglichen Offroadstrecke. Bleiben noch fünfundsiebzig Kilometer auf einer Offroadpiste, wie ich sie noch nie zuvor gefahren bin und ich staune wirklich, was ein LandCruiser alles leistet. Zehn Kilometer vor Aseki wird es dann noch einmal richtig spannend. Gab es bisher schon den einen oder anderen Streckenabschnitt an dem ich dachte: „Das würde ich nicht machen“, so kommen hier drei Abschnitte an denen ich denke: „Das geht niemals, ich würde hier umkehren und wenn es doch gehen würde, dann nur in eine Richtung aber nicht mehr zurück“. In bleibender Erinnerung ist die letzte Flussquerung vor Aseki. Hier geht es zwischen zwei Felsen, auf einem abgeschliffenen Felsen runter in den Fluss. Mit den anderen als Einweiser, kommt der LandCruiser dort auch runter, doch die hintere Stoßstange hat nun eine etwas andere Form. Ich bin der festen Überzeugung in umgekehrter Richtung geht das nicht! Wir werden sehen. Nach sieben Stunden Fahrt sind wir endlich in Aseki. Auch hier sind wir im nu umringt von Dorfbewohnern und Kindern. Ich schätze jedes zweite Kind, hat hier deutliche Zeichen von Mangelernährung. Mehr als das was hier angebaut wird, gibt es meist nicht und an ärztliche Versorgung ist gar nicht zu denken. Man kann so weit reisen wie man will – es ist überall gleich nur mancherorts auch noch schlimmer!
Im Aseki Gebiet wohnt der Stamm der Anga. Wenn einer der ihren gestorben ist, so wird der Körper einer besonderen Art der Präparation unterzogen. Zunächst wird eine Art Trauerfeier abgehalten, bei der dem Toten ein Stück des Ohrs entfernt wird. Dieses Stück wird der Familie übergeben. So bleibt der Tote dann immer auch physisch ein Teil der Familie. Dann hängt man die Leiche in ein hölzernes Gestell und alle Körperflüssigkeiten werden herausgelassen. Mehrere Monate räuchert man dann den Körper im „Smokehaus“. Ist dieser Prozess abgeschlossen wird er in einer Prozession zu einer exponierten Stelle am Gipfel eines Berges gebracht. Dort blicken die Toten Jahrhunderte lang über die Täler und wachen über ihre Bewohner. Ein eigens beauftragter Wächter pflegt die heilige Stätte. Von Zeit zu Zeit werden die Körper wieder ins Smokehaus gebracht, wo man sie restauriert, bevor sie wieder an ihren angestammten Platz gebracht werden.
Hier kommt wieder David zum Einsatz, der hier als einer der ihren angesehen wird. Er berät mit dem Chief Meswin, ob und für welchen Betrag ich in das Smoke Haus schauen darf. Wannie sagt: „He want 150 Kina – is this Ok for you?“. Ich bin jetzt hier und gebe wegen 150 Kina nicht auf und denke auch gar nicht über den Betrag nach. Ich gebe ihm 150 Kina, was 50 Dollar sind und darf in das Smokehaus gehen. Ein neu gebauter Blechschuppen in dem drei zur Restauration gebrachte Körper aufgestellt sind. Das ist weder ein Motiv, noch einen Druck auf den Auslöser wert. 150 Kina zum Fenster raus. Nein falsch! Mit 150 Kina die Landbevölkerung direkt unterstützt. Wir beraten uns. Es muss noch mindesten zwei weitere Smokehäuser geben, von denen vielleicht eines noch im traditionellen Stil erbaut ist. Das soll es angeblich auch noch geben und auch ein frischer Leichnam soll darin sein. Doch die Straßenverhältnisse verhindern noch an diesem Tag beide Lokationen, das Haus und die Felsenfriedhöfe zu besuchen. Dann machen wir heute die Felsenfriedhöfe, schlafen hier irgendwo und fahren morgen früh zum Smokehaus. Unterwegs versucht mich Wannie noch dazu zu bewegen, eine Wahlkampfveranstaltung mit hunderten Menschen in Aseki Station zu besuchen. „Don´t miss the main target“, ist meine Antwort. So quälen wir uns weiter bergauf zu einem Dorf, von wo aus der Weg mit einem Fahrzeug nicht mehr befahrbar ist. Jetzt kommt Bewegung in die Geschichte! Wasserflasche rein, Rucksack auf und los geht’s. Etwa einen Kilometer bergauf. An einer Wasserstelle über den Bach und dann den Hang hoch. Ausgerechnet heute und ausgerechnet jetzt muss die Sonne natürlich mit aller Macht brennen. Ich schnaufe und ringe nach Luft. An der steilen Bergflanke ist auch kaum mal ein Stück Schatten. Dafür hängen aber genau hier die Handteller großen Golden Orb Spider in Kopfhöhe. Zu spät gesehen, da ich ja nur japsend nach unten geschaut habe und nun hängt mir einer der Okolyten vor dem Gesicht. Mit einem eilig ergriffenen Stock katapultiere ich sie in die Büsche. Die dicken Klebfäden muss man aber einzeln von der Haut abziehen und sie hinterlassen auf meinen Armen orangene Linien. Die Kinder aus dem Dorf hinter mir lachen und haben ihre Freude mit dem Mr. White. Nach etwa zweihundert Höhenmetern in sengender Sonne und zwei Pausen habe ich es dann aber doch geschafft. In einem Felsüberhang sind Mumien in den verschiedensten Erhaltungszuständen aufgebahrt. Es gibt zusammengekauerte Familien, einen Chief in seinem eigenen Thron und auch zwei Särge, in denen übergangsweise bestattet wurde, als die Missionare diese Tradition verbieten wollten. Ich lasse mir noch erklären wer, wann wie und warum hier bestattet ist und bin dann aber nicht unglücklich wieder absteigen zu dürfen. Ich bin total durchgeschwitzt und nutze die Quelle unten an der Straße für eine ausgiebige Katzenwäsche und wringe mein Shirt aus. Wer weiß, wenn wir hier schlafen, möchte ich nicht die müffelnden Sachen anhaben. Dann kommt Wannie wieder an meine Seite und sagt: „George, George, there is a problem with the weather. We have to leave. You see the clouds? Rain is coming. We cannot stay here. We go down to Lae. Is this OK?“ Ich muss total grinsen. Das war ja irgendwie klar. Ja, er will hier her. Ja er hat dafür bezahlt. Ja wir bringen ihn hin aber dann versuchen wir ihn abzufrühstücken und fahren so schnell wie möglich zurück. Was soll ich da sagen? „Wannie, this is not our agreement and I waste a full day in Lae. In Lae is nothing“. Wannie: „Yeah – but this is for your safety, for the safety for the car and you know the road. If the rain comes we can´t go back“. Bullshit! Ich:“The guys like drive back on the badest road ever in the darkness for our safety?