VON PEKING NACH HONGKONG
8. November 2023 joerg
Dieser Reisebericht liest sich vielleicht etwas versachlicht und ganz und gar nicht so, als hätte ich ihn geschrieben. Der Grund dafür ist, dass er von meiner Freundin speziell für den Vortrag an der FHTW in Berlin für das Wahlpflichtfach „Chinas Wirtschaftspolitik im Wandel“ bei Jürgen Holz überarbeitet wurde.
Reisezeitraum: 04.08.2001-26.08.2001
Die Idee
Viele Reiseziele gehen einem durch den Kopf. Ein Leben ist leider zu kurz um alles in der Welt zu sehen und zu erfahren. Auch ändert sich in der Welt so vieles, dass Reiseziele von heute, morgen schon weniger interessant sein können oder aus anderen Gründen schwerer zu bereisen sind. Ein entscheidender Grund, China zu bereisen, war der, dass ab 2004 die erste Staustufe des „Drei Schluchten Staudammes“, der den Jangtse beherrschbar machen und ihm Energie abgewinnen soll, geflutet wird. Damit wird das Gebiet zu beiden Seiten des Flusses seinen Charakter radikal ändern. Ein anderer Grund war, selbst einmal die „Terrakotta“ Armee und ein unverfälschtes Stück Mauer zu sehen. Eigentlich ist jede Stadt, jeder Mensch, jeder Baum und jeder Stein interessant, denn es ist eine uns fremde Welt, die wir nur mit viel Mühe verstehen lernen können. Es gibt sicher noch tausend weitere Gründe. Tatsache ist aber, dass sich mit China weltweit große wirtschaftliche Hoffnungen verbinden, es trotzdem besonders innenpolitisch ein sehr umstrittenes Land ist.
Dies gilt natürlich nicht für die Unternehmen, die dort mit Hoffnung auf große Gewinne ihr Geld investieren, denn vor allen kann China mit beeindruckenden Wachstumsraten aufwarten, die jedoch derzeit fallend sind.Betrug 1995 das Wirtschaftswachstum 10,5%, so waren es im Jahr 2000 immerhin noch 8% und das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2000 gemessen an den Preisen 1079,9 Mrd. US$.
China ist in vielen Dingen ein Land der Superlative. Nicht nur die Fläche von 9,6 Mill. km², eine Bevölkerungszahl von 1,27 Mrd. und das 38% der Bevölkerung in Städten leben beeindruckt, sondern auch die Tatsache, dass in China auch heute noch pro 1000 Einwohner 13,4 Menschen geboren werden, jedoch nur 6,4 sterben.
Wir entschieden uns für China und die Planung begann.
Von Peking, wo wir zwei Tage blieben, fuhren wir mit dem Zug nach Xian. In Xian befindet sich die „Terrakotta Armee“. Weiter ging die Reise wieder mit dem Zug nach Chongquing, um von dort mit dem Schiff drei Tage den Jangtse flussabwärts bis nach Yichan zu fahren. Dort übernachteten wir, um dann mit dem Zug via Liuzhou nach Jingchengyang zu fahren. Wir hatten fast fünf Tage, bevor wir mit dem Zug nach Guilin reisten. Für Guilin blieben nur zwei Tage. Anschließend flogen wir nach Hongkong.
Das Problem, welches sich bei Individualreisen in China stellt, ist das die meisten, wie auch wir, chinesisch weder lesen noch schreiben können. Englisch spricht man nur in den Hotels großer Städte. Es ist also äußerst schwierig, Fahrkarten für Züge oder Schiffspassagen zu buchen, da man ja weder Fahrpläne lesen, noch sich den Bahnbediensteten verständlich machen kann.
Man sollte also schon vom Heimatort die entscheidenden Parts vorbuchen oder sehr viel Zeit mitbringen. Da wir zeitlich begrenzt waren und konkrete Vorstellungen hatten, haben wir einen Internetanbieter, der auch ein Büro in Berlin hat, mit der Buchung von Tickets und Hotels beauftragt. Diese Art war nicht nur preiswerter als eine Pauschalreise, sondern realisierte auch individuelle Vorstellungen ohne große Kompromisse.
1. Tag – Ein mulmiges Gefühl beschleicht einen, wenn man daran denkt, dass vor genau zwei Jahren, am 2. September 1998, eine MD-11 aufgrund eines Kabelbrandes vor Kanada in den Atlantik stürzte. Auch wir sitzen beim Anflug auf Peking in einer solchen Maschine. Wir sind, wenn man der Anzeige glauben kann, 150 m über dem Boden. Schaut man aus dem Kabinenfenster, hat man den Eindruck sie wären von außen weiß angestrichen, so dicht ist der Nebel. 10 Meter unter uns tauchen plötzlich Häuser auf, doch eine Landebahn ist nicht zu sehen. Fast gleichzeitig heulen die Triebwerke auf und die Maschine startet durch.
Dann kommt die Durchsage, dass für eine Landung der Nebel zu dicht sei und man es noch einmal mit einem Leitstrahl versuchen will, bevor man auf den Flughafen von Shanghai ausweicht. Eine halbe Stunde gespanntes und ängstliches Warten, in der man überlegt: Wie viel Treibstoff hat das Flugzeug eigentlich noch? Obwohl sich der Nebel nicht gelichtet hat, gelingt der zweite Landeanflug.
Nach den Einreiseformalitäten fahren wir mit dem Taxi durch die Wirtschaftswunder – Betonwelt, die man in den letzen Jahren hier hingegossen hat. Wer ein Chinaklischee im Kopf hat, dem wird auffallen, dass es immer weniger Fahrräder dafür aber zunehmend Mercedes S-Klassen gibt. Es tut sich was.
Unser Hotel ist preiswert und die Zimmer sind einfach eingerichtet. Nach einer kurzen Pause laufen wir zum Tia nanmen Platz. Es herrschen schwüle 33° C und die Luft ist abgasgeschwängert. Später im Hotel müssen wir doch erst etwas Schlaf nachholen, damit wir am Nachmittag noch einen Ausflug in eine nahegelegene Einkaufpassage schaffen.
Jedes Jahr im August wird in Peking ein Bierfestival veranstaltet, an dem viele namhafte ausländische Brauereien teilnehmen. Peking, eine Stadt im Aufbruch, welche um Internationalität bemüht ist. Beim Abendessen lernen wir die Nachteile einer Individualreise kennen. Während Reisegruppen meist eine große Auswahl verschiedenster chinesischer Speisen zu jeder Mahlzeit bekommen, essen wir „a la Carte“. So sitzen wir wenig später bei Suppe mit ganzem Obst, chinesischer Pizza, Bier und Jasmintee. Das meiste jedoch ist für europäische Gaumen mäßig bis ekelig.
2. Tag – Zum Frühstück gibt es ein schmales Büffet und entsprechend ist das Gedränge.
Wir wollen zur Mauer nach Simatai. Im Gegensatz zu Badaling, wo die Pauschaltouristen hingebracht werden, ist dieses Stück noch original erhalten und nicht überlaufen. Hier kann man noch den Atem der Geschichte spüren. Wer zu diesem Ort will, benötigt ein Taxi, denn es sind etwa 100 km vom Hotel. Schon die Preisverhandlungen gestalten sich schwierig. Verlangt werden anfangs 800 Yen und bis wir auf 500 Yen (50 €) runtergehandelt haben vergehen 20 Minuten.
Taxis fahren zumindest in Peking schnell. Sie wechseln Spuren, wobei es ihnen gleichgültig ist, ob neben ihnen Autos fahren. Mehrmals war nur durch Vollbremsungen zu verhindern, dass der eine oder andere Fahrradfahrer oder Fußgänger vom Leben zum Tode befördert wird.
Eines der eindrucksvollsten Fahrmanöver war, als unser Taxi in einem vierspurigen Kreisverkehr innen fahrend, an der nächsten Ausfahrt kurz entschlossen rechts rausfahren wollte. Mit lautem Hupen, quietschenden Reifen in einer Lücke zwischen zwei LKWs, andere Autos auf den Randstreifen zwingend, rasten wir in die Ausfahrt. In wenigen Situationen bekommt man echte Angst. Dies war eine davon.
Auf der Gebirgsstraße nach Simatai schneidet der Fahrer dann als Zugabe noch Kurven, die nicht einsehbar sind. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn links nicht ein 50 m Abhang gewesen wäre. Nach 2 Stunden Fahrt kommen wir in Simatai an, wo wir fast allein sind. Da hier die Mauer in einem schroffen Gebirge liegt, kann man eine Seilbahn und dann eine Standseilbahn nutzen. Doch die letzten 500 Meter bis zur Bergkuppe mit der Mauer muss man zu Fuß gehen. Bei klarem Wetter bietet sich von hier aus ein atemberaubender Blick über das Gebirge und die innere Mongolei.
