Kuba – Castros Antillen-Reich
1492. An Bord seiner Caravelle „Santa Maria“ erblickt Christoph Columbus am 28. Oktober Land. In seinem Logbuch schreibt er von dem „schönsten Platz, den er je gesehen hat“.
Er entdeckt Kuba.
1995. Auf Cuba leben etwa 11,5 Mio. Einwohner, mehr als sechzig Prozent davon in Städten. Seit 1953 hat sich die Bevölkerung nahezu verdoppelt. Die größte Stadt ist Havanna mit 2,7 Millionen Einwohnern, die zweitgrößte ist Santiago de Cuba.
Kuba ist die größte der westindischen Inseln oder der Antillen unter dem die Inselkette besser bekannt ist. Kuba liegt ungefähr 140 Kilometer von den Florida Keys und 90 Kilometer von der Halbinsel Yucatán (Mexiko) entfernt. Die Ost – West – Ausdehnung beläuft sich auf ca. 1200 km. Die Gesamtfläche beträgt 114.524 Quadratkilometer.
Cuba kennt keine Kälte – zumindest nicht das, was wir Nordeuropäer darunter verstehen würden. Die Tagestemperaturen fallen nie unter zwanzig Grad. Im tropischen Sommer, zwischen Ende April und September, wird es selbst nachts kaum kühler und es fällt nur selten Niederschlag. Möchte man sich dann im karibischen Meer abkühlen wird man enttäuscht sein. Das Wasser hat die Temperatur der Luft angenommen. Die angenehmste Reisezeit ist meines Erachtens zwischen November und April.
Man wundert sich, wenn man bei „nur“ 26 Grad Lufttemperatur und „nur“ 24 Grad Wassertemperatur kaum Kubaner am Strand trifft, mal ausgenommen die jenigen, die gerne die Gesellschaft der Touristen geniessen um an deren finanziellen Möglichkeiten partizipieren zu können. Ansonsten hüllen sich die Kubaner zu der „kühlen“ Jahreszeit gerne in Pullover und Jacken.
Im tropischen Winter, zwischen Mai und Oktober ist die Regenwahrscheinlichkeit am höchsten. Im September und November kann zu Hurricanes kommen.
Die nationale Währung ist der kubanische Peso (CUP). Jedoch wird man von Touristen fast ausschliesslich US-Dollar verlangen. Auf dem Land jdoch, kann man in Kaffestuben oder Restaurants oft noch in Peso zahlen. Mit Kreditkarten kann man am Flughafen, bei Reiseunternehmen und in grösseren Hotels bezahlen. Mit Kreditkarten, die über amerikanische Banken ausgestellt sind (Diners, American Express, etc.) wird man kaum Erfolg haben. Gleiches gilt für Traveller-Schecks.
Die Kriminalität ist in Cuba ist zwar in den letzten Jahren angestiegen, dennoch ist sie vergleichsweise immer noch erfreulich gering. Und dies in Anbetracht der angespannten Versorgungslage. Seit der Revolution stehen auf Diebstahl drakonische Strafen. Hinzu kommt die starke Polizeipräsenz in den Ballungszentren. Selbstverständlich sollten man sein Eigentum (beispielsweise am Strand)
nie aus den Augen lassen, aber das machen wir ja schliesslich bei uns auch nicht anders. Westliche Markenkleidung lenkt natürlich neidische Blicke auf unser Haupt. In den Städten kann es schon mal vorkommen, dass man Fahrradfahrern begegnet, die einem im Vorbeifahren ein Basecap, eine Handtasche oder eine locker übergeworfene Jacke abziehen. Doch das wäre wohl ein zu verschmerzendes Übel. Es ist nicht so, dass die Menschen schlecht wären, nur zwingt sie die für uns unvorstellbare Armut besonders in den Städten dazu.
25.02.1995: Um 13:15 Uhr startet Flug CU 479 mit der IL 62 M der Cubana vom Flughafen Schönefeld. Zunächst wird Gran Canaria angeflogen. Hier wird die Maschine aufgetankt, da das Kerosin durch ein Handelsabkommen mit Spanien billiger ist als in Deutschland. Unmittelbar nach dem Auftanken, während dessen wir in der Maschine sitzen bleiben können, fliegen wir um 18:30 weiter Richtung Havanna.