“ Und dann ist es mir auch egal: „Wannie, you are the guide, your the chief. I make what you say“. Dann erzählt Wannie mir noch, dass er für den Ausflug zu der Bestattungsstelle zweihundert Kina, das entspricht 65 Euro, bezahlen musste. Ob das stimmt – ich kann es mir zumindest vorstellen. Als wir mit dem LandCruiser wieder im ersten Dorf ankommen, besuchen wir nach einhundert Metern einen der Angehörigen von David. Hier ist ein schönes Motiv mit traditionellen Häusern und dem eben bestiegenen Berg im Hintergrund. Ich warte auf Sonne. So kann man das Ganze auch noch etwas verzögern. Eine Wolke folgt der nächsten und so gebe ich nach zwanzig Minuten meinen Wiederstand auf. Wir fahren weiter und nach einem Kilometer heißt es: „We stop here and disguss if we can sleep here“. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Orange färbt sich der Himmel über den Wolken und malerisch legt sich Nebel auf Berge und in Täler. Nun hat sich doch wieder entschieden, dass wir zurückfahren. Bevor wir jedoch abfahren zahlen die Jungs noch eine „Parkgebühr“. Ich muss nur noch lächeln und denke an die Wegabschnitte die uns nun bevorstehen. So kommen wir an die schon beschriebene Stelle mit dem Felsen, den es für den LandCruiser nun zu bezwingen gilt. Da ich genau weiß wie die Sache verlaufen wird, greife ich mir die kleine Kamera für ein Video. Der erste Versuch scheitert natürlich schon im Ansatz, da sich niemand die Mühe macht vorher mal die schlimmsten Brocken zu beseitigen und mit Sand die Spurinnen zu füllen um für Traktion zu sorgen. Der zweite Versuch bei dem man wenigstens rudimentär versucht das eben beschriebene zu tun, endet aber nur wenige Zentimeter weiter. Auch der nächste Versuch mit etwas Anlauf, führt nur dazu, dass es jetzt auch zwanzig Meter entfernt nach Kupplung und Gummi stinkt. Inzwischen haben sich schon einige Dorfbewohner eingefunden, die der Szenerie gespannt zuschauen. Der LandCruiser rollt nun zurück in den Fluss. David der Fahrer lässt den Motor aufheulen, dass die Abgase das Wasser darunter aufpeitschen. Wozu das gut sein soll bleibt ungeklärt. Die Felsen bleiben davon jedenfalls völlig unbeeindruckt und als der LandCruiser darüber hinweg will, drehen lediglich die Räder durch. Gummiabrieb färbt Steine und Sand schmierig schwarz, bläulicher Qualm steigt aus den hinteren Radkästen auf und die Kupplung droht auszuglühen. Inzwischen haben sich gut achtzig Leute aus den umliegenden Hütten eingefunden, um diesem seltenen Spektakel beizuwohnen. Einer von ihnen hat etwas dabei, das gut als Spaten dienen könnte und Freddi holt ein Seil aus dem Dorf. Während sich langsam die Dunkelheit über das Tal legt, wird geschippt und das Seil am LandCruiser befestigt. Dann jault wieder der Motor, die Leute ziehen am Seil und rufen sich Kommandos zu. Der LandCruiser schaukelt vor und zurück, doch die Reifen verteilen nur wieder ihren Abrieb im Gelände und es will nicht klappen. Ich sehe uns hier schon übernachten doch sie geben nicht auf. Es müssen wohl mindestens sechs Versuche gewesen sein, als sie es mit letzter Kraft schaffen den LandCruiser über die Felsen zu ziehen. Jaulend kommt er oben auf dem Weg zum stehen. Von den Händen der Schiebenden, die voller Reifenabrieb sind, ist er nun überall an den Fenstern schwarz und über und über mit Schlamm bespritzt. Die hintere Stoßstange haben wir uns bei der Hinfahrt schon verbogen, einmal ist er arg auf dem Felsen aufgesetzt, Rücklichter, Blinklichter und die Innenbeleuchtung funktionieren nicht mehr. Immerhin ist er aber noch fahrfähig und wir begeben uns auf die quälende Fahrt nach Bolulu, wo wir beschließen zu übernachten.
Der matte Lichtschein der verdrecken Scheinwerfer erleuchtet geisterhafte Wandelgestalten zwischen Dschungel und Wegesrand. Familien und Frauen die mit funzeligen Stirnlampen oder Taschenlampen von ihrem Tagwerk zurückkehren. Meine Lider werden schwer und ich falle in Sekundenschlaf. Mein Kopf blendet die Fahrt auf dieser Straße bei Tageslicht ein. Im Traum fahren wir jedoch die Kurve immer genau andersrum als ich es träume, was mich immer wieder aufwachen lässt. Aber auch Sekundenschlaf addiert sich irgendwann zu Minuten und so bin ich irgendwie und irgendwo wieder kurzeitig fit. In dem Dorf Mumeng, was in mehreren Hütten am Straßenrand eine Art Markt betreibt, machen wir endlich eine Pause. Die Hütten und Stände an denen ich stehe wurden vor nicht allzu langer Zeit mit Petroleumlampen beleuchtet. Heute sind es Batterie betriebene Lampen oder kleine LED Strahler. Die leeren Batterien sieht man plattgefahren auf dem Weg liegen und sicher auch im Dschungel. Aber da wächst ja Gras drüber. Ich schaue mich um und wieder wird mir wird klar, die Menschen hier in den Bergen sind abgehängt. Bestenfalls rudimentäre Schulbildung, kein Strom und Trinkwasser gibt es nur aus den kleinen Quellen, an den felsigen Hängen, die mit aufgeschnittenen Bambusrohren angezapft werden. An ärztliche Versorgung ist hier nicht zu denken. Überhaupt an Geld zu kommen ist hier ein Problem. Viele sind noch nie aus ihren Tälern herausgekommen. Die Fahrt auf der Pritsche eines Public Transports nach Lae, kostet 17 Euro. Für viele hier eine Summe die sie nicht aufbringen können. So legt eine Dorfgemeinschaft zusammen, damit einer nach Bulolo oder Lae fahren kann, um auf dem Markt Feldfrüchte und Bilums zu verkaufen. In der Wahlperiode kommen dann die Kandidaten, es wird plakatiert, Banner hängen über dem Weg und den Menschen wird versprochen, dass alles besser wird, wenn sie ihr Kreuz in die richtige Box setzten. Danach kehrt wieder Ruhe ein. So stehe ich hier im Schein der Lämpchen, schaue in die Gesichter der Menschen und wieder wird mir klar: Ich bin ein Alien! Uns trennen Universen und es würde schwer fallen uns zu verstehen, selbst wenn wir die selbe Sprache sprechen würden. Vor allem, denke ich fällt es ihnen schwer uns zu verstehen, was ja auch nachvollziehbar ist. Am Ende des Tages, ist Geld bei den Chiefs abgeliefert zu haben, das das einzige was ich vielleicht sinvolles getan habe.
Wir verabschieden uns, winken und weiter geht die Fahrt nach Bolulu. Die Pässe sind nebelverhangen und an manchen Stellen sieht man keine zehn Meter weit. Nach drei weiteren Stunden die wir wie in einem Shaker hin und her gerüttelt werden, erreichen wir das Kaff, das ebenfalls schon in Dunkelheit versunken ist. In der „Pine Lodge“ ist die Rezeption nicht besetzt und der Chef ist unauffindbar. Irgendwo finde ich einen Angestellten der auf dem Boden im Flur schläft. Der ist etwas ratlos, ich bin etwas genervt. Er zeigt uns ein Zimmer das offen ist und ich okkupiere es sofort. Wannie biete ich an das Zimmer mit jemandem zu teilen. Ich mache eine Katzenwäsche und lege mich schlafen.