Die Rückfahrt verläuft wie die Hinfahrt, mit einem feinen Unterschied: Das Fahrmanöver, durch den fließenden Gegenverkehr in die Hoteleinfahrt abzubiegen, endet abrupt, als ein anderes Auto in unserem steckt. Ein angestoßener Kopf und ein verletztes Bein sind die Folge. Ohne Fahrgeld zu entrichten schleppen wir uns ins Hotel und kühlen die Wunden. Später kommt einer der Hotelangestellten und fragt uns nach unserem Befinden und ob wir eine Anzeige machen wollen, doch darauf verzichten wir. Am Abend können wir wieder gut laufen und so machen wir einen Ausflug zum Tia nanmen Platz, zum Mao Mausoleum und in die gut klimatisierte Einkaufspassage.
Besonders in der Dunkelheit ist der sonst triste „Tia nanmen“ Platz durch die angestrahlten Monumente und Gebäude ein Erlebnis.
In einer der Seitengassen gibt es auch noch einen Markt, wie man ihn sich in China vorstellt. Viele Garküchen mit exotischen Gerichten und kleine Handwerksgeschäfte, Werkstätten und vielen Menschen, die sich durch die Gänge schieben. Jetzt am Abend werden die Temperaturen erträglich, wenn es auch noch sehr schwül ist. Die Straßen füllen sich immer mehr und es wird immer lauter bis um 22 Uhr das Leben in den Straßen tobt.
3. Tag – Die meisten Menschen empfinden die „Verbotene Stadt“ als tot. Es fehlt einfach an den Kleinigkeiten, die einen solchen Ort lebendig machen. Hier gibt es nur Menschen, die sich in einer Richtung durch dieses Areal schieben. Über Kopfhörer kann man sich in verschiedenen Sprachen über die Geschichte dieser Anlage berieseln lassen. Zweifelhaft ist jedoch, ob das Erlebnis dadurch intensiver wird.
Die Aura dieser Anlage und das Leben, welches dort stattfand, kann man sicher eindrucksvoller nachempfinden, wenn man sich den Film „Der letzte Kaiser“ ansieht. Schön ist es einzig im Kaisergarten, der exotische Pflanzen und Vögel zu bieten hat.
Ein Ausflug zum Sommerpalast ist da lohnenswerter. Denn hier hat man den Eindruck, alles sei noch bewohnt, die Anlage auf einem hügligen Gelände ist bewaldet und auch architektonisch viel interessanter. Auf einem See fahren Schiffe und hier findet man auch das legendäre Marmorboot, dass nicht wirklich schwimmt, dessen Geschichte aber kurios ist. Es wurde von der Kaiserin Cixi von dem Geld gebaut, welches zur Modernisierung der Kaiserlichen Flotte gedacht war.
Schon hier, in der chinesischen Hauptstadt, bekommt man einen Eindruck von der Einstellung der Chinesen zu ihrer Umwelt. So fährt am Eingang zum Palast ein Radfahrer vorbei an dessen Lenker ein 30 X 30 cm große Käfig mit zwei Streifenhörnchen hängt. Für welchen Zweck die wohl bestimmt sind?
Nachdem wir auch den Himmelstempel mit seiner weitläufigen Parkanlage besucht haben, wollen wir uns das Vergnügen gönnen, mit einer Rikscha zum Hotel zurückzufahren. Der Rikschafahrer hat seine Mühe mit uns schwergewichtigen Langnasen, was dazu führt, dass er nach eineinhalb Kilometern einfach keine Lust zum Weiterfahren hat. Er setzt uns an einer Kreuzung raus und verlangt 200 Yen. Die gleiche Strecke kostet mit einem offiziellen Taxi nicht einmal ein Zehntel. Wir bezahlen 50 Yen und fahren die letzten drei km mit einem Taxi für 10 Yen.
Es gilt grundsätzlich: Die Preise für Personenbeförderungsleistungen vorher aushandeln, andernfalls sind unangenehme Erfahrungen vorprogrammiert
4. Tag – Der alte Hauptbahnhof von Peking ist seit 1996 einer riesigen, in Beton gegossenen, Kathedrale des Schienenverkehrs gewichen. Architektonisch hat man sich etwas an der Vergangenheit orientiert und nicht an eine der sonst üblichen Beton- Glaskonstruktionen. Nach einer Kontrollschleuse, sehr ähnlich der auf Flughäfen, empfängt einen eine riesige Halle, die als Einkaufszentrum gestaltet ist. Hier ist es noch angenehm, doch in einer der 1000 Quadratmeter Wartehallen müssen auch wir auf den „check in“ zu unserem Zug warten. Erst wenn der Zug fertig am Bahnsteig steht werden die Fahrkarten erneut kontrolliert und man darf zu seinem Wagen. Man würde nie erwarten, dass Menschen in China, die Jahrzehnte unter einem totalitären Einparteiensystem gelebt haben und sich jedem Ziel der Partei unterordnen mussten, sich zu derart rücksichtslosen Egoisten entwickeln. Wenn es darum geht Verkehrsmittel zu besteigen, drängeln sie derart rabiat als ginge es darum, den letzten Transport aus einem Katastrophen- oder Seuchengebiet zu erwischen. Unsere Größe und das stattliche Gepäck verschafft uns jedoch den nötigen Respekt.
Die Zugnummern geben die Priorität an. Züge mit einstelligen Nummern sind Superschnellzüge und es wird dann weiter abgestuft bis zu vierstelligen Nummern. Diese sind dann Züge in ländlichen Regionen, die an jedem Ort halten. Unser Zug nach Xian hat eine zweistellige Nummer und gehört damit zu den überregionalen Schnellverbindungen. Die Abteile verfügen auf jeder Seite über zwei übereinanderliegende Betten, die jedoch auch schon mal etwas abgenutzt sein können. Bei einer Fahrt durch die Peripherie von Peking passiert der Zug auch Gebiete die Normaltouristen üblicherweise nicht zu sehen bekommen. Nicht nur einfachste Hütten, sondern auch Behausungen aus Blech, Folie, Karton und natürlich auch Wellblech dienen einem scheinbar immer größer werdendem Teil der Bevölkerung als Heim. Schon in Peking haben wir es erlebt und jetzt wird uns wieder bewusst, dass es in der Nähe von Großstädten immer mehr Menschen gibt, die betteln und vom Müll der Wohlhabenden leben.
Mit wachsendem Wohlstand und westlichen Einflüssen wird auch in China das Müllproblem unübersehbar. Ein fehlendes Umweltbewusstsein trägt dazu bei, dass in der Umgebung von Großstädten Müll, der nicht verrottet, große Flächen überzieht oder in großen Mengen in Flüssen entsorgt wird. Eine andere Möglichkeit ist das Verbrennen im Freien. Doch unerträglich ist der Gestank von brennenden Müllhalden, nicht erwähnt die Schadstoffe, die dabei freigesetzt werden.
Der Blick wird weiter, ein Fluss begleitet die Bahn und als die letzten Huttons der Stadt hinter uns liegen, färben Felder die Landschaft grün.
Im Speisewagen gibt es nur ein Standardgericht. Der Preis für Touristen wird spontan festgelegt und ist im voraus zu entrichten. Nach langem Warten kommt das Essen genau in dem Moment, als man zu glauben beginnt, dass es sicher nicht mehr kommt. Wechselgeld bekommt man auch nicht. Später können wir beobachten wie Chinesen essen. Den Kopf zum Tisch heruntergebeugt und die Schüssel an die Unterlippe geführt wird das Essen in den Mund geschaufelt. Chinesen die rauchen tun dies auch während sie essen. Dinge, die für die Verdauung nicht verwertbar sind, wie Knorpel oder Knochen werden auf den Tisch gespuckt oder landen darunter. Ernährung muss hier vor allem schnell gehen und satt machen, wobei die Quantität hohe Priorität hat. Dies ist jedoch kein Vorwurf, sondern begründet durch die verheerenden Hungersnöte in der Geschichte Chinas.
5. Tag – Nach halbdurchschlafender Nacht trifft unser Zug um 6.37 Uhr in Xian ein. Der Himmel ist hier bedeckt, denn es ist die Jahreszeit in der es am meisten regnet. Bisher jedoch hatten wir mit dem Wetter Glück.