Die Platzverhältnisse in der Iljuschin sind ganz und gar nicht für meine langen Beine gemacht und der Geräuschpegel liegt jenseits des messbaren. Zu allem Pech sitze ich auch noch hinten direkt an den Triebwerken. Nach einigen Stunden Flug wird es bitterkalt in der Maschine und mit einigen Decken versuche ich mich warm zu halten.
Bemerkenswerter Weise findet sich in der Bordzeitung ein Artikel über Zuckerrohrbahnen auf Cuba und über die elektrisch betriebene Hershey Bahn zwischen Mantanzas und Havanna.
Nach dreizehn Stunden Flug landet die Maschine auf dem Aeropuerto „Jose Marti“ in Havanna.
Zweieinhalb Stunden benötigt der Bus bis zu meiner Unterkunft auf der Halbinsel des Geldes, Punta Blanca, die mir bis zu diesem Moment nicht bekannt war.
Ich habe die günstigste Variante gewählt, und das war das Überraschungshotel für 1350 Mark mit Halbpension.
Um so überraschender und erfreulicher ist es, dass ich nicht in einer der Bettenburgen einquartiert werde, sondern auf dem Gelände der ehemaligen „Al Capone Villa“ in einer schönen Ferienanlage wohne.
In der nächstbesten Bar kippe ich noch ein Paar Cuba Libre und lege mich dann auf das Bett.
26.02.1995: Ich wache auf. Bin etwas desorientiert, denke es wird wohl schon Nachmittag sein. Fern jeder Vorstellung von Raum und Zeit stolpere ich aus dem Zimmer und durch die Anlage. Um 14:30 habe ich eine Verabredung mit der Reiseleiterin, wegen der Buchung eines Mietwagens. Als ich dort ankomme muss ich jedoch feststellen, dass es erst 9:00 Uhr am Morgen ist. Sehr gut, ich hatte schon befürchtet den ganzen Tag verschlafen zu haben. So gehe ich erstmal ausgiebig frühstücken.
Anschliessend sauge ich am Strand erstmal etwas Karibikflair auf, denn wenn alles klappt, wird dazu in den nächsten Wochen wenig Zeit sein. WOW, ich dachte so ein türkisblaues Meer gibt es nur auf Postkarten oder in Bildbänden. Nein das gibt es wirklich und stehe bis zum Hals drin.
Nach dem ich einige Pigmente erhascht habe und im Meer ordentlich sauber geworden bin, gehe ich für den Rest des Tages auf Erkundungstour.
Am meisten faszinierten mich heute die unzähligen alten Ami Schlitten. Wer glaubt, ein nahezu fünfzig Jahre altes Auto könne doch nicht mehr auf den Straßen unterwegs sein, der irrt gewaltig. Liebevoll pflegen die Besitzer eines solchen Ami-Schlittens ihr größtes Hab und Gut. Ersatzteile werden mit unglaublicher Kreativität und Einfallsreichtum aus Metallabfällen nachkonstruiert und auch der Lack an vielen diesen Edelkarossen erweckt den Eindruck, als wäre der Wagen kürzlich vom Band gelaufen. Ja, wer ein Auto besitzt, der ist jemand in Cuba. Und so unglaublich es klingt, so würde doch der eine oder andere Besitzer eines Cadillacs aus den Fünfzigern diesen gegen einen zehn Jahre alten Lada tauschen, denn für einen Cubaner, dessen durchschnittlicher Monatslohn bei etwas fünfzehn Dollar liegt, ist es aus nachvollziehbaren Gründen nicht einfach, einen Wagen zu unterhalten, der gut und gerne um die zwanzig Liter Benzin auf 100 Kilometer inhaliert. Zudem ist Benzin nicht gerade im Überfluss vorhanden.
Von der Reiseleiterin musste ich erfahren, dass die Mietwagen alle vermietet oder kaputt sind und auch meine eigenen Bemühungen um einen dieser Wagen laufen an diesem Nachmittag ins Leere.
Also weiter Urlaub machen.
Am Abend gehe ich am Hotel Bellamar etwas trinken. Herein gelassen werden aber nach einer Gesichtskontrolle nur Ausländer und Kubanerinnen, die nicht über fünfundzwanzig sein dürfen. Wie lange benötigt man um herauszufinden worum es ausser Longdrinks schlürfen in dieser Bar noch geht? Es fällt zumindest schwer an Liebe zu glauben, wenn man den angesoffenen Mittfünfziger mit schmuddeligem Grobrippshirt und die junge schlanke Kubanerin auf seinem Schoss sieht.