Back 2 Lae – Am Morgen werde ich beim Kaffee, dann gefragt ob ich das Zimmer bezahle. Selbstverständlich nicht! Immerhin sind die Übernachtungen, wie auch die Mahlzeiten im ausgehandelten und vorab gezahlten Tourprogramm inkludiert. Von den inkludierten Mahlzeiten habe ich gestern nicht eine einzige in Anspruch genommen und die Tage davor gab es mal einen Keks oder eine Banane. Nun schlurfen alle ratlos durch die Gegend und telefonieren, denn anscheinend hat niemand mehr so viel Geld dabei, um die Zimmer zahlen zu können. Ich lächele und halte mich dezent raus, schlürfe meinen Kaffee und schreibe meinen Reisebericht. Als Wannie kommt und betont, dass sie zahlen, lächele ich weiter. Will ich gar nicht wissen. Ich habe die Bucks schon vor ein paar Wochen auf den Tisch gelegt. Von meinem Tisch aus sehe ich wie ein Reifen gewechselt wird. Ein Spätes Opfer der Felsen am Fluss. Irgendwann sind sie dann soweit und wir fahren weiter. Im Auto haben sie zwei Plastiktüten mit Müll gesammelt und ich denke: „Na wenigstens entsorgen sie eine Teil des Unrats, den wir verursacht haben, in irgend einer Tonne in Lae.“ Wie naiv! Als wir einen kleinen Nebenfluss des Markham River queren, fahren sie langsam und die Tüten fliegen aus dem Fenster in den Fluss. Das einzige was ich in diesem Moment dachte war: „Es gibt für diesen Planeten keine Hoffnung“ und wer was anderes denkt ist entweder nicht von dieser Welt, ein Idiot oder ein Ignorant. Obwohl ich mir geschworen hatte nichts davon zu erwähnen, da es sich ohnehin nichts ändern wird, habe ich Pym in Lae erzählt, wie schockiert ich darüber bin. Er drückte sein Unverständnis aus, was ich ihm aber nicht so wirklich abgekauft habe.
Wir fahren weiter, vorbei am Geist des Flusses, dessen Wut ich nun verstehen kann. Vorbei an den kleinen Hütten, über die längste Brücke in Papua Neuguinea die vor Lae den Markham River überquert, hinein in die zweitgrößte Stadt PNGs.
ATM – Als erstes müsste ich dann mal zum Bankautomaten ein paar bunte Schleifen abholen, damit ich auch weiterhin die Erwartungen der Trinkgeldempfänger bedienen kann. Karte rein, Prozess durchlaufen und……nichts. Zweiter Versuch wieder nichts. Dritter Versuch, wobei einer der Sicherheitsleute schaut, ob ich auch alles richtig mache. Ja, ich mache es richtig aber wieder nichts. Ich soll in die Bank an den Schalter gehen. Drinnen warten etwa einhundert Menschen um ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Ich darf aber an einen Schalter über dem ein Schild angebracht ist, das verkündet EXPRESS TELLER. Vor mir stehen schon zwei am Schalter und eine weitere Dame ist vor mir. Ich warte. Warte. Und warte. Ich beobachte die Leute die geduldig in den anderen Schlangen stehen. Einer der Vorgänge die es zu erledigen gilt dauert etwa zwanzig Minuten. Wenn man das hochrechnet, muss man einen Tag frei nehmen wenn man hier was auf der Bank zu erledigen hat. Die beiden die vor mir am Schalter waren, sind nach fünfunddreißig Minuten fertig. Ich frage die Dame neben mir ob sie nicht zum Schalter gehen will. „She´s gone to lunch“, ist die Antwort. How long it needs“, frage ich? „Round about 30 or 35 minutes“. Aha! OK. Dann muss ich mit noch mindestens einer Stunde Wartezeit rechnen. Wannie kommt wieder und wir fahren zu einer anderen Bank. Erster, zweiter und dritter Versuch – Nichts! Der Sicherheitsmann sagt wir sollten in die Bank gehen. Drinnen warten wieder hundert Menschen. Ich sage „Never ever. I don´t spend a hole day to pick 300 Kina! Wir dürfen in die erste Etage und dort an den Schalter 3. Wannie setzt sich brav zu den Wartenden. Ich rechne durch. Drei Schalter von denen zwei besetzt sind. Dreißig Leute. Wenn jeder nur zehn Minuten benötigen würde, wäre das eine Stunde Wartezeit. Ich gehe an den Schalter. Als der Mann vor mir weg ist trage ich mein Anliegen vor. Sie will mich zu einer anderen Bank schicken. Nein! Da wird es nicht anders sein. Sie will mich nur loswerden. Ich sage: „I´m now in a bank. I have a VISA card they works in the hole wold. On every row is a sign VISA. I wont 300 Kina and I don´t leave your counter without money.“ Das hat gewirkt. Sie zuckelt los und kommt nach zehn Minuten wieder. There is a problem for PNG Banks to get a connection for international transactions.“ Sie will runter kommen und mir dort Euro wechseln. Ich warte wieder zehn Minuten, da erscheint sie hinter dem Schalter. Dann die VISA Card, Pass und 100 Euro und wieder zieht sie los. Hier ein Formular, da ein kurzes Gespräch, dann weiter zum Kopierer. Erste Seite vom Pass kopieren und Kopie begutachten. Nun blättert sie meinen Pass durch und schaut sich in aller Ruhe alle Stempel und Visa an, bis sie endlich auf die Seite mit dem Visa für Papua Neuguinea stößt und diese kopieren will. Geht nicht. Als sie alle Einschübe kontrolliert hat, stellt sie fest, dass im letzten, wie auch in allen anderen Einschüben kein Papier ist. Man könnte jetzt eine Packen Papier holen und die Fächer auffüllen. Aber nein. Sie geht zum nächsten Kopierer, öffnet den Einschub und entnimmt dort einige Seiten und packt sie in den anderen Kopierer. Problem gelöst. Zumindest bis der nächste etwas kopieren will. Dann trottet sie zum Schalter an dem ich stehe, schiebt mir ein Formular durch auf dessen Rückseite ich unterschreiben soll. Dann zieht sie wieder los und verschwindet hinter einer Tür. Nach fünf Minuten, wahrscheinlich bedurfte es noch der Genehmigung durch den Premierminister, kommt sie wieder und schiebt mir Geld, Pass und Quittung durch. Nicht einmal 300 Kina, da ja noch eine happige Gebühr abgezogen wurde.
Ich sitze vor meinem Zimmer und schreibe meinen Reisebericht, da laufen vier, bis an die Zähne bewaffnete Soldaten an mir vorbei und grüßen. Das ist schon manchmal etwas strange hier.
Flug nach Wewak – Am Morgen ist keine Wolke mehr am Himmel. Erbarmungslos erhitzen die Strahlen der Sonne die Luft bis sie vibriert. Frühstück gibt es hier im Hotel leider nicht und ich gehe mit Wannie zur nahen Tanke. Einen Kaffee to go und Danke. Dann fahren wir zum Flughafen, ich bekomme noch ein paar Bananen und Wasser, verabschiede mich und gehe ins Terminal. In dem blechernen Bau wird zwischen Luftfracht und Passagieren nicht getrennt. Die Kontrollen werden eher lustlos und oberflächlich per Hand durchgeführt. Mein Ticket sieht aus wie ein Kassenbon. So warte ich auf den Flug nach Wewak, der eine halbe Stunde Verspätung hat.