Da unser Hotel auch Reisegruppen aus dem Ausland beherbergt, ist es um mindestens eine Klasse besser als das in Peking. Nachdem wir geduscht haben, fahren wir mit dem Taxi zur Terrakotta Armee, von der nur soviel berichtet sei: Muss man einmal gesehen haben! Es ist eine der sehr wenigen Stätten in China, an der man noch die ehemalige Größe dieser Kultur erahnen kann. Die Ausgrabungsstätten sind von riesigen lichtdurchlässigen Hallen überspannt worden. Die Ausgrabungen sind noch nicht beendet und auch heute noch macht man neue Funde.
Zurück in Xian machen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt. Wie auch in anderen Städten Chinas, werden auch hier die Huttons, die traditionellen einstöckigen Altstadtviertel, blockweise geräumt und von Bulldozern niedergewalzt, um darauf den betongewordenen Fortschritt zu errichten. Die Bewohner, die es sich leisten können, bekommen neue Wohnungen, staatliche Hilfen gibt es für die wenigsten. So sieht man Elendsquartiere für die es keine Steigerungsmöglichkeit mehr gibt und sogar Menschen, die mit dem Rest ihrer Habe auf den Trümmern ihrer Häuser liegen.
Eine Kuriosität ist es für uns zu sehen, wie Menschen zwischen 11-14 Uhr, von plötzlicher Schläfrigkeit übermannt, sich dort zu Ruhe betten, wo sie sich gerade befinden. Sie schlafen auf Bettgestellen am Straßenrand, auf Fahrrädern an einen Baum gelehnt oder mit dem Kopf auf der Tischplatte oder der Werkbank, dass letzte Werkzeug noch in der Hand haltend. Der Vorteil besteht sicher darin, dass man sich nach dem Erwachen schneller wieder in die unterbrochene Tätigkeit hineinfindet.
An einem Kreisverkehr hat das rücksichtslose Gedränge dazu geführt, dass ein LKW eine drei Meter hoch beladene Lastenrikscha gerammt hat. Diese kippte dann natürlich um und verteilte ihre vierzig Pappkartons gleichmäßig über die Straße. Die beiden Fahrer kümmerte das wenig, denn sie waren jetzt damit beschäftigt, die Schuldfrage in einem Ringkampf auszutragen, während die anderen Autofahrer staunend die Stelle umfuhren.
Eine unangenehme Sitte ist es, zwanzig Kubikmeter Müll auf der Straße zu sammeln. Man kann sich vielleicht den Geruch vorstellen, den dieser Haufen bei 35 °C im Schatten verströmt. Wenn man dann noch einen älteren Herrn sieht, der in dem Müll nach Verwertbarem sucht, bekommt man eine Ahnung worauf der Fortschritt und Wohlstand in China begründet ist.
Ein ca. siebzig Jahre alter Schuster, der sein Gewerbe aus einem kleinen Handwagen betreibt, interessiert sich für unsere Kamera mit Teleobjektiv. Das Durchsehen scheint für ihn ein unbegreifliches Wunder zu sein. Dies alles erleben wir in einem Land, welches Atommacht ist, Raumfahrt betreibt und Computerelemente sowie Monitore für die ganze Welt produziert.
Im Gegensatz zu den Pauschaltouristen haben wir beim Abendessen abermals das Vergnügen des „Essenratens“
6. Tag – Ganz sicher gibt es Menschen, die auch zum Frühstück vor heißen Würstchen, fettigen Steaks, ranzigem Schinken und einem warmen schleimigen grauen Brei nicht zurückschrecken oder es sogar mögen. Leider gehören wir nicht dazu und so fällt das Frühstück wieder mager aus, da wir uns mit blassen mageren „Knödeln“ und etwas Obst begnügen.
Nachdem wir wieder das einstündige Gedränge mit zwei Riesenrucksäcken auf dem Rücken und einem Fotokoffer überstanden haben, kaufen wir auf dem Bahnhof noch etwas Obst und Kekse sowie Getränke.
Es beginnt nun die siebenundzwanzig Stunden Zugfahrt nach Chongquing, am Ufer des Jangtse. Der Wagen, den man hier treffend „Softsleeper“ nennt, ist älteren Baujahres. Natürlich haben alle Wagen frische und saubere Bettwäsche, jedoch nur an dem Tag, an dem sie das Herstellerwerk verlassen. Die Klimaanlage des Wagens ist ein an der Decke befestigter Ventilator, welcher nimmermüde mit einem mahlenden und ratternden Geräusch die Luft durchquirlt. Selbstverständlich teilen wir unser Abteil mit zwei kettenrauchenden Chinesen und so wird es mit unserem Gepäck ganz schön eng. Ein Ruck geht durch den Zug – die Fahrt beginnt.
In Zentralchina sind für uns auch die Huttons, Müllhalden und urzeitlichen Fabriken, die unablässig mehr Staub und Abgase als Waren zu produzieren scheinen, interessant. Ewig schauen wir hinaus, bis etwa 150 km hinter Xian die Landschaft grüner wird. Zuerst sind es noch Felder später sogar Wälder.
Der Zug wird langsamer, denn es geht immer steiler bergauf. Immer mehr Tunnel werden durchfahren denen Schluchten folgen. Neben den Gleisen erheben sich 1000 m hoch die Berge des 3800 m hohen Quing Ling Gebirges, welches der Zug durchfährt. Aber nicht ewig kann man sich mit der Aussicht ablenken, denn es dämmert schon und wir bekommen Hunger. Da das meiste Essbare, dass wir dabei haben, für Europäer schon ungenießbar hergestellt worden ist, gehen wir wieder in den Speisewagen. Dort werden wir vom Koch des Grauens, der an den Töpfen steht, verwöhnt. Zurück im Abteil auf unseren Schlafpritschen beginnt der Wechsel zwischen lesen und Dämmerschlaf. Unsanft rattert der Zug über die Gleise und der Ventilator bläst dem, der oben liegt, im 30 sec Takt warme Luft ins Gesicht. Wenn man dann endlich darüber eingeschlafen ist, tönt eine Stimme aus dem Lautsprecher des Abteils. Es kann keine Bahnhofsansage sein, denn der Vortrag dauert länger und ihm folgt chinesische Volksmusik. Dies wiederholt sich mehrere Male, so das wir den Lautsprecher aufschrauben und abklemmen. Nun lässt es sich etwas schlafen und wir sind am Morgen einigermaßen ausgeruht.
7. Tag – Die Zugtoilette ist nicht größer als die in deutschen Zügen, jedoch kann man diese in chinesischen Zügen nur in äußersten Notfällen benutzen, da sie einen beißenden Gestank verströmen und nur wenige die richtige Nutzung einer Spülung kennen. So putzt man sich meist mit Wasser aus Flaschen, welches man immer mitführen sollte, die Zähne.
Nach einem Halt am Vormittag sind wir endlich allein im Abteil und können uns ausbreiten. In dieser Umgebung kann man auch schon morgens um 10 Uhr ohne schlechtes Gewissen Erdnussschalen auf dem Fußboden verbreiten oder aus dem Fenster schnipsen, Bier trinken und rauchen. So fahren wir und berauschen uns an der subtropisch gewordenen Landschaft, durch die der Zug nun fährt. Palmen und Bananenstauden ziehen vorbei und die Luft ist feucht und warm, aber sie riecht auch etwas nach Abenteuer. Wir schwitzen, sind klebrig und haben Hunger. Unsere Getränke haben nun auch tropische Temperaturen erreicht, so das auch sie nur noch Nährwert haben. Am Ufer des Jangtse schlängelt sich der Zug entlang und wir sind froh, als er in den Bahnhof von Chongquing in der Provinz Sichuan einfährt.
Taxifahrer ohne Lizenz versuchen die wenigen individual reisenden Touristen anzuwerben. So fahren wir mit einem Kleinlaster, der sicher jeden Tag nach Feierabend als Taxi dient, zum Hafen. Dort machen wir erst einmal ein Bild von uns, mit dem ganzen Gepäck und den Schiffen im Hintergrund. Doch Ratlosigkeit befällt uns, als wir nach einigem Suchen feststellen müssen, dass unser Schiff, welches wir gebucht haben, gar nicht hier ist. Unweit des Hafens gibt es eine neue Polizeistation, auf der wir sogar eine Polizistin treffen, die gut englisch spricht.