27.02.1995: Die Mahlzeiten in der kleinen Ferienanlage werden im Haupthaus der ehemaligen Villa Al Capones serviert und trotz der Lebensmittelknappheit auf Cuba bleiben hier nur selten Wünsche offen.Nach dem Frühstück mache ich mich wieder auf einen Mietwagen zu besorgen, nicht ahnend, dass ein zwölf Kilometer Marsch daraus werden wird. Um zehn Uhr bin ich total dehydriert. Da hilft es temporär ein Paar Dosen mexikanisches Bier zu leeren.
Leer gehen aber auch an diesem Tag meine Bemühungen um ein Auto aus. Einen klimatisierten Nissan für 71 Dollar pro Tag hätte das Reisebudget gesprengt. Ich hätte einen Peugot 106 bekommen können, der hätte aber mein Vorhaben nicht übrlebt, was im späteren Verlauf meiner Abhandlung sicher einleuchten wird. Ich sehe mich bei dreissig Grad im Schatten nicht in der Lage die zwölf Kilometer bis zu „Al“ zurück zu laufen und nehme einer der Kutschen, die in Varadero als Taxi unterwegs sind. Der Kutscher freut sich auch und erleichtert mich nach nur vier Kilometern um zehn Dollar. Im „Biergarten“ des BAVARIA Hotels komme ich mit einem Cubaner in Gespräch. So mit Händen, Füssen und drei Worten Spanisch. Ich erfahre aber, dass das Einkommen eines Cubaners im Schnitt bei 211 Peso liegt und das es an allem mangelt. Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Toilettepapier oder einfach nur Seife. Alles auf Zuteilung, auf den Schwarzmarkt oder eben gar nicht erhältlich. Die Gesellschaft beginnt sich in zwei Klassen zu teilen. Jene, welche vom Tourismus profitieren, Prostituierte oder Krimminelle und auf der anderen Seite die, welche ihr Leben legitim zu betreiten versuchen.
Die Mädchen in Varadero bieten ihre Dienste zum Preis von zehn bis zwanzig Dollar an. Wohlbemerkt für einen ganzen Tag!
Fast schon stolz erklärt er, dass einige der Mädchen erst vierzehn Jahre alt sind.
Während des Gesprächs werde ich immer wieder über den Zaum hin angebettelt, was die geschilderten Tatsachen eindrücklicher nicht unterstreichen könnte.
Ja, der mit dem ich hier ein paar Drinks hebe, ist mit grosser Sicherheit ein Zuhälter und entäuscht, dass ich nicht eines seiner Mädchen buche. Daher verliert er auch nach einiger Zeit das Interesse an mir und ich begebe mich wieder in die Ferienanlage und mach für den Rest des Tages das was Touristen tun. Vorher kaufe ich mir in einem Touristenshop eine Flasche Rum 0,7 Liter „7 anos“ für drei Dollar und eine Einliterflasche kubanische Cola für vier Dollar.
Das Abendessen ist wieder so reichhaltig und wohlschmeckend, dass man wirklich schon ein schlechtes Gewissen bekommt.
28.02.1995: So! Für heute hat mir Lázara Montes, die Reiseleiterin, ihr Dienstmofa geborgt und mir einen Zettel mit spanischen Anweisungen für das ITS Büro in die Hand gedrückt. Ich fahre nach dem Frühstück dort hin und siehe da, ab sofort bin ich stolzer Nutzer eines Suzuki SJ 410 mit Softtop zu Sonderkonditionen. So gleich belade ich ihn mit meinen Fotosachen und was man sonst so brauche könnte und verlasse Varadero.
Ab hier könnte es für den Einen oder Anderen langweilig werden, den was ich suche und besuche sind in der Hauptsache die Zuckerrohrbahnen Cubas.
Das erste Ziel ist das „Central Fructoso Rodrigez“ (Cental – die kubanische Bezeichnung der Zuckermühlen). Im Central angekommen, ist die Enttäuschung jedoch gross. Zumindest in dieser Erntesaison, Zafra genannt, ist die Mühle ausser Betrieb und auch die Lokomotiven mit der Nummer 1216, 1313, 1526 und 1809 stehen kalt auf dem Gelände herum.
Weiter geht es zum „Central Juan Avilia“. Der kleine Suzuki klappert und rasselt, das Getriebe jault und auch das Differenzialgetriebe spielt im Konzert der technischen Komponenten laut mit. Ich hoffe, dass der Kleine noch zwei Wochen durchhält.