Von hier oben sieht Papua Neuguinea noch viel schöner aus. Man sieht weder den Müll noch die offenkundigen Probleme. Einzig die Palmölplantagen stören das Idyll. Kurz vor Wewak passieren wir den Vulkan Manam, der eine lange braune Rauchfahne, vom Wind getragen, kilometerweit über Land und Meer ziehen lässt.
Der Flughafen von Wewak ist noch etwas einfacher gestaltet als die vorherigen. Die Gepäckausgabe befindet sich gleich am Flugfeld auf einem großen Holztisch unter dem typischen Wellblechdach. Hier stehen alle Fluggäste und warten bis ein Flughafenmitarbeiter den Wagen mit den Koffern per Hand über das Flugfeld zu dem Tisch geschoben hat. Eile ist dabei nicht zu beobachten. Es sind mindestens 30 ° Celsius. Im Schatten wohlbemerkt und ich spüre wie die Schweißtropfen mir unter dem Shirt in die Hose laufen. Nach einer halben Stunde habe ich dann den Koffer. Eine Maschine von Air Niguini kommt genau vor dem Koffertisch zum stehen. Nun wir ein Traktor mit vier Anhängern benutzt. Für den Fahrer keine leichte Sache, da die Entfernung zwischen der Ladeluke und dem Tisch nicht mehr als zwanzig Meter beträgt. Dann halte ich Ausschau nach Chris, der mich hier abholen soll. Da ist aber niemand und als alle Fluggäste weg sind dämmert mir, dass auch niemand kommen wird. Glücklicherweise spricht mich der Fahrer des Airport-Shuttle vom Hotel „In Wewak“ an. Wie sich herausstellt kennt er Chris. Ich soll hier warten. Er fährt seine Gäste zum Hotel und kommt dann wieder. Auch die Angestellten der Gepäckabfertigung wollen mir helfen, doch ich habe weder eine Nummer von Pym noch die Nummer von Chris. Nach einer Stunde, Chris ist natürlich nicht erschienen, kommt der Shuttle-Bus wieder. Die Rezeption seines Hotels hat die Nummer von Chris und ich soll mit den Gästen aus der nächsten Maschine mitkommen, sie würden dann von der Rezeption aus Kontakt mit ihm aufnehmen. Wir warten also auf die Maschine, die Gepäckprozedur und fahren dann in das „In Wewak Boutique Hotel“. Ganz in weiß mit gepflegten Interieur, einem Pool und Devotionalien aus der lokalen Kulturgeschichte als Dekoration. Man schiebt mir einen Zettel rüber, ich soll unterschreiben. Aha, ich bin überrascht. Das ist mein Hotel für zwei Nächte. Na gut, dann lade ich meine Sachen im Zimmer ab und gehe zum Abendessen. Später treffe ich Chris und Albert im Flur. Es täte ihm leid, dass das nicht so geklappt hat, da kam irgendwas dazwischen. Blabla ist mir auch egal, ich bin ja angekommen. Wir sprechen über unsere Sepik Tour. Er ist überrascht, dass ich zweieinhalb Tage hier bin, statt eineinhalb, wie er angenommen hatte. Er scheint auch etwas ratlos, was er mit mir unternehmen soll. Das ist aber egal manchmal habe ich ja auch eine Idee. Doch manchmal, wenn auch sehr selten führen meine Ideen in ein Fiasko.
Sepik – Ich sitze vor dem Hotel und lächele. Wir waren um acht Uhr verabredet und jetzt ist es halb neun. Die deutsche Marotte der Pünktlichkeit, die auch leider in mir verwurzelt ist, kann man hier gleich mal vergessen. Dann kommen Michael, der Fahrer, Albert der Guide und Karl. Karl hat bei dieser Reise keine besondere Rolle, er musste wahrscheinlich nur nach Pagwi und fand in uns eine günstige Mitfahrgelegenheit. Wir winden uns die Berge hinauf in den Küstenregenwald. Papageien rufen, Zikaden imitieren Kreissägen und die majestätischen Papuaweihen kreisen über der Straße auf der Suche nach einem Roadkill. Michael, der Fahrer, kann keinen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Drehzahl und der Neigung der Straße herstellen. So bleiben wir mehrfach in der Steigung stehen und er muss neu anfahren. Wenn Schlaglöcher oder ein geschotterter Straßenabschnitt auftauchen, kommt aus seinem Mund ein leises: „Ooohh“ oder „Aaaah“. Dann fixiert er nach vorne gebeugt das Schlagloch mit den Augen, um dann genau reinzufahren. Manchmal entgeht seinen Augen auch ein Schlagloch, doch meist poltern die Räder auch dann genau durch. Das wird dann mit einem:“Ooohh, sorry“ quittiert. Ich schaue auf den Tacho der selten über die Marke 40 klettert und wünsche mir Win Diesel aus Lae ans Steuer. Wir würden hier sauber durch die Kurven driften, die Dörfer und Menschen mit Staub beflocken und eine Schneise des Schreckens ziehen. So aber zuckeln wir dahin, genießen die gemächliche Fahrt, die Jungs kauen dabei Betelnuss und irgendwann erreicht man eben sein Ziel. Das Ziel heißt Pagwi, das Tor zum Sepik. Pagwi ist nur ein Kaff aus weniger Häusern und zwei Shops am Ufer des Sepik. Allmorgendlich ist hier großer Andrang wenn die Einbaumboote mit den Waren zu den Dörfern fahren und hin und wieder auch Boote mit Touristen ablegen.