Erst heißt es das Schiff kommt, dann wieder es kommt nicht. Sechs weitere Telefongespräche bringen nicht viel neues. Wir sprechen aber mit Reiseleitern des CITS (China International Travel Service) die uns versichern, dass wir noch am selben Abend einschiffen können. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, wollen wir bei Mc Donalds zu Abend dinieren. Doch kann man sich ja in China in ein Taxi setzen und sagen “ We want to go to Mc Donalds“. Man kann natürlich, doch wird es niemande verstehen. Also lassen wir uns in der Polizeistation diesen Satz in chinesisch auf einen Zettel schreiben, den wir dann dem Taxifahrer zeigen. Klappte auch mit dem Zettel “ We want to go to the policestation at habor“ auf chinesisch. Bei Mc Donalds tobt wie in der Niederlassung in Peking, das Lebendas Leben. Die neue chinesische Mittelklasse hat fritiertes Essen aus dem angloamerikanischen Wirtschaftsraum für sich entdeckt. Essen an sich hat ja aus geschichtlichen Gründen eine besondere Bedeutung in China und nun kann man dabei auch noch turboschnell verfetten. Bei diesen ausgelassenen Menschenmassen denkt man unweigerlich an einen ganz besonderen Feiertag oder ein Volksfest. Hier scheint dies jedoch die Normalität – die Freude eines Volkes, dass einer glücklichen Zukunft als Weltmacht mit einem erheblichen Wohlstand entgegenfiebert?
Zurück an der Polizeistation, hat man für uns ein anderes Schiff gebucht. Bis dorthin sind es jedoch noch bepackte 10 min Fußweg und als wir dort ankommen, weiß natürlich niemand auf dem Schiff von der Buchung. Nun warten wir während man wieder telefoniert. Es ist 22.30 als wir in unserem Zimmer auf das Bett fallen.
8. Tag – Um 8 Uhr weckt man uns mit Musik. Das Zimmer ist für unsere Maßstäbe 5 Sterne, wenn auch klein. Ein getöntes Panoramafenster nimmt die gesamte Breite des Zimmers ein. Doch beim Blick nach draußen offenbart sich der erste Schlechtwettertag, denn es ist bewölkt und regnet in Strömen. Ein Konzert von Schiffshörnern wird angestimmt, wenn ein Schiff den Hafen verlässt und so stehen wir regengeschützt und sehen wie wir an den Häusern der Stadt und den verschiedensten Arten und Größen von Frachtschiffen entlang gleiten.
Der Jangtse ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Chinas und wird nach Fertigstellung des Drei Schluchten Staudammes sicher noch an Bedeutung gewinnen. Spätestens ab 2009 werden auch Seiten- und Zuflüsse soweit geflutet sein, dass sie schiffbar sind.
Nicht zu übersehen ist die Bedeutung des Flusses, die er seit jeher für die Beseitigung von Müll und Abfällen hat. Immer wieder sieht man, Inseln ähnlich, treibenden Müll aus Plastik, Schuhen, Kisten, Brettern oder zerbeulten Fässern. Und auch die Ufer sind in der Nähe von größeren Ortschaften voll von Müll.
An Bord ist eine deutschsprechende Reiseleiterin die nach Yichan fährt, um dort eine Reisegruppe in Empfang zu nehmen. Sie nutzt diese Begegnung um ihr deutsch zu trainieren. Da wir in Yichan noch keine Unterkunft haben, helfen uns ihre Kenntnisse und sie bucht uns ein Hotel vor.
Lange geprägt von einem totalitären Einparteiensystem ist es auch heute noch schwer, von Chinesen eine ungeschönte Wahrheit zu erfahren. Bis vor wenigen Jahren war sogar Reiseführern noch das Gespräch mit Touristen verboten, sobald es über das Standardprogramm der Tour hinaus ging und nicht selten waren auch Mitarbeiter des chinesischen Sicherheitsdienstes anwesend. Man erfährt aber einiges, wenn man zwischen den Zeilen hört und das sieht, was die meisten nicht sehen wollen.
Das Essen hier auf dem Schiff ist mit kantonesischer und chinesischer Küche sehr reichhaltig. Wir sitzen mit einem Ehepaar aus Berlin am Tisch. Sie, „Ingh“, stammt aus Shanghai und lebt seit 16 Jahren in Berlin. Dies ist eine glückliche Fügung, die uns doch in jeder Situation vieles verstehen lässt, was im Reiseführer so nicht zu finden wäre.
Auch nach der „Teatime“, bei der wir schon Kekse für die nächste Zugfahrt sammeln, lässt der Regen nicht nach. Trotz allem machen wir mit „regenfester“ Kleidung, einem gelben Fähnchen folgend, mit 25 Japanern einen Ausflug zur „Ghost City“ in Fengdu. Viel interessanter war jedoch die Beladung der Schiffe in der Stadt.
Nur ein Mensch zog je einen riesigen beladenen Einachskarren durch den Schlamm des aufgeweichten Bodens hinunter zum Hafen und dann wieder hinauf.
Zurück auf dem Schiff sind wir völlig durchnässt und freuen uns schon auf die „Captains Welcome Party“ und das Dinner. Danach steigt auch noch eine „Dance Party“, bei der nur die Animateure, beruflichen Zwängen folgend, in Stimmung
9. Tag – Heute ist uns der Wettergott wieder gnädig, denn schon beim Wecken grüßt die Sonne durch das riesige Fenster.
Nach einem ausgiebigen Frühstück besuchen wir die Tempelanlage „Three Emperor City“, die nach der Flutung des Stausees auf einer Insel liegen wird. Den heute noch steilen Aufstieg zu den Tempeln kann man mit einer Seilbahn oder Senften bewältigen. Wir wählen den Fußweg, da der länger dauert und immer wieder neue Ausblicke auf die Schluchten des Flusses gewährt. Diese Tempelanlagen bieten das Bild, dass man als Tourist, der zum ersten mal China besucht, vielleicht im Kopf hat. Sauberkeit, Ruhe und Kultur wohin man tritt.
Zurück auf dem Schiff fahren wir in die ersten beiden Schluchten, „Qutan Gorge“ und „Wuxia Gorge“ ein. Bis zu 1400 m erheben sich die Felsen über der Wasseroberfläche. Kein Foto und kein Bericht kann diesen Eindruck wiedergeben. Hoch über dem Wasser sind noch heute die teilweise in den Fels geschlagenen Treidelpfade zu sehen. Von dort aus wurden bis in die fünfziger Jahre Schiffe an langen Seilen, mit Muskelkraft, den Fluss entlanggeschleppt. An einigen Stellen sind an Berghängen zwei Markierungen angebracht. Die eine zeigt den Wasserspiegel nach der ersten Staustufe 2004, die andere die der zweiten 2009. Über 180 m hoch werden die Wassermassen des Jangtse an der Staumauer aufgestaut.
Am Nachmittag machen wir eine Fahrt auf dem „Shenlong Stream“. Auf diesem Fluss werden die Boote mit Stangen vorwärts geschoben und streckenweise getreidelt. Die Boote fertigen die Bewohner dieser Gegend seit über 1000 Jahren nach der gleichen Methode aus Holz. Der Fluss, von dem nur ein Teilstück für Touristen befahren wird, führt in einen Nationalpark in dem die Bewohner ihre ursprüngliche Lebensweise bis heute bewahren konnten.
Eindruckvoll ist auch der Gesang, den die Bootsleute bei der Arbeit anstimmen. Die nur etwa 15 m breite Schlucht, in der die Felswände derart steil aufragen, dass sich ihr Gipfel dem Blick entzieht, hat eine ganz eigene Akustik. Unerreichbar hoch sind in den Felswänden Grabmulden geschlagen. Dort befinden sich Särge aus Baumstämmen. Man rätselt bis heute, wie die Toten und ihre Beigaben dort hingelangt sind.
Das Wasser ist glasklar und so flach, dass man Steine mit schöner Zeichnung aus dem Boot heraus sammeln kann. Auch hier werden zwischen 2004 und 2009 die Fluten des Jangtse eine radikale Änderung der Lebensumstände nicht nur für die Menschen herbeiführen.
10. Tag – Um 6 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang, fährt das schwimmende Hotel in die dritte Schlucht „Xiling Gorge“ ein. Selbstverständlich stehen wir bei morgendlich kaltem Wind an Deck, um dieses Schauspiel im Bild festzuhalten.
Nach dem Frühstück beginnt der letzte Teil der Flussfahrt. Das Schiff passiert die Baustelle des „Drei Schluchten“ Staudammes. Nach Fertigstellung wird er 2 km breit und 185 m hoch sein. Wenn es dort nicht regnet, werden 15 Tonnen Staub pro Tag durch die Arbeiten produziert. Der Bau des Staudamms begann 1994 und endet 2009. 800.000 bis 1,3 Mio. Menschen müssen durch das Projekt umgesiedelt werden. Entschädigungspläne gibt es nicht, dafür aber Pläne zur Niederschlagung von Protesten gegen die Vorgehensweise beim Umsiedeln. 1200 historische Tempelanlagen gibt es in diesem Gebiet und viele werden vernichtet.
Nach dem Staudamm ist die Landschaft nicht mehr ganz so spektakulär. Die Hänge am Fluss sind zu beiden Seiten nicht mehr so hoch und steil, so das sie dicht bewaldet sind. Noch eine Stunde können wir den touristischen Komfort auf dem Schiff genießen, bevor uns die Realität im Hafen von Yichan einholt.
Nach der großen Verabschiedung fahren wir mit dem Taxi zum Hotel. Wir schauen uns ein wenig in der Stadt um, wobei man aber sagen muss: Hat man eine chinesische Stadt gesehen, hat man alle gesehen. Beton, Asphalt und Müll wohin man blickt. Auch hier ist es wieder Mc Donalds, der uns bewirtet. Ausgehungert schaffen wir sogar zwei Menüs. Mc Donalds ist nicht nur dort, wo es eröffnet, für die Menschen eine Attraktion. Auch Verkehrspolizisten, die auf ihren Podesten versuchen den Verkehr zu regeln, schützen sich vor der Sonne mit einem großen Mc Donalds Sonnenschirm.
Hier in Yichan wurde erst vor kurzem ein neuer Platz gestaltet. Zusammen mit vielen neuen privaten Geschäften ist er die Attraktion des Ortes. Auf den gepflasterten, von Blumenrabatten und Palmen gesäumten Wegen, treiben besonders ältere Menschen Sport.
Am Abend versammeln sich hunderte Menschen um den Springbrummen, der illuminierte Wasserspiele zeigt und nicht nur Kinder geraten dabei in völlige Ekstase. Für uns übersättigte Europäer ist dies lediglich der Ort, an dem man dem Lärm und Gestank der Straßen für einige Zeit entkommen kann, bevor wir uns im Hotel für einige Stunden schlafen legen.
11. Tag – Die Nacht endet um 2.00 Uhr, denn wir müssen weiter zum nächsten Zug. Am Bahnhof gilt es, in der Dunkelheit der Nacht, dass unbeschreiblich rabiate Gedränge an der Fahrkartenkontrolle abermals durchzustehen.
Diesmal haben wir ein Abteil in einem überraschend sauberen „Softsleeper“, den wir wieder mit zwei Chinesen teilen. Während der Zug durch den kühlen und sonnigen Morgen fährt, zieht vor dem Fenster eine Landschaft vorbei, die an Oberösterreich erinnert. Ortschaften, deren Häuser ganz aus mit Schnitzereien verziertem Holz bestehen, werden von bewaldeten Bergen gesäumt. Hier und dort bestellen Bauern mit Ochsen oder Büffeln die Felder wie vor hundert Jahren. Man möchte aussteigen und bleiben, um dieses Bild in sich aufzusaugen, bevor es ebenfalls vom Fortschritt gefressen wird. Doch unaufhaltsam zieht die stählerne Schlange über die Gleise dem Ziel entgegen.
Mit nur 15 min Verspätung kommt der Zug in Liuzhou an und wieder bleiben uns nur wenige Nachtstunden, bis wir den Anschlusszug nach Yingchengyang besteigen müssen. Diese, mit vier Stunden recht kurze Fahrt, bewältigen wir im „Hardseater“. Es ist ein „Bummelzug“, der an jedem Dorf hält und völlig überfüllt ist. Hier fahren auch die Säcke mit Saatgut, Hühner, die zu zehn Stück in Netze verpackt sind, und auch mal ein Schwein mit. Einer der Bahnangestellten hat jedoch Erbarmen mit uns und besorgt uns Plätze in einem scheinbar reservierten, fast leeren Wagon.
Hier im Süden Chinas fährt der Zug durch die berühmte Landschaft aus Karstfelsen und Flüssen. Die Felsen, die oft wie ein Zuckerhut aussehen, sind Ablagerungen von Muschelkalk aus der Zeit, als diese Gegend noch von den Wassermassen der urzeitlichen Meere bedeckt war. Unüblich für diese Jahreszeit, in der es normalerweise ganztägig bedeckt und diesig ist, ist der Sonnenschein, der uns bei der Ankunft in Yingchengyang, welches auch als Hechi bekannt ist, empfängt. In dieser Stadt, sowie der gesamten Gegend, gibt es private Eisenbahnen, die meist zu Kohleminen gehören. Diese privaten Eisenbahnen führen Güter- sowie Personenverkehr, ausschließlich mit gebrauchen, von der Staatsbahn angekauften Dampflokomotiven durch. Hierbei sei aber erwähnt, dass in China bis 1992 noch Dampflokomotiven gebaut wurden. Die heute noch im Einsatz stehenden Exemplare sind selten älter als zwanzig Jahre.
Bis zur Olympiade 2008 in China wird aber auch dieses Kapitel der Eisenbahn Geschichte sein. Doch auch zu Beginn des neuen Jahrtausends, kann man die Eisenbahner bei der schweren Arbeit mit dieser alten Technik beobachten. Bis zu zehn Dampflokomotiven sind auf der nur 50 km langen Strecke im täglichen Einsatz. Von zwei Minen wird fast ausschließlich Kohle abgefahren. Die schnelle wirtschaftliche Entwicklung bringt auch in Südchina einen sprunghaften Anstieg des Kohleverbrauchs mit sich, obwohl hier das Heizen verboten ist.
Die Stadt Hechi wird, außer von Fans der Dampflokomotiven, nicht von westlichen Touristen besucht und so sind wir hier die einzigen „Langnasen“ und auch nicht selten die Attraktion.
Die wenigen Hotels der Stadt bieten nur wenig Komfort und noch weniger Essen. Nachdem wir festgestellt haben, dass man den Koch nur wegen uns weckt und wir die einzigen Gäste im hoteleigenen „Great Western Barbecue“ Restaurant sind, ziehen wir es doch vor, außerhalb Abendessen zu gehen.
Vor unserem Hotel ist ein Geschäft, welches an eine Tierhandlung erinnert. In großen Schaufenstern, durch welche die Sonne wie durch eine Lupe scheint, vegetieren Tiere in Terrarien, sowie Fische und Schildkröten in fast leeren Aquarien dahin. Die Fische sind schon halb tot und die Nagetiere liegen regungslos in ihren schattenlosen Käfigen auf der Seite. Dies wollen wir uns näher ansehen und so gehen wir hinein. Man begrüßt uns sehr freundlich und führt uns herum. In einem separaten Raum stehen diverse Käfige übereinander, welche nicht größer sind als 50 mal 50 cm. Zahllose Sing- und Greifvögel fristen hier ihr Dasein. Nebenan gibt es ein Restaurant. Als man uns auffordert, ein Tier auszusuchen, wird uns klar worum es sich handelt.
Wir sind in Südchina und dies hier ist ein Spezialitätenrestaurant, in dem man gegen entsprechende Bezahlung auch die letzten Exemplare einer geschützten Tierart essen kann. Sicher gilt es Sitten, und Gebräuche in anderen Ländern zu respektieren, doch dies gilt für uns hier nur beschränkt. Wir kaufen eines der Nagetiere für 70 Yen und lassen es außerhalb der Stadt frei.
Auf dem Bahnhof gibt es Händler, die Singvögel verkaufen. Der Brauch ist der, dass man einen Vogel kauft und ihn dann freilässt. Dies soll Glück bringen. Doch wozu hat man dann den Vögeln die Flügel gestutzt? Wir kaufen einen, um ihn freizulassen, bevor wir einen anderen stehlen um auch ihm wenigstens für einige Zeit die Freiheit zu schenken und danach den Käfig zu zerstören.
Auf dem Weg durch die Stadt sehen wir einen Mann, der einen Hund in einem Sack trägt. Es ist hier üblich, den Hund später an den Beinen aufzuhängen, um ihn dann mit Stöcken totzuschlagen, bevor er zum Abendessen zubereitet wird. Ungeachtet dieser Tatsachen essen wir am Abend in einer großen Garküche an der Straße. Nach kurzer Zeit kennt man uns dort und in Anbetracht unserer mangelnden Kommunikationsfähigkeit dürfen wir selbst an die Töpfe und uns nehmen was uns schmeckt. Auf diese Art kann man ein genießbares Abendessen für zwei Personen für nur 1,20 Euro inklusive Getränke zusammenstellen.
12.-14. Tag – Bemerkenswert ist in diesem Hotel das Frühstück. Wir bekommen einen separaten Raum, der mit Sperrmüll der siebziger Jahre möbliert zu sein scheint. Serviert wird eine Coladose mit Strohhalm und schwarzer Tee. Dazu gibt es kalte Pommes ohne Salz auf einem Unterteller sowie die wundersamen blassen Knödel, deren Füllung nicht zu definieren ist. Die sehr freundliche Bedienung bringt auch süße Brötchen und Rührei mit Zucker. Die Ananas ist warm und wurde sicher mit dem Fleischmesser geschnitten, denn danach schmeckt es. Es bleibt also fast nur die Wahl zwischen Apfel mit Made oder Gurke.
Da sich auf Grund der katastrophalen Straßenverhältnisse fast alle Taxifahrer weigern, das Stadtgebiet zu verlassen, haben wir Fahrräder gemietet. Doch eines der Räder hat schon vor dem Verlassen der Stadt eine Reifenpanne und bei dem anderen fällt erst der Hebel der Gangschaltung und später auch die Bremse ab.
Auch die Versuche, am nächsten Morgen mit dem Mechaniker des Hotels aus zwei Rädern eins zu machen, bringen nicht wirklich viel. Von der Fahrradfahrernation China hätten wir doch mehr erwartet.
So sind wir also viel zu Fuß unterwegs, laufen wenn möglich im Schatten der wenigen Bäume und kaufen in jeder Siedlung durch die wir kommen Getränke.
Oft bekommen wir Stühle angeboten und können dort verweilen. So kommen wir in den Genuss wenigstens optisch Einblicke in ein unverfälschtes Dorfleben Chinas zu haben.
Die eigentliche Attraktion stellen jedoch wir dar. Mit einer Körpergröße von 1,86m und 1,92m löst man zumindest in Südchina großes Erstaunen aus. So kommt es, dass sich immer mehr Menschen um uns versammeln. Offensichtlich wird auch, dass die „Ein Kind Familie“ in den ländlichen Regionen nicht durchzusetzen ist. Etwa eine dreiviertel Stunde später, nachdem sich circa zwanzig Menschen, von denen ungefähr zehn nicht älter als sechs Jahre sind, uns offen bestaunen und sich über uns unterhalten und lachen, ziehen wir weiter.
Am Tag erreichen die Temperaturen die vierzig Grad Marke und wir versuchen mit Lastern zu trampen. So kommen wir einige Male zu dem Vergnügen, mit Kleinlastern zu fahren, die weder Federung, Lampen, Türen oder eine Motorhaube haben. Diese dienen normalerweise dem Transport von Muschelkalk, der hier abgebaut wird. So kann es schon mal vorkommen, dass in unmittelbarer Nähe an einem der Karstfelsen gesprengt wird. Stück für Stück nagt man an ihnen solange, bis einer nach dem anderen aus dem Landschaftsbild verschwunden ist.
An anderen Felsen sind bis zum Gipfel lange Betonröhren gebaut worden, welche Fabriken oder Kraftwerken als Schornstein dienen. Viele der rußgeschwärzten Fabriken scheinen ohnehin nur Ruß und Qualm zu produzieren, der je nach Windrichtung dort hingetragen wird, wo er sogleich einen Reizhusten auslöst.
Um die Mittagszeit, wenn es auch den Einheimischen für die Feldarbeit zu heiß wird, ziehen sie mit ihren Büffeln zurück zu ihren Höfen. Beim fotografieren einer solchen Gruppe, die gerade die Gleise überquerte, kam es vor, dass der Büffel sich angesichts unserer Anwesenheit weigerte weiterzugehen. Energisch von seiner Besitzerin angetrieben, riss dieser sich los, nicht ohne sie zu Fall zu bringen und galoppierte quer durch eins der mühselig angelegten Reisfelder. Zumindest für Wasserbüffel war unser doch fremdes Aussehen zutiefst beunruhigend und angsteinflößend.
15. Tag – Vor dem Frühstück ersteigen wir die 540 Stufen zu einem Tempelberg, der dem Hotel gegenüberliegt. Hat man es geschafft, bleibt man lange gesund. Auf jeden Fall kann man den Sonnenaufgang sehen und hat einen schönen Blick über die Stadt und die umliegenden Berge.
Unten auf einem großen Platz finden sich schon um 6.00 Uhr Chinesen einzeln oder in Gruppen ein, die ihr Tagewerk mit Sport beginnen. Es wird Tennis neben Gymnastik und Schattenboxen ausgeübt. Es hat den Anschein, als seien Chinesen, was Sport angeht viel aktiver als wir.
Danach gehen wir zum Konditor, denn nachdem wir beim Frühstück alle Speisen, die uns nicht schmecken, probiert haben, versorgen wir uns lieber selbst. Der Bäcker bietet wenigstens einige Dinge, die genießbar und haltbar sind.
Hier in einer überschaubaren Stadt ist das Gedränge am Bahnhof nicht so schlimm wie gewohnt. Der Zug, für den wir Fahrkarten haben, hat 18 Wagen. Er ist total überfüllt, so dass wir nicht hineinkommen. Eine Studentin, die im Hotel jobbt und die wir durch ihre guten Englischkenntnisse kennen gelernt haben, ist zum Bahnhof gekommen, um uns zu verabschieden. Dies ist unser Glück, denn ihr allein haben wir es zu verdanken, dass wir noch in den Zug hineingelassen werden. So ist der verschmutzte Stahlboden zwischen zwei Wagons, gleich neben der Toilette, unser Quartier für die nächsten sechs ½ Stunden.
Zum Mittag gießen wir uns aus dem Heißwasserkessel, den jeder Wagen hat, zwei große scharfe Nudelsuppen im Styroporbecher auf. Dazu gibt es wahlweise Cola oder Bier und spätestens jetzt sehen wir nicht mehr wie Urlauber aus.
Entschädigt werden wir in Guilin durch das „Guilin Plaza Hotel“, welches das beste ist, dass wir bisher hatten. Das Gebiet um Guilin ist durch die Karstfelsen, die den Fluss Lijang säumen, eine der berühmtesten Landschaften in China und gehört zum Programm fast jeder Pauschalreise. Es bedeutet natürlich auch, dass hier das Preisniveau um ein vielfaches höher ist, als in anderen Landesteilen. Das Abendessen im Hotel kostet hier für zwei Personen 22 Euro und die Fahrt auf dem Lijang, die wir im Hotel gebucht haben, kostete pro Person 75 Euro.
16. Tag – Um 7.00 Uhr sitzen wir beim Frühstück, denn um 8.30 Uhr fährt der Bus vom Hotel ab, welcher uns zum Hafen bringt. Es ist sehr zeitaufwendig, ohne Kenntnisse der Örtlichkeiten, eine Flussfahrt auf eigene Faust zu organisieren. Um zu dem Landschaftsklischee zu kommen, dass man sehen will, muss man zunächst eine Stunde aus der Stadt herausfahren. Da hier alles auf organisierte Touren ausgerichtet ist, wird es selbst wenn man den richtigen Ausgangspunkt findet, schwer fallen ein Boot zu organisieren.
So fahren wir also auf einem stählernen Schiff durch die Hitze der Sonne und bestaunen die pittoreske Landschaft, die seit Jahrtausenden chinesische Dichter und Maler inspiriert.
Ein Großteil der Zeit dieser Fahrt entfällt nicht auf den Fluss, sondern auf das Rahmenprogramm. In diesem Teil wird nicht nur eine vielleicht interessante Höhle besucht, sondern auch Highlights, wie eine kleine Stadt, die ausschließlich von der Herstellung und dem Verkauf von Andenken lebt. Hier ist es nicht zu übersehen, dass die Menschen selbst nach unseren Maßstäben sehr wohlhabend sind. Da der Fluss je nach Tour nur in einer Richtung befahren wird, dauert die Rückfahrt zwei Stunden. Dies liegt jedoch auch daran, dass der Busfahrer uns sämtliche Baustellen der Stadt zeigt, um nach langem Gerüttel über halbfertige Straßen, am „China Pearl Center“ zu halten, wo wir einen weiteren Stopp einlegen. Hier kann man unter anderem einen Drachen aus Perlen für 7,5 Mio. Yen kaufen was etwa 1,5 Mio. Euro entspricht. Da der Marktpreis für Perlen auch nicht mehr das hergibt, was zum wirtschaftlichen Betreiben der Perlenfarmen notwendig ist, müssen nun die Touristen mit ihrem locker sitzenden Geldbeutel herhalten. Wir nehmen an diesem Besuch nicht teil, sondern interessieren uns für die nähere Umgebung und fotografieren Katzen.
17. Tag – Heute ist unser letzter Tag in Guilin und wir nutzen ihn für eine ausgedehnte Stadtbesichtigung zu Fuß. Zuerst besichtigen wir den Berg, welcher die Form eines trinkenden Elefanten hat. Um den Berg herum ist ein Park mit vielen tropischen Pflanzen und Palmen angelegt. Hier stellt der Park einen starken Kontrast zum Rest der Stadt dar. Während in den grauen Schluchten der Straßen tausende Autos, Lastwagen, Busse und noch einmal soviel Mopeds bis tief in die Nacht hinein auf halbfertigen Straßen Baustellen umfahren, fliegende Händler lautstark ihre Waren anpreisen, während daneben Presslufthämmer rattern, ist ein Park fast immer eine Oase der Ruhe. Doch schon wenige Meter weiter, am Ufer des Lijang inmitten von Guilin, werden die Abfälle einfach in den Fluss geschüttet. Dieser ist aber nicht nur eine der Säulen des Tourismus, sondern auch Nahrungsmittellieferant. Das hier jegliches Bewusstsein für diese Problematiken fehlt, wird spätestens dann klar, wenn man am anderen Ufer Kinder baden sieht.
Die Kombination aus mangelndem Umweltbewusstsein und schnell wachsenden Wohlstand wird hier mit Sicherheit zu einem sprunghaften Anstieg von Krankheiten führen und auch dem Ökosystem irreparable Schäden zufügen. Die daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Schäden, können sich die wenigsten vorstellen.
Ein weiteres Problem ist die Arbeitslosigkeit, die nur sehr ungern zugegeben wird und deren Quote offiziell bei 20% liegt. Doch fast überall sieht man junge Menschen, die stundenlang in Gruppen unter einem Baum sitzen und wie unter Drogen auf ein und denselben Fleck starren oder besonders ältere Menschen, die betteln. Vor einigen Jahren war auch dies noch nicht zu beobachten.
Unser Problem ist die Hitze, denn bei schwülwarmen 36° C den ganzen Tag durch die staubige Stadt ziehen, zerrt an den Kräften. So flüchten wir in das City Center, wo viele Geschäfte und natürlich auch Mc Donalds mit einer kräftigen Klimaanlage locken. Etwas gestärkt und erfrischt sehen wir uns den Prinzenpalast der Mingh an.
Auf der Fahrt zum Flughafen wird einmal mehr deutlich, dass sich China seit Jahren im permanenten Umbau befindet. Unser Hotel ist umgeben von zum Teil halbfertigen grauen Betonburgen. Betonwälle trennen die neuen breiten Straßen von schmalen Gehsteigen. Städte, die für Autos gebaut werden. Den Fußgängern gönnt man in der Innenstadt kleine Passagen. Eine Passage, die wir in Guilin besucht haben, ist architektonisch bis ins Detail sehr aufwendig gestaltet, so dass man sich an europäische Städte erinnert. Doch sie war gespenstisch leer. Zu Fuß gehen ist eben kein Statussymbol. Überall wird die Straße aufgerissen, um die Lebensadern der Stadt zu erneuern. Oft ist die Straße nur eine Sandpiste und das Taxi sucht sich seinen Weg, durch eine Wolke aus Staub.
Nun sitzen wir auf dem Flughafen. Wir verlassen China nicht, fliegen jedoch in eine völlig andere Welt. „Dragon Air“ bringt uns nach Hongkong. Seit 1997 ist Hongkong Sonderverwaltungsregion Chinas mit einer Fläche von 1071 km² und 6,7Mill. Einwohnern. Wir hoffen jedoch, noch etwas von dem „British Flair“ zu spüren.
Faszinierend ist schon die hochmoderne U-Bahn, mit der man nach Kowloon fahren kann. Der Bahnsteig ist hier durch eine Glaswand vom Gleiskörper getrennt und erst wenn der Zug in die Station eingefahren ist, öffnen sich Schiebetüren zum Zug.
Mit unserem Gepäck wählen wir, angesichts der mangelnden Ortskenntnisse und der späten Stunde, dass Taxi. Dies kostet, obwohl es anders ausgehandelt war, 75 Euro, was am Zielort einen heftigen Streit auslöst. Taxifahren kann in Asien schnell zu einem unerfreulichen und teuren Erlebnis werden.
18. Tag – Nach dem Schock des hohen Taxipreises folgt am Morgen der Nächste. Es war unmöglich, in Hongkong ein Hotel mit Frühstück zu buchen. Nun müssen wir feststellen, dass die Teilnahme am Frühstücksbüfett pro Person 15 Euro kostet. Das ist weit mehr, als wir bereit sind auszugeben und so beschließen wir, während eines Stadtbummels irgendwo etwas preiswertes zu besorgen. Verlässt man zu dieser Jahreszeit ein klimatisiertes Gebäude, so überwindet man einen Temperaturunterschied von circa 20° C. Dazu kommt eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und die Abgase der Autos, welche in Hongkong durch strengere Vorschriften der ehemals britischen Verwaltung nicht so schlimm sind wie in China.
Für die erste Fahrt von Kowloon nach Hongkong Island nutzen wir eine der modernen und klimatisierten Turbofähren. Am Hafen bestaunen wir das Einkaufszentrum, welches auf vier Etagen etwa eine Gesamtfläche von 3 Quadratkilometern hat. Geschäfte von „Prada“, „Bvlgari“, „Gucci“ und „Chanel“ sind nicht nur hier, sondern in ganz Hongkong so selbstverständlich, wie bei uns „Aldi“ oder „Karstadt“. Auch im Straßenbild fällt es schwer, Kleinwagen auszumachen. Die gehobenen Mittelklassen oder Luxusklassen bestimmen das Straßenbild. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es hier keine Schattenseiten gibt.
Erst seit kurzem versucht man die Wohnverhältnisse in den Wohnblöcken, in denen die ärmeren Schichten und meist ältere Menschen in 15 Quadratmeter Wohnungen ihr Dasein fristen, zu verbessern. Abseits der repräsentativen Straßenfronten findet man auch heute noch allerorts verrottete, dunkelgraue Hochhäuser, die nur durch vier Meter breite Gassen getrennt sind. Leicht kann man erahnen, wie es sich in solchen Häusern lebt. Auf Grund des begrenzten Platzes und der extrem hohen Grundstückspreise auf Hongkong Island, sind auch die Gehsteige höchstens zwei Meter breit. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Ladenbesitzer ihre Waren oder mobile Händler ihre Stände auf dem Gehsteig aufgebaut haben, so das es unmöglich ist, in diesem Menschengewühl ohne Rempeleien voran zu kommen.
Hongkong Island verfügt aber über ein bemerkenswertes Verkehrsmittel. Eine seit 1904 mit den gleichen Fahrzeugen betriebene Doppelstockstraßenbahn, die den nördlichen Bereich der Insel erschließt. Lange muss man nie warten. Etwa alle ein bis fünf Minuten kommt ein solches Unikum. Oft fahren die gut besetzten Wagen dicht hintereinander und es ist ein Vergnügen im oberen Deck aus dem Fenster zu sehen und das Treiben in den Straßen aus dieser Perspektive zu beobachten.
Ergänzt wird dieses Verkehrsmittel von Bussen, welche die gesamte Insel befahren. Einmal waren in einer Straße acht Busse, mehrere Straßenbahnen und Taxis hintereinander zu beobachten, so das ein Auto, zumindest in Hongkong, wohl nur als Statussymbol Sinn macht. Zusätzlich zu Bussen, Straßenbahnen und Taxis gibt es auch viele Fähren, für ganz eilige Hubschraubertaxis und die „Cable Tram“, eine Standseilbahn zum „Victoria Peak“.
Inmitten von Hongkong, mit seinen beeindruckenden Wolkenkratzern, befindet sich der „Hongkong Park“. Auch wenn der Verkehrslärm bis hierher dringt, ist auch dieser die Oase, die man benötigt, um diese Stadt auf Dauer zu ertragen. Angelegt wurde er von der englischen Verwaltung unmittelbar nach der Besetzung der Insel. Der Besuch des Parks ist heute wie damals kostenfrei. Im Park befindet sich ein großes, im neoklassizistischen Stil errichtetes Gebäude von 1846, in dem der englische Militärkommandant seinen Sitz hatte. In dem sogenannten Flagstaffhouse, befindet sich heute das Museum of Teaware. Das Gelände des Parks ist der ursprünglichen Natur der Insel nachempfunden. Hier befindet sich ein großer Wasserfall, begehbare Höhlen, mehrere Seen und Flüsse mit Pelikanen, verschiedenste Entenarten, Schwänen, Schildkröten und Schlangen. Eine gigantische begehbare Vogelvoliere beherbergt eine dem Regenwald sehr ähnliche Landschaft am Hang eines Felsens. Auch außerhalb des Parks sind einige Straßen von großen Bäumen mit Brettwurzeln gesäumt, in denen man Sittiche und Streifenhörnchen beobachten kann. Etwas seltsam mutet es an, durch die Bäume die gläsernen Türme der Banken und multinationalen Konzerne zu sehen.
Für die Rückfahrt nach Kowloon nutzen wir eine der Fähren, die seit 1889 optisch unverändert das Festland mit Hongkong Island verbinden. In den Fähren, in denen zwei Decks übereinanderliegen, befand sich im Oberdeck die Erste und im Unterdeck die zweite Klasse. Heute gibt es diese Trennung nicht mehr. Auch wurden die Dampfmaschinen durch Dieselmotoren ersetzt und manchmal hat man das Glück, wenn zwei Fähren zugleich ablegen, bei einem Wettrennen dabei zu sein.
In der Sonderverwaltungszone Hongkong sind auch heute noch die Steuern und Abgaben sowie die Gesundheitsversorgung sehr niedrig. Die Lebenshaltungskosten, wie Mieten, die Kosten für eigene Fahrzeuge und Lebensmittel, dagegen sehr hoch. Mahlzeiten in Restaurants sind fast unerschwinglich. So kostet zum Beispiel eine einfache Pizza für eine Person in einem Mittelklasserestaurant 15 Euro. Dies bewegt uns dazu, nach Alternativen zu suchen. So finden wir eine einfache „take away“ Pizzeria im Stil der Sechziger, in der wir für 2,50 Euro allabendlich ein leckeres Stück Pizza bekommen.
Wenn am Abend die Temperaturen die 30° C Marke unterschritten haben, kann man am Hafen flanieren und auch einen Einblick in die Wirtschaftsbereiche der Kreuzfahrtschiffe bekommen. Dort versuchen auch junge Leute für irgendeinen Job auf einem der Schiffe anzuheuern.
Gleich daneben liegt ein amerikanisches Kriegsschiff, welches an einem Manöver vor Taiwan teilnahm. Jeder der Lust darauf hat kann es besichtigen. Dies ist in Anbetracht der andauernden Streitigkeiten zwischen Amerika, Taiwan und China um den zukünftigen Status dieser Insel, eine notwendige Geste.
Zum Tagesabschluss sitzen wir am Pier und schauen lange auf die hell und bunt erleuchtete Skyline von Hongkong Island.
Tag 19 – Da wir viele der Sehenswürdigkeiten schon am ersten Tag gesehen haben, verbringen wir den Vormittag am Hotelpool. Am Nachmittag fahren wir zum südlichen Ende der Insel Hongkong, nach Aberdeen.
Aberdeen war noch bis vor zwanzig Jahren ein Fischerdorf. Heute wohnen dort, abseits der Metropole, überwiegend Besserverdienende. Doch es gibt nur wenige Villen und Einfamilienhäuser. Geprägt wird das Stadtbild von Hochhäusern, um das knappe und teure Bauland besser zu nutzen. In dem großen und ausgedehnten Hafen, wo Fischerboote neben Yachten liegen, machen wir mit einer Dschunke eine Hafenrundfahrt.
Nachdem wir dann mit dem Doppeldeckerbus zurück nach „Central“ gefahren sind, suchen wir fast eine Stunde die Talstation der „Cable Car“, mit der wir dann hinauf zum „Victoria Peak“ fahren. Der „Victoria Peak“ ist wohl der schönste und beste Aussichtspunkt in Hongkong. Von hier hat man einen weiten Blick über die Insel, sowie auf das Festland mit dem Bezirk „Kowloon“. Hier oben genießen wir auf einer Restaurantterrasse den Sonnenuntergang und bleiben bis die gesamte Stadt nur noch ein Meer aus Lichtern ist.
Mit der vollbesetzten letzten Bahn fahren wir dann wieder hinunter und mit der Fähre zurück nach Kowloon. Es ist nicht einfach in einem dicht bebauten Stadtviertel wie Kowloon einen bestimmten Punkt wiederzufinden. So benötigen wir eine Stunde, bis wir endlich zu unserem Stück Pizza kommen. Das Essen nicht mehr gewöhnt, liegen wir satt um 22.15 im Bett.
Es sind auch jetzt noch 31°C und 67 % Luftfeuchtigkeit und zum Glück weiß man nie wirklich, wie heiß es am Tage in den Straßenschluchten ist. Man würde sonst wahrscheinlich versuchen seine klimatisierten Zonen gar nicht erst zu verlassen.
20. Tag – Vor dem Frühstück steht heute ein Ausflug zum Bahnhof der „MTR“ Station auf dem Plan. Dabei wird wieder deutlich, wie entscheidend Platzmangel und Sicherheitsanforderungen die Stadtplanungen bestimmen. Vom ursprünglichen Bahnhof existiert nur noch der Uhrenturm. Oberirdisch ist ein neues Empfangsgebäude errichtet worden, doch alle Bahnanlagen und Bahnsteige verlaufen unterirdisch. Auf den kurzen Abschnitten, wo die Bahn im Stadtgebiet oberirdisch verläuft, ist sie drei Meter hoch eingezäunt.
Nach dem Frühstück entspannen wir wieder am Pool und erst am Nachmittag gehen wir etwas durch die Stadt. Bevor wir am Abend wieder Pizza essen gehen, machen wir einige Nachtaufnahmen von den markanten, mit bunter Leuchtreklame illuminierten Straßenschluchten in Kowloon.
Nach dem Essen, auf dem Weg zurück zum Hotel, passiert es wieder einmal, dass wir uns 1 ½ Stunden verlaufen, bevor wir das Hotel finden.
21. Tag – Nun müssen wir unsere Sachen packen, denn drei Wochen Urlaub gehen zu Ende. Es ist aber noch genügend Zeit, um mit der rustikalen Fähre nach Hongkong Island, eine Runde mit der einzigartigen Doppeldeckerstraßenbahn zu fahren und dem Park einen letzten Besuch abzustatten.
Da unser Flugzeug erst um 23.58 Uhr startet, haben wir genügend Zeit noch einmal von der Pier auf das abendliche Hongkong zu schauern, bevor uns ein Taxi zum Flughafen bringt. Am Fenster des Taxis rauschen die Lichter einer unvergleichlichen Stadt vorbei, die unter der chinesischen Regierung noch hoffentlich lange ihren Charakter bewahrt.
Die Triebwerke heulen auf – „take off“ – in 12 Stunden hat uns unsere eigene Realität wieder. Doch die Erinnerungen bleiben.
Fazit
Ich bin glücklich, besonders als Student mit beschränkten finanziellen Mitteln, es geschafft zu haben, mir diesen Reisetraum zu erfüllen und dies vor dem Hintergrund, dass China für einige Jahre auf Grund von SARS nur schwer oder gar nicht zu bereisen sein wird.
Diese Art zu reisen, sich nicht Pauschalreisen anzuschließen, lässt nicht zuletzt die Menschen vor Ort wirtschaftlich am Tourismus teilhaben, sondern man bekommt auch Einblicke die Anderen vielleicht verwehrt bleiben.
Man muss selbstverständlich auch bereit sein unangenehmes, wie zum Beispiel Zugfahrten in verdreckten und überfüllten Zügen in Kauf zu nehmen, die besonders Frauen nicht positiv im Gedächtnis bleiben.
Entschädigt wird man aber mit Erlebnissen wie in Simathai, einem Ort wo die chinesische Mauer noch nicht von Touristen überrannt worden ist, und wo man nicht auf jedem Meter zum Kauf von Andenken aufgefordert wird.
Die Koffer haben wir auch so randvoll mit Souvenirs gefüllt. Nur eben nicht mit „Touristentrash“, sondern mit Dingen, die wir selbst ausgesucht haben, die unseren Vorstellungen entsprechen und die einen wirklichen ideellen Wert darstellen.
Der negative Eindruck, der sicher für immer haften bleibt, ist der rücksichtslose Umgang mit der Umwelt in China. Beginnend bei der Gewohnheit, dass Chinesen überall wo sie laufen und stehen, hinspucken, über den allgegenwärtigen Müll bis hin zu dem nicht nachvollziehbaren Umgang mit Tieren, vor allem in Südchina.
Sehr beeindruckt waren wir von der großartigen Landschaft und den einzigartigen Kulturschätzen in China. Zudem wollen wir es nicht unerwähnt lassen, dass wir überall wo wir hinkamen, auf nette und hilfsbereite Menschen gestoßen sind.
Quellen
Unser Reisetagebuch
Aussagen der Reiseleiterin
Statistisches Bundesamt Länderprofil VR China Ausgabe 2002(e)
Baedecker GmbH China 3.Auflage
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