Das „Central Juan Avilia“ produziert Zucker und mehrere Dampflokomotiven sind damit beschäftigt das Zuckerrohr von den Feldern ins Werk zu transportieren oder die Wagen auf dem Gelände zu rangieren. Nur mit Glück konnte ich mich davor bewahren, in der Nähe des Lokschuppens knietief in einem riesigen Teich aus Öl, vielleicht war es auch Melasse, zu versinken. Das nur um dort ein Paar Fotos von den Loks 1534 (Schrott), 1718,1720 und 1849 und der Diesellok 4117 zu machen. Zu meiner Freude ist die Lok 1721 gerade auf dem Weg von den Zuckerrohrfeldern in Werk, so dass ich wenigstens eine Maschine noch im Einsatz fotografieren kann.
Auch ein Gruppe englischer Trainspotter ist hier vor Ort, um auf Kuba dieses letzte grosse Dorado der Dampflokomotiven aus den amerikanischen Traditionsschmieden wie Baldwin Locomotive Works, Alco oder Lima in Bildern mit nach Hause zu nehmen.
Die nächste Station heisst „Central Puerto Rico Libre“. Die Mühle ist zwar auch hier in Betrieb, aber man nutzt für die Transporte ausschliesslich Diesellokomotiven. Locomotora de Vapor, heisst Dampflokomotive auf spanisch und mit einigern anderen Sätzen die ich mir beigebracht habe, kann ich den Arbeitern im Werk entlocken, dass es vereinzelt immer noch Dampfeinsätze gibt und tatsächlich stehen auf dem Gelände noch die Loks mit den Nummern 1409, 1527 und 1901 unter Dampf. Im Einsatz sind jedoch die Dieselloks 37 172 und 38 122.
Auf dem Weg ins „Cental Boris Luis Santa Coloma“ komme ich am nur wenige Kilometer entfernten „Central Jose Smith Comas“ vorbei, in dem jedoch leider „Schienenersatzverkehr“ ist. Auf dem Weg zum „Central Jose Smith Comas“ fahre ich einen Schlenker über Cardenas. Ein Name der mir im Gedächtnis geblieben ist, denn zum ersten Mal komme ich im real deprimierenden Sozialismus Kubas an. Trotz Sonne und karibischen Klima ist die Trostlosigkeit der Kleinstadt fast greifbar. Natürlich mache ich auch hier einen Stopp am Bahnhof. Am Bahnsteig langweilt sich ein Triebwagen und an der Seite reihen sich mehrere englische Diesellokomotiven aneinander, deren Tod wohl der Ersatzteilmangel war.
Am späten Nachmittag treffe ich im „Central Jose Smith Comas“ ein. Die Betriebsamkeit hält sich in Grenzen und ich muss ein paar Dollars fliessen um die Lok 1122 herauszulocken und sie ein wenig rangieren zu lassen. Bilder von den Lokomotiven 1121, 1415, 1530, 1531 sowie von der bemerkenswerten Diesellokomotive 4117 (Doppelbelegung der Nummer) runden den Tag ab. Einigermassen befriedigt fahre ich zurück nach Varadero um noch einen Cuba Libre zu kippen.
01.03.1995: Auf dem Weg zum „Central Ruben Martinez Villena“ verpasse ich wohl eine Abfahrt und lande wieder im „Cental Boris Luis Santa Coloma“. Doch bevor mich der Herr vom staatlichen Zuckerministerium „MINAZ“ des Platzes verweisen kann gelingen mir noch Fotos von den Loks 1510 und 1511. Im Depot stehen 1604, 1606 und eine Schrottlok. Lok 1711 bunkert gerade Öl und wird für einen neuen Einsatz vorbereitet. Unweit von Roble lässt sich später diese Lok beobachten, während sie unter Aufbietung all ihrer Kräfte einen beladenen Zuckerrohrzug die Steigung hinauf in das Werk schleppt. Danach fahre ich kreuz und quer durch die Zuckerrohrfelder zum „Central Ruben Martinez Villena“. Leider ist aber dieses Central ebenfalls nicht in Betrieb. Ein eisernes Fossil zeugt von besseren Zeiten und Lok 1411 hält unter dem Baum vor dem imposanten kolonialen Verwaltungsgebäude Siesta. Mit einer Zugleistung in absehbarer Zeit kann ich hier nicht rechnen. Ein anders Central zu finden ist nicht schwer. Über den weiten Flächen der Felder, lassen sich die Qualmfahnen der Centrals und der Lokomotiven leicht ausmachen und so halte ich auf das „Central Camillo Cienfuegos“ zu. Dieser Ort ist nicht nur Sitz der Zuckermühle, die mit ihren Schornsteinen die gesamte Umbebung einräuchert, sondern auch Betriebsmittelpunkt der „Hershey Cuban Railway“. Wie der Name andeutet, wurde der Bau sowie der Betrieb der Bahn von der Hershey Foods Corporation, einer der weltgrößten Schokoladenhersteller finanziert. Die Hershey Foods Corporation transportierte damit den Zucker von den Feldern ins Werk und verband die Orte zwischen Havanna und Mantanzas mit Personenzügen, die vor allem von den Arbeiter der Hershey Foods Corporation genutzt wurden.