Ich liege im Einbaum über mir die Wolken und blauer Himmel. Unter mir strömt der Sepik dem Ozean entgegen, wo die Unendlichkeit der Ozeane seine braunen Wasser auflösen wird. Was hier die Ewigkeit stört ist nur der laute Außenbordmotor. Wie ein Ball schwimme ich auf der Kultur der Menschen hier. Und auch wenn ich durch das Gewicht meines eigenen Seins, ein Stück weit eintauche, so werde ich in den Tiefen immer nur verschwommen Details sehen können. Wir legen in Korogu an. Eins der typischen Dörfer am Sepik. Wir besuchen Colin und Emelda, die Verwandte von Albert sind. Eine Stunde nehme ich an ihrem Leben teil und erfahre die Bedingungen unter denen die Menschen hier leben. Ihre Sorge gilt nicht nur dem täglichen Überleben, sondern auch der Goldmine eines amerikanischen Konzerns, die seit Jahren den Sepik mit ihren Abwässern verseucht. Dann fahren wir weiter nach Kangamamun, einem Dorf dass durch sein Geisterhaus, welches über hundert Jahre alt ist, zu einem Pilgerort für Touristen geworden ist. Hier lebt auch ein Deutscher, der den Einheimischen, das Weben von Matten für die Fußböden aus Pflanzenfasern lehrt. Er unterzieht sich hier auch dem traditionellen Prozess der „Crocodile men“. Dabei wird die Haut in Mustern eingeritzt und die Wundmale bilden später ein beeindruckendes Muster auf der Haut. Albert sagt: „He is a bad men“. Und später dann: „I joking you“. Ein wenig kommt es mir so vor als wolle er mich testen als er mich fragt, was ich davon halte und ich sage sinngemäß: Das muss jeder für sich selbst entscheiden und ich denke was immer er tut, er wird nie ein Teil der papuanischen Kultur werden. Das stößt zumindest äußerlich auf Zustimmung. Das Gästehaus in Kangamaun ist ein großes Stelzenhaus mit drei Räumen. In einem schlafe ich unter einem Moskitonetz, im anderen die Männer, die für das Gästehaus verantwortlich sind und im dritten Raum wird gegessen. Beleuchtet wird das Haus mit kleinen tragbaren LED Strahlern oder mit Leuchtstofflampen mit Strom aus dem Notstromaggregat. Unter dem Haus ist eine kleine Feuerstelle die mit Qualm dafür sorgen soll, dass die Moskitos fern bleiben. Wir fahren noch etwas auf dem Sepik herum und essen am Abend etwas Reis mit Tuna aus der Dose und Ananas. Dann sitzen wir um das schwelende Feuer und ich warte was sich so ergibt. Das schwarze Tuch der Nacht hat sich über den Dschungel gelegt, die Hunde sind schlafen gegangen und es beginnt die Zeit der Insekten. Myriaden von Moskitos fallen über uns her, Käfer und Kakerlaken, die nicht wesentlich kleiner sind als die Hunde, krabbeln am Boden oder prasseln auf die flackernde Leuchtstofflampe ein. Das Dinner für die Spinnen, die ihre Netze unter dem Haus gespannt haben ist angerichtet. Wenn es Nacht geworden ist im Dschungel, dann ertönen an manchen Orten fremde Gesänge und der Klang der Trommel. Dann erheben sich aus dem Rauch des Feuers die Geister der Ahnen und fliegen auf ihren schwarzen Schwingen durch die Nacht.
Irrweg – Dumpf scheint die Sonne durch den Wolkenschleier. Die Spinnen auf der Wiese trinken den Tau in ihren Netzen. Der Hund wird wieder von Moskitos und Fliegen gepiesackt und unter dem Haus sitzen bereits wieder die Männer, rauchen, schweigen, lächeln oder reden auch mal drei Worte Tok Pisim. Ich habe viel besser geschlafen, als ich es gehofft hatte. Das vielstimmige Konzert der Insekten und Vögel hat eine beruhigende Wirkung. Beim Kaffee zum Frühstück fragt mich Albert ob ich an Gott glaube. “Nein, ich glaube nicht. Aber wer weiß schon ob es einen gibt? Es gibt weder einen Beweis dafür noch dagegen. Ich denke ich glaube eher an Geister wie ihr. Vor langer Zeit hatte ich da mal ein Erlebnis und seit dem denke ich so ähnlich wie ihr, dass da mehr ist als nur Dunkelheit nach unserem Tod.” Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über solche Dinge, die Goldmiene die zwei Tagesreisen flussaufwärts den Fluss verseucht, das Leben in PNG und Politik, die ja derzeit das Leben im Land prägt. Dann schneidet unser Einbaum wieder durch den Sepik und ich habe nicht die geringste Ahnung wo es hingeht oder wo wir sind. Gestern Abend hatte ich das Bild von einem Haus Tambaran gezeigt und er vergewisserte mir, er kenne den Ort und wir fahren dort hin. So kommen wir nach ein paar Stunden wieder in Pagwi an. Von hier müssen wir nach Maprik, sagt Albert und wir fahren daher ans andere Ufer des Flusses zu Leo, der ein Auto hat. Leo ist ein Killer! Er versucht ein freundliches Pokerface aufzusetzen und als ich ihm nach seinem Blabla frage was der einstündige Transport nach Maprik und Apangai kosten soll, flüstert er mir Vier ins Ohr. Ich sage: “Yeah! Four is a good price!” Er lächelt sein rotes Betelnusslächeln und sagt: “No, 400 Kina.” Ich lache. 120 Dollar für zwanzig Kilometer? Niemals! Ich bin verrückt aber nicht Hirntot. “I’m so sorry I don’t have so much money.” Ich lasse ihn stehen und wir setzen wieder über nach Pagwi. Nun kommen meine Ideen ins Spiel 😉 Ich sage zu Albert: “We take a public transport to Maprik and Apangai.” Dumm nur das Sonnabend ist und nur wenige Sammeltaxis und LKWs unterwegs sind. Albert hat mit seinem Mobiltelefon auch keinen Empfang, wenn er welchen hätte, würde es auch nichts ändern, denn das Boot, dass mir genau genommen noch zwei Tage zur Verfügung steht, ist bereits wieder nach Kangamaun unterwegs. Ich gehe am nahen Shop eine kalte Cola und Zigaretten kaufen, was sich noch als sehr nützlich erweisen wird. Albert hatte sich riesig gefreut als er mich eine rauchen sah. Er fürchtet nichts mehr als Touristen, die es stört das er fast ununterbrochen die übel stinkenden Selbstbauzigaretten, welche die Einheimischen qualmen, raucht. Er raucht natürlich lieber die Markenzigaretten, die aber irre teuer sind. Bei mir kann er Zigaretten schlauchen und so viel Betelnuss kauen wie er will. ”I respect your culture.” Als ich schon fast glaube wir bleiben in Pagwi hängen, ergibt sich eine Mitfahrgelegenheit für 20 Kina auf der Pritsche eines LKWs. Es muss nur noch eine Person vom anderen Ufer abgeholt werden, dann kann es losgehen. Baumstämme sind schon verladen, schnell noch ein paar leere Benzinfässer aufladen und irgendwie festklemmen und gut. “Hey, hello, I’m John”, stellt sich der einer der beiden vor, die mit mir auf der Ladefläche mitfahren. Den Namen des anderen habe ich nicht verstanden, er hatte zu viel Betelnuss im Mund. Rückwärts rangieren wir durch den Müll am Ufer des Sepik und dann geht es los. Unter uns zieht das Asphaltband dahin und die Banner der Politiker wehen über uns, als wir darunter durchfahren. Der Fahrer ist deutlich schneller unterwegs als Michael im Pick Up auf der Hinfahrt. Wiesen brennen knisternd, Papuaweihen ziehen über uns ihre Kreise. “Hello, hello, white man” grüßen die Menschen vor den Hütten an der Straße. Jetzt bin ich angekommen, jetzt bin ich hier. Ich war nicht leer ich war zu voll. Voll von Müll der Dinge mit denen wir uns zu Hause beschäftigen. Hier wird mein Kopf frei und die Gedanken können fliegen. Ach ja, da war ja noch die Brücke, an der ich bei der Rückfahrt ein Foto machen wollte. Zwei Eisenträger überspannen einen Fluss und quer liegen Holzbalken, die ihrerseits Bretter tragen, welche eine Fahrspur markieren. Für einen LandCruiser mag das passen, für den LKW weniger. So holpert die beladene Fuhre auf den Querbalken scheppernd über die Brücke, während darunter gewaschen und gebadet wird. Zugang zu fließendem Wasser hat außerhalb der Städte niemand. Regen und Flüsse sind hier die einzigen Wasserquellen und das auch in der Trockenzeit. Der eine, dessen Namen ich nicht verstanden habe, schläft im sitzen auf der Ladefläche. John, hat eine Schüssel dabei und isst daraus gebratenen Fisch und Süßkartoffeln. Dann ruft er was nach vorne, der LKW hält an und John springt mit seiner Schüssel herunter. Er ist am Ziel. In schneller Fahrt geht es weiter und bei einem Schlenker erinnere ich mich daran, mich festzuhalten, damit ich in der nächsten Kurve nicht wie ein Projektil über die Felder schieße. Dann erreichen wir die Kreuzung nach Apangai. Mein Koffer, die Thermobox, Albert und ich schauen dem LKW hinterher. An der Kreuzung steht ein roter Pick Up und im Schatten stehen etwa zwanzig Leute. Ich gehe hin und einer der Männer bietet mir sogleich einen Platz im Schatten eines alten Schuppens an. “Hello I’m Peter.“, stellt er sich vor. Wohin wir wollen und ja, er fahre gleich nach Maprik. Sie müssten hier nur noch die Diskussion über Politik zu Ende bringen. Ich schmeiße eine Runde Zigaretten für die Männer, die hier fast alle ein Bier in der Hand haben. Das Schmiergeld für den kleinen Mann. Peter ist der Bruder einer der Lokalpolitiker, die sich zur Wahl stellen und nimmt uns umsonst mit. Peter fährt nicht, er rollt. Ein Sonnabends-Joyride für den Wahlkampf. Hier grüßen, dort schwatzen und wieder grüßen. Wir halten an einem ausladenden Baum in dessen Schatten vier Männer sitzen und schwatzen. Große Falter umrunden schmetternd den Baum. Natürlich kaufen auch alle Betelnüsse, die sogleich ins Kauwerk wandern. Der Typ neben mir hat sein Bier ausgetrunken und zack, fliegt die Flasche aus dem Fenster in die Büsche. Plop, nächste Pulle auf. Peter spuckt alle zehn Meter roten Betelnussaft aus dem Fenster, als wolle er das Revier gründlich markieren. Aus dem Beifahrerfenster tritt die nächste leere Bierflasche ihren Flug in die Büsche an. In Maprik steigen wir an der Polizeistation aus. Peter sagte, wir sollen die Polizei fragen ob die uns weiter rauf in die oberen Ortsteile bringen. Er sagte auch, die Polizei sei hier überall korrupt und das sei nicht gut. Aber für uns sei das jetzt ein Vorteil. Die Polizeistation ist ein räudiger, heruntergekommener Flachbau, unter dessen Wellblechdach ein Polizei-Pick Up mit platten Reifen seinem Ende entgegen rostet. Als ich die Stufen zur Polizeistation hochgehe, ruft mich Albert zurück. Er meint, dass dies keine gute Idee sei. Er zeigt auf ein Gelände nebenan und wir sollten unsere Sachen dort rüber bringen und er suche dann nach einer Transportmöglichkeit. Ich gucke ihn verwundert an und frage: „Why?“ „It´s dangerours here“, sagt er. Noch erstaunter frage ich: „It´s dangerous here in the front at the police station in such a small village?“ Yeah, some people can come and talk to you…“, sagt er. „And then?“, frage ich und bewege mich kein Stück, die Sachen irgendwo anders hinzuschleppen und sei es nur fünf Meter weiter in einen Drahtkäfig. Also warten wir hier auf einen Pulbic Transport. Dunkle Regenwolken ziehen auf und es ist ein Glück, dass wir genau jetzt mit dem rostenden Pick Up unter dem Dach stehen. Der Regen lässt gerade wieder nach, als ein Sammeltaxi hält. Er habe ein Problem mit dem Reifen, aber wir sollten hier stehen bleiben. Er holt uns ab wenn der Reifen repariert ist. Nach einer Weile kommt ein LKW in unsere Richtung. Der Name des Fahrers ist mir sowas von egal, denn es ist ein Straßenräuber. Er nutzt meine Situation aus und will für die fünf Kilometer bis Apangai 100 Kina, umgerechnet 30 Euro haben! Als unsere Sachen schon aufgeladen sind, kommt der Minibus. Der ist jedoch ziemlich voll. Dann kommt plötzlich Albert um die Ecke und sagt: “We can’t go to Apangai, big fight there.” Ich lache laut und sage zu ihm: “I want my money back”. Plötzlich ist der Kampf kein Thema mehr und wir fahren los. Zwanzig Minuten fahren wir die Berge rauf und wieder runter, bis wir in eine Einfahrt einbiegen. Wir halten vor einer kleinen Siedlung mit Stelzenhäusern. Daneben steht ein völlig heruntergekommenes Haus Tambaran. Albert kommt wieder nach hintern zur Ladefläche und sagt: “We are here”. Das kann ich nicht glauben. Dieser Platz hat aber auch gar nichts mit dem Platz gemeinsam, den ich ihm auf einem Foto gezeigt habe. OK, jetzt sind wir schon mal hier und versuchen aus dem Dreck wenigstens irgendwie Irgendetwas zu machen. Der Chief des Dorfes, der auch Inhaber des Gästehauses ist, kommt dazu und Albert übersetzt mir. Es gab noch ein weiteres Haus Tambaran, doch das sei vor Jahren zusammengestürzt. Das Haus hier sei das einzige. Auch das kann ich nicht glauben. Entweder kennen die Leute ihr eigenes Land nicht oder sie denken Touristen sind nicht nur irre sondern auch dumm. Nach dem wir auf dem Drecksplatz eine Weile rungehangen haben, gehen wir in das Gästehaus. Drei nummerierte Zimmer ONE, TWO THREE und ein OFFICE, wozu das auch gut sein soll. Ich bekommen Zimmer ONE. Ein Raum zweieihalb mal drei Meter breit. Darin ein verdreckter und zugemüllter Klapptisch, überall liegt irgendwelcher Krempel rum, eine versiffte Matte auf dem Boden aus rohem Bauholz und ein Kissen, das schon vor Jahren an einer Keimvergiftung gestorben ist. Was solls. Ich habe mir das ja zum Teil selbst eingebrockt. Warum verlasse ich auch immer die Touristenrouten?! Der Chief, will für das Zimmer fünfzig Kina, und für das Fotografieren des baufälligen Haus Tambaran 20 Kina. Ich gebe ihm 60 Kina. Es ist halb vier und bis zur blauen Stunde muss ich hier noch drei Stunden vergammeln. Gesagt gegammelt. Plötzlich kommt der Chief mit der interessanten Info um die Ecke, dass es hier noch ein Haus Tambaran geben soll. Wir gehen hin und keine hundert Meter entfernt finden wir ein weiteres. Davor liegen aber Berge von Unrat. Ob ich das fotografieren will? Ja, sage ich, wenn wir den Müll vorher beseitigen können. Dem Wunsch wird entsprochen und wir warten beim Haus des Chief auf den Sonnenuntergang. Mit einem lauten Knall kracht eine Kokosnuss auf das Dach, rollt runter und poltert dann eine Etage tiefer vor das Haus weiter unten am Hang. So gleich macht man sich über nie Nuss her und verarbeitet sie. Selbst die kleine Katze sitzt geduldig vor der Schüssel in der das Fruchtfleisch geraspelt wird und wartet auf ihren Anteil. Der Chief verschwindet und nach einer Weile kommt ein Mann, der natürlich der Chief selbst ist, in traditioneller Kleidung und Schmuck wieder. Ich frage Albert was das soll? „Ja, das sei hier so und wenn Fremde kommen, legt der Chief sein Kostüm an um die Menschen willkommen zu heißen.“ Der Chief kommt näher und beginnt auf seine Trommel zu schlagen. Ich sage zu Albert, dass ich etwas irritiert bin und nicht weiß wie ich mich verhalten soll. Ja und ob ich nicht doch ein Foto machen will und es koste nur zehn Kina, antwortet er. Das ist doch irgendwie ein abgekartetes Spiel und ich werde etwas wirsch und stelle noch mal klar, was ich hier pro Tag zahle, dass ich die Public Transports hierher, die Unterkunft und was noch alles zusätzlich zahle, obwohl ich vorher dafür bezahlt habe. Ich habe keine unbegrenzten Barmittel und ich habe dir das alles schon einmal erklärt. Und ich will kein Foto machen! Es ist nachvollziehbar, dass wenn sich in dieser Gegend mal ein Tourist verirrt, die Leute alles versuchen, an so viel Geld wie möglich zu kommen. Das und die Tatsache, dass es zu den gezahlten Beträgen keinen adäquaten Gegenwert gibt, kann einem die Stimmung schon vermiesen. Mich stören auch die widersprüchlichen Aussagen. Erst gibt es Auseinandersetzungen in Apangai, dann wieder nicht. Erst gibt es kein weiteres Geisterhaus in Apangai dann doch. Erst müssen wir uns an der Polizeistation verstecken, dann wieder nicht. Der Chief schaut etwas betreten drein und zieht seine Verkleidung wieder aus. Willkommen geheißen hat er mich nicht. Dann bekomme ich noch mit, wie der Chief Albert erlaubt, mit in meinem Zimmer zu schlafen. Er hätte sonst in einer der Hütten auf dem Lehmboden gelegen. So liegt er dann neben mir auf den blanken Brettern und schnarcht. “Thank you chief”, sagt er mit einem unterwürfigen Ton und ich kann es nicht fassen. Dann gibt es Abendessen. Alle auch die Kinder bekommen eine Schüssel Reis, mit etwas das aussieht wie Fisch oder Dosenfleisch. Die dürren Hunde bekommen dass was die Kinder auf den Boden fallen lassen und sie finden jedes Reiskorn. Hier geht es für alle ums Überleben. Am Abend telefoniere ich dann noch mit Chris, dem Tourleader aus Wewak. Er würde uns um zehn Uhr aus Apangai abholen. Das bedeutet in PNG Time irgendwann am Mittag vielleicht, wenn alles gut geht. Ich werde dann am Telefon etwas deutlicher und sage ihm, dass ich kein Budget-Traveller bin und um sechs Uhr hier abgeholt werden will. Wir haben kein Wasser mehr und wir haben kein Geld mehr. Für mehr als XXX Dollar pro Tag ist das nicht zu viel verlangt! Albert sagt dann er organisiere einen Transport nach Wewak zu sechs Uhr und Chris würde das zahlen. Falsch! Ich zahle und das habe ich bereits im Voraus getan. Chris spart Geld wenn wir jetzt von hier einen One-Way Transport selbst organisieren. Aber ohne weiter nachzudenken, bin ich mit allem einverstanden was mich aus Apangai raus bringt. Auf dem Hof steht ein klappriger Toyota Pick Up. Ich zeige auf das Fahrzeug und sage zu Albert: “There is a car and every car that bring us down to Wewak is a good car.” Wetterleuchten schickt gespenstisches Licht in die Wolken am Himmel und ich wünschte es würde regnen. Dann könnte ich im Slip auf der Straße duschen. Dann haue ich mich Rücklinks auf die versiffte Matte und hoffe, dass der Schlaf mich in den nächsten Tag trägt. Die harte und dreckige Nacht teile ich mit den Menschen hier die es nicht besser haben.
Nach Wewak – Ich kann mich nicht erinnern geschlafen zu haben. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Leute hier auf dem Grundstück des Chiefs erst richtig munter. Da werden leere Fässer auf die Ladefläche des Pick Ups geladen. Die Kinder, und es gibt überall viele Kinder, spielen, streiten, schreien und weinen unter dem Haus auf Stelzen. Bis in den frühen Morgen sitzen die Leute vor dem Haus und reden. Wolken verhangen ist der Morgen, als ich mir auf dem gestampften Lehm vor dem Haus die Zähne putze. Ich bin dreckig, klebe am ganzen Körper und stinke von dem versiffte Bettzeug. Das ist aber sicher ein Zustand an den man sich gewöhnt wenn man hier wohnt und aufgewachsen ist. Für uns, die wir allerorten fließendes Wasser und Körperpflege gewohnt sind, ist das ein unangenehmes Gefühl. Wir warten am Toyota Pick Up, von dem ich gestern noch im Spaß sprach. Die guten Zeiten hat der Pick Up in jedem Fall hinter sich, falls es hier in PNG für ihn jemals gute Zeiten gab. Die Sitze sind aufgerissen, das Armaturenbrett ist kaputt, die Sonnenblenden hängen wie schlaffe Augenlieder herunter und die Reifen….naja, was soll ich über die Reifen sagen? Sie hatten sicher mal Profil. Das muss aber sehr lange her sein. Wahrscheinlich überflüssig zu erwähnen, dass die Karre total verdreckt ist. Aber alles egal Hauptsache wir fahren nach Wewak. So rollen wir auf der Straße dahin, bis wir immer langsamer werden. Der Motor stottert und nach nicht einmal zehn Kilometern bleibt die Karre stehen. Der Tank ist leer! Zwei der Jungs ziehen mit einem großen Kanister los. Glücklicherweise gibt es hier alle paar Kilometer eine provisorische Tankstelle, Autoreparaturwerkstatt oder beides in einem. Nach einer viertel Stunde sind sie wieder da. Diesel wird mit einem Trichter nachgefüllt wobei dem, der den Kanister hält, der Diesel den Arm bis zum Ellenbogen runter rinnt und dann auf die Straße tropft. Nun noch die Leitung entlüften und schon sind wir wieder unterwegs. Wir kommen aber nur bis zu der Tanke, wo die beiden das Diesel her holten, denn einer der hinteren Reifen ist platt. Auf dem Hof der Tanke wird der Reifen gewechselt und nun hat wenigstens ein Reifen des Fahrzeugs Profil. Als wir dort vom Hof fahren sind wir acht Kilometer weit gekommen und haben eine Stunde benötigt. Wir fahren durch dunkle Mauern aus undurchdringlichem Dschungel. Wolken fauliger Früchte in den Bäumen wehen hier und da durch die offenen Fenster. Dann nähern wir uns einer Menschenansammlung und offenbar kann man hier Betelnüsse kaufen. Der Toyota hält und drei verschwinden zum Einkauf. Nach einer viertel Stunde kommen sie zurück und Albert hat mir sogar Bananen mitgebracht. Wir haben etwa zwei Drittel der Strecke hinter uns gebracht, da ist einer der Vorderreifen platt. In einer Werkstatt, die wir glücklicherweise noch erreicht haben, werden die beiden kaputten Reifen repariert. Keine schlechte Strategie, denn wenn auch statistisch eher unwahrscheinlich, wär es ja möglich, dass noch einer der Reifen dem Druck nicht mehr standhält. Auf der anderen Straßenseite sammeln sich Frauen, die hier eine Art wilden Markt betreiben. Man kauft in der Stadt Getränke und verkauft sie mit Aufschlag weiter. Selbstgebackenes Brot, Früchte, Wassereis mit Fruchtgeschmack und natürlich auch Betelnüsse werden den Reisenden auf der Straße angeboten. Nach nur einer Stunde sind die Reifen fertig und es geht weiter. Könnte sein, dass das jetzt langweilig wird und ich habe mir das auch nicht ausgedacht, da es eben übertrieben und langweilig klingen würde, aber nach weiteren zehn Kilometern haben wir die nächste Reifenpanne. Ich fotografiere das auch nicht mehr. Bilder von Reifenpannen und Werkstätten habe ich jetzt genug. Die Jungs sind aber in der Übung und so ist die Sache nach zehn Minuten erledigt und wir können weiter. Innere Freude durchflutete mich, als hinter dem Regenwald das Meer und Wewak auftaucht. Nach nur fünfeinhalb Stunden sind wir wieder in Wewak und ich begebe mich in meine Wohlfühloase, wo ich sogar eine Suite mit Meerblick bekomme.
Am Abend war es immer noch heiß wie im Backofen und ich genoss es auf der grossen Terrasse meines Zimmers mit einem kühlen Bier. In der Nacht prasselte dann der Gewitterregen so laut auf die Blechüberdachung, dass ich wach wurde. Ich frühstücke und genieße weiter meine Suite, bis ich um zehn Uhr auschecken muss. Um zehn Uhr kommt Albert noch mal zu Besuch und bringt wir eine kleine Rückerstattung, die wir uns teilen. Ich befrage ihn noch mal zu den Tambaran Häusern. Es gibt nur einen Stamm, der sie in dieser Form, mit dem hochgezogenen Dach baut. Derzeit existieren nur vier, von denen wir zwei gesehen haben. Die anderen beiden sind in besserem Zustand. „Wenn er es denn weiß, warum sind wir nicht dahin gefahren?“, frage ich mich, spreche es aber nicht aus. Nach dem Mittag fahre ich zum Flughafen. Dort gibt es eine kleine Überraschung für mich. Ich fliege erst morgen! Aber gut das ich hier bin, denn der Flug auf den ich morgen gebucht bin, ist gestrichen. Bereits um 8:05Uhr geht es über Madang nach Port Moresby. Auf Reisen verliere ich schnell jedes Gefühl für die Zeit und weiß nicht welcher Wochentag und welches Datum gerade sind. So habe ich nicht bemerkt, dass ich einem Tag früher vom Sepik zurückgefahren wurde. Gestern Abend habe ich zu Chris, dem Tourguide noch gesagt: „I leave at May 23th“ und hatte ihm und dem Personal an der Rezeption meinen Flugplan gezeigt. Es hätte ja auch auffallen müssen, das eine Hotelbuchung vom 22. Zum 23, Mai vorliegt. Die Entscheidung nach Wewak zu fahren, war die falsche, wir hätten nach Pagwi fahren sollen und dann noch einen Tag auf dem Sepik gehabt. Wie dem auch sei, die Sepik Tour habe ich gründlich verkackt und die Papuaner haben mir tatkräftig dabei geholfen.
Zurück im Hotel versuche ich noch irgendwie eine Agentur aufzureißen, mit der ich eine Tagestour in Port Moresby machen kann.
2 Port Moresby – In der Nacht hat es wieder so geregnet, dass ich von dem Lärm aufgewacht bin. Am Morgen fahre ich wieder zum Flughafen. Dort sind die Computer ausgefallen und alles muss mit der Hand geschrieben werden. Dann fängt es wieder an zu regnen. Regen ist hier oft das, was man bei uns als Starkregen bezeichnet nur stärker. Immer wieder fällt der Strom auf dem Flughafen aus und dann geht auch die Befeuerung der Start- und Landebahn aus. Der Pilot, sagt so etwas wie: „Ja, das Computersystem und das Radar ist auf dem Flughafen wegen dem Regen ausgefallen, aber fliegen kann das Flugzeug trotzdem.“ Wenig später sind wir in der Luft und ich habe einen schönen Fensterplatz. Leider hat der Vulkan Manam vorrübergehend seine Aktivität eingestellt und hüllt sich gänzlich in Wolken. Zuerst fliegen wir Madang, dann Lae und zuletzt Port Moresby an. Bei dem Anflug und den Starts über den nahen Küstengewässern, sieht man die Unmengen an Müll die in langen Schleiern und Inseln vor der Küste treiben. Das muss doch auch mal jemand anderem als nur mir auffallen. Das sind doch dann keine Badestrände und Tauchreviere mehr. Die Küsten Papuas, nahe der Städte sind Müllhalden!
Das Hotel „Lapwing Travelodge“ ist von hohen massiven Gitterzäunen umgeben und bewacht. Das Internet funktioniert gerade mal wieder nicht und über das Telefon ist mein Kontakt, den ich für hier angefragt hatte, auch nicht erreichbar. So hänge ich rum und beschließe dann die einen Kilometer entfernte „Vision City Mega Mall“ zu Fuß zu erreichen und sage an der Rezeption Bescheid. Die finden das gar nicht gut und ich frage ganz doof warum nicht. „.Aaahh..eeehhm…there so many peope there are unemployed and there look for foreign people… for origin people also, to rob there the money and other things that they have. We have a shuttle to bring you.“ Schon die Stewardress im Flugzeug hatte mich davor gewarnt in Port Moresby am Abend unterwegs zu sein. Ich fragte: „Only in the night? „At the day also.“ Anscheinend gibt es hier wirklich ein ernstes Sicherheitsproblem. Das gibt es aber auch in Johannesburg, in Buenos Aires, in Rio, in Nairobi and so on. An Reisewarnungen für Buenos Aires oder Rio kann ich mich aber nicht erinnern. So vergammele ich den Rest des Tages.
Am Morgen lasse ich mich dann mit dem Shuttle-Bus zum „Nature Park“ fahren, wo ich sechs Stunden zubringe und wo man Souvenirs zu moderaten Preisen ergattern kann. Dann besuche ich nochmal die „Vision City Mega Mall“, die ebenfalls als Zeitvertreib für Zwangsaufenthalte gut ist. Bei einem Rundgang durch das Viertel in dem das Hotel liegt, rufen mir Leute hinterher, an denen ich gerade vorbei gegangen bin. Nett wie ich bin, reagiere ich und gehe zurück zu ihnen. Ich soll die Straße nicht weiter runter gehen, das sei gefährlich, da unten gäbe es Roskols (Banditen). So gehe ich den Weg den ich gekommen bin wieder zurück.
Als ich auschecke, versucht man mir einen Fantasiepreis, statt den ohnehin schon teuren Boockingdotcom-Preis zu berechnen. Ausrauben geht auch anders. Das Beste aber was man in Port Moresby machen kann, ist die Stadt verlassen.
Dieses Abenteuer ist vorbei. Das Paradies ist entzaubert. Ich bin tief beeindruckt und schockiert zugleich. Es wird Tage oder Wochen dauern, bis ich wieder in der heimischen Wirklichkeit angekommen bin. Jetzt wo ich weiß wie das hier in PNG so funktioniert, würde ich am liebsten sofort mit der Planung der nächsten Reise nach Papua Neuguinea beginnen.
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