Seit der Revolution 1961 obliegt der Betrieb dem kubanischen Verkehrsministerium. Die Bahn wird bis heute mit dem originalen Lok- und Wagenmaterial betrieben, welches zwischen 1919 und 1940 bei BRILL UND GE in den USA beschafft wurde.
Nach einigen Bildern vom Zugbetrieb, gönne ich mir einen Abstecher zum Strand bei Playa Rotilla.
Am Nachmittag fahre ich wieder nach Roble, wo die Lok 1605 an der niveaugleichen Kreuzung mit der Staatsbahn einen beladenen Zug rangiert und dann wieder leer zru Verladestelle Madruga fährt. Ich fahre hinterher. An der Verladestelle errege ich natürlich sofort die Aufmerksamkeit der Arbeiter, die sofort zu mir herüber kommen. Nach Versuchen der Verständigung bieten sie mir die Apfelsinen an, die ich ja schon aus der DDR kenne. Dicke Schale und nichts drin! Die eignen sich wirklich nur zum Auspressen aber ein Ablehnen ist nicht drin.
Von zu Hause habe ich einen ganzen Koffer nur mit „second hand“ Kleidung mitgebracht, da ich ja schon in etwa wusste wie die Versorgungslage hier ist. Jeden Tag habe ich einen abgepackten Beutel im Auto um in solchen Situationen, den Leuten danken zu können und ihnen eine Freude zu machen. Ich darf sogar auf dem Führerstand der Lokomotive mitfahren. Während die Lok mit ohrenbetäubenden Lärm über die abgefahrenen Gleise rumpelt, befürchte ich, dass der Kessel mir jeden Moment um die Ohren fliegt, denn überall ist etwas undicht und der Zustand der Lokomotive wirkt auch auf einen Laien besorgniserregend.
Als ich wieder im Auto sitze verfolge ich den Zug noch ein Stück, biege dann aber zum „Central Manuel Isla“ ab.
Auf dem Weg dort hin kreuze ich bei Aguacate einen Bahnübergang an dem sich gerade ein Zug mit der Lok 1511 nähert, der in die Felder fährt.
Weniger Glück habe ich im „Central Manuel Isla“. Hier hat die Entesaison noch nicht begonnen und auf dem Gelände rosten die Lokomotiven 1107,1205 und drei weitere nicht zu identifizierende Maschinen vor sich hin.
Auf der Rückfahrt geniesse ich den Bilderbuchsonnenuntergang.
Der Tag klingt bei einer Flasche chilenischen Rotwein „Casillereo del Diabolo“ auf der Terrasse der Capone Villa aus.
02.03.1995: Heute fahre ich zum „Central Con Los Pueblos“ Bei Madruga gibt es eine kleine Bar „La Café“, wo ich mich mit etwas Getränken eindecke und für einen Peso eine vorzüglichen Kaffee bekomme. Ich irre eine ganze Weile über katastrophale Strassen, bis ich endlich das „Central Con Los Pueblos“ finde. Doch wieder einmal ist eine Mühle nicht in Betrieb aber ich kann problemlos auf dem Gelände herumlaufen und fotografieren. Die Lokomotive 1707 ist als einzige einsatzbereit. Die Lokomotiven 1303,1509, 1803, 1804 und 1805 sind auf dem Gelände abgestellt. Vorbei an stillgelegten Strecken und über Strassen die scheinbar immer schlimmer werden, fahre ich zum „Central Gregorio Arlee Manalich“. Die Rangiergleise, im englischen yard genannt, erinnern hier an einen botanischen Garten. dichter saftig grüner Bewuchs unter schatten spendenden Bäumen. In dieses Refugium fügt sich das koloniale Verwaltungsgebäude mit seinem morbiden Charme bestens.
Im yard rangieren die Loks 1338 und 1605 . Nach einiger Sucherei finde ich das Depot wo sich die Loks 1307, 1351unter Dampf und die 1403 präsentieren.
Statt hier zu verweilen und auf Züge zu warten fahre ich weiter zum „Central Osvaldo Sanchez“. Ausser der Diesellok 4107 trifft man hier viele MINAZ Polizisten (MINAZ – Ministerio del Azúcar – staatl. Zuckerministerium), die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Als sie sehen wie ich fotografiere gestikulieren sie wild umher um mich zu verjagen. Da ich im Gegensatz zu den MINAZ Polizisten motorisiert bin, bleibe ich unbehelligt. Leider sind die Lokomotiven hier in unerreichbarer Ferne. Mein Notizbuch kann hier als Sichtung die in Betrieb stehenden Lokomotiven 1310, 1364 und 1507 vermerken.
Ich warte etwas abseits des Bahnübergangs und warte. Tatsächlich, nach einiger Zeit kommt die Lok 1364 aus dem Werk, überquert den Bahnübergang und fährt zur Verladestelle um einen beladenen Zuckerrohrzug zu holen. Es dauert keine halbe Stunde, da werden die Schlagbäume zur Strasse wieder gesenkt. Es hat sich ein fotogener Stau aus Traktoren, Motorrädern und Handwagen gebildet, als die altersschwache 1364 mit der unglaublichen Anzahl von fünfundzwanzig Wagen die Strasse überquert. Es dauert fünfzehn Minuten, bis der letzte Wagen den Übergang freigibt. Nun ist der Traktorenstau auf beiden Seiten wirklich zu einer beachtlichen Länge angewachsen. Was für schöne Fotos.
Auf dem Weg nach Varadero sehe ich bei Roble wieder eine Lokomotive die an der Kreuzung mit der Staatsbahn wartet. Ich fahre dorthin. Sechs english nativ speaker beobachten dort ebenfalls die Szenerie und und fahren wenig später mit ihren Autos los, den Zug an einer anderen Stelle zu fotografieren. Da die ENS sich besser auszukennen scheinen hänge ich mich ran und wir rasen wie die Irren über die schmalen löchrigen Strassen und Wege. Doch die ENS nehmen Kurs auf die Hershexy Bahn. Sie kennen sicher den Fahrplan und eine gute Stelle an der Strecke.
Doch unsere Verfolgungsjagd nimmt an einer Strassensperre des Militärs ein jähes Ende. Es dämmert bereits und jede Hoffnung einen Zug noch in einem schönen Abendlicht zu erwischen sind dahin.
Nach der Kontrolle fahre ich über die Autopista nach Varadero. Es ist schon fast dunkel. Autopista in Kuba, das sind schlingernde LKWs mit spärlicher Beleuchtung, das sind Anhalter die auf der rechetn Spur stehen und das sind auch die Kühe die am Strasserand warten bis ein Auto kommt, um dann die Autobahn zu überqueren.
Am Abend lasse ich mich bei einem Touri-Karibik-Abend verzaubern. Na ja seichte Unterhaltung eben. Aber die vom Rum dominierten Longdrinks aus einer Kokosnuss geschlürft die waren wirklich gut. Aber mehr als zwei gingen einfach nicht.
Gute Nacht.
03.03.1995: Bleifuss Autopista! Heute mal keine Eisenbahn! Heute will ich mal was von Havanna sehen.
Links immer wieder traumhafte Ausblicke auf das karibische Meer – und diese Türkis des Wassers – unglaublich. Man muss ständig dort hin starren. Kann ich aber nicht, denn mein Fahrstil passt so gar nicht zu der kubanischen Gelassenheit, die sich natürlich auch im Verkehr fortsetzt.
In Havanna angekommen, parke ich das Auto an der Avenue Belgica Ecke Obispo. Ich hoffe Obispo ist den rumtrinkenden Hemingwayverehrern ein Begriff (?) Von dort gehe ich Richtung Plaza de Armas, dem ältesten Platz Havannas. Es dauert nicht lange bis ich angesprochen werde. Man schafft es mir klar zu machen, dass mit dem Auto etwas nicht stimmt. Ich gehe also zurück und muss feststellen wie nachteilig ein Softtop sein kann. Aus dem Autoinnern fehlt alles was nicht angeschraubt war. Darunter meine Latzhose (ja peinlich, so etwas besass ich und ihr hättet die Farbe mal sehen sollen!) ein Stativ, eine angefangene Packung Kekse und eine halb volle Flasche Brause die gestern unter den Sitz gerollt war. Da wird einem so einiges klarer.
In Cuba fehlt es den Einheimischen an nahezu allem. Wenn überhaupt sind – die für uns alltäglichen Dinge – Hygiene-Papier, Seife, Zahncreme, Medikamente etc. nur für harte Dollar zu erwerben. Aus diesem Grund habe ich auf meiner Reise nach Cuba mehr als einen ganzen Koffer voller Sachen zum Verschenken mitgenommen. Besonders auf den, dem Tourismus abgewandten Teilen der Insel, hilft man damit direkt. Es ist auch ohne weiteres möglich, Papier, Seife, Handtücher und andere Dinge aus den Hotels zu entwenden und so mehr Cubanern die Möglichkeit zu geben am Tourismus teilzuhaben.
Ich lasse mir durch dieses Erlebnis aber nicht den Tag verderben und setze meinen Stadtbummel fort.
Die alte Dame „Havanna“, die Perle der Antillen, die Schönheit in Vollendung, von der Hemingway in ungewohnt bescheidener Manier äusserte, dass „sie nett aussieht bei Sonnenschein“. Wer dem Zauber dieser Stadt erliegt, der kann nicht wieder von ihr lassen. Havanna – allein der Name der Hauptstadt Kubas zergeht auf der Zunge und der spanische Name dieser Metropole beschreibt sie, wie sie ist: Feminin. Ankommende Besucher werden von ihrem heißen Atem liebevoll umhüllt. Havanna hat ein eigenes, undefinierbares Flair, eine unvergleichliche Einzigartigkeit. Nicht ausblenden sollte man aber, dass die Zeit des Sozialismus und des Embargos durch die USA nicht nur den Kubanern sondern auch den Gebäuden schweren Schaden zugefügt haben, der zum Teil irreparabel ist.
Ein Bummel durch die Strassen erinnert einen zwangsläufig an Bilder der Prohibitionszeit (die einigen von uns wohl auch nur aus Filmen wie „The Untouchables“ geläufig sind), als korrupte Politiker, Mafia-Bosse und durstige US-Millionäre und Casino- Zocker Havanna zu ihrem Treffpunkt machten. Diverse Prachtbauten spanischer Kolonialarchitektur und die Könige des Asphalts – wie die von den Amerikanern in den Fünfzigern mitgebrachten Oldtimer wie Buicks, Dodges, Chevys und Cadillacs – lassen einen die sündige Atmosphäre damaliger Tage förmlich aus der Luft greifen.
Doch die alte Dame hat auch schon viel von ihrem Glanz verloren. Viele Häuser stehen vor dem Zerfall. Da ist das Abblättern der Farbe, was durch die salzhaltige Luft begünstigt wird, nur ein kleineres Übel. Zumindest im alten Stadtkern Havannas – La Habana Vieja – welcher 1982 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, werden viele der sehenswerten kolonialen Häuser renoviert. Die nennenswertesten Sehenswürdigkeiten hier sind sicher die Plaza de Armas, der älteste Platz der Stadt, der aus der Gründerzeit Havannas um die 1519 resultiert. In dem kleinen anliegenden Park finde ich ein Denkmal, welches Carlos Manuel de Céspedes (1819 – 1874) für seinen – wenn auch nicht von Erfolg gekrönten – Freiheitskampf gegen die spanische Kolonialherrschaft ehrt.
Gleich „nebenan“ stößt man auf eines der vielleicht schönsten Bauwerke der Stadt, dem Palacio de los Capitanes Generales“, 1776 als Domizil für Cubas spanische Generalkapitäne erbaut. Heute ist hier das Stadtmuseum „Museo de la Ciudad“ untergebracht.
Herzstück des alten Stadtkerns ist aber sicher die Plaza de la Catedral, zweifelsohne einer der schönsten Plätze Südamerikas. Die Catedral selbst (erbaut zwischen 1750 und 1788) bildet den Mittelpunkt. Davor findet man täglich buntes Markttreiben. Hier verkaufen Cubaner Handgeschnitztes, Gemälde und viele andere interessante Souvenirs.
Besichtigt habe ich natürlich auch die Bars „Floredita“ und Bogedita del Medio“ in der Hemingway sich den Rest gab. Auch einen Besuch des prunkvollen Bahnhofs konnte ich mir nicht verkneifen. In der Halle warteten hunderte Menschen auf die Abfahrt eines der wenigen verkehrenden Personenzüge. Erst wenn der Zug am Bahnhof bereit steht, werden die eiserneren Bahnsteigsperren geöffnet und der run auf die Sitzplätze beginnt.
Der „Malecón“ ist Treffpunkt der Cubaner, was aber nicht bedeutet, dass man sich als Tourist hier nicht blicken lassen darf, ganz im Gegenteil. Bis spät in die Nacht hängen sie hier ab, spielen Domino oder Karten, schauen sich verliebt in die Augen oder sinnen aufs Meer hinaus und träumen von Freiheit und Sorglosigkeit. Die Uhrzeit scheint hier keine Rolle zu spielen. Geschlafen wird, wenn man müde ist. Ob das mittags oder abends ist, ist egal, zumindest für die Kubaner. Viel versäumen können sie ohnehin nicht. Für Diskotheken, Bar oder Restaurant Besuche fehlt den meisten das nötige Geld.
Es wird bereits dunkel als ich mich auf die Rückfahrt die Autopista mache. Das Gaspedal halte ich meist durchgetreten und da ich den Tachometer wegen der Kilometerbegrenzung abgeschraubt habe, kann ich nur vermuten, wie schnell ich fahre.
Doch mit einer Leistung von 45 PS bringt es der SJ 410 laut Herstellerangabe gerade mal auf eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h.
Umgerechnet auf die kubanischen Verkehrsverhältnisse dürfte dies jedoch einer Geschwindigkeit von 250 km/h auf einer zweispurigen deutschen Autobahn entsprechen.
Als ich gerade so im Geschwindigkeitsrausch bin, erweckt ein heller Kreis von etwa ein bis zwei Metern Durchmesser, der sich in Bodennähe durch die Dunkelheit bewegt meine Aufmerksamkeit. Der Kreis bewegt sich Richtung Fahrbahn aber ich kann einfach nicht erkennen was das ist.
Bis der weisse Kreis langsam vom Licht der Scheinwerfer erhellt wird. Zwei dunkel gekleidete Schwarze tragen einen runden weissen Tisch über die Autobahn. Vollbremsung!
Auf den Schreck trinke ich im Bavaria noch ein Bier bevor ich mich aufs Bett lege.
04.03.1995: Die legendäre Schweinebucht ist heute mein Ziel. Auf dem Weg dort hin, nehme ich einen Tramper mit und kann sogar noch bei Carlos Rojas ein Foto von der Lok 1712 machen, die einen Leerzug zur Verladestelle bei Lagumillias bringt. Im weiteren Verlauf der Strasse zur Schweinebucht kommt man auch am „Central Australia“ vorbei, wo ich abermals von diversen im Einsatz stehenden Lokomotiven aufgehalten werde. Im Depot steht die Lok 1607, 1593 mit dem Tender der 1613 abgestellt und 1716 unter Dampf. Die Lok 1620 verlässt gerade den yard mit einem vierzehn Wagen Zug, wobei ein Mann vorne weg läuft und Sand auf die Schienen streut um den ölverschmierten Gleisen mehr Reibung zu verleihen.
Auf dem Weg durch die Mangrovensümpfe passiert man bei Boca Laguna ein nachgebautes Indianerdorf an einem Schatzsee und eine Krokodilfarm. Hier kann man im Restaurant auch Krokodilsteak essen, worauf ich aber verzichte, da ich noch keinen Hunger habe.
Hier gibt es nicht nur Bootsfahrten durch die Mangroven und kitschige Andenken sondern auch Croko Cola, von der ich mir eine genehmige.
Den Halt zum Mittagessen mache ich in Playa Larga, was geografisch gleichbedeutend mit der Schweinebucht ist. Heute findet sich hier auch ein Ferienrefugium, dass vom Tourismus vergessen worden ist. Die kleine Hütten scheinen alle leer zu sein und auch am Strand sind nur einige wenige Einheimische. Auch im Restaurant bin ich der einzige Gast aber die Bedienung ist so zuvorkommend und nett, dass es mir schon fast unangenehm ist. Der gebratene Fisch, sicher frisch aus den fünfzig Meter entfernten Meer ist weit mehr als man in dieser entlegenen Ecke Kubas erwarten würde.
Gestärkt besichtige ich das Invasionsmuseum, in dem es neben einem abgeschossenen amerikanischen Jagdflugzeug haufenweise anderen Militarierschrott zu besichtigen gibt. Meine etwas abfällige Schreibweise soll aber nicht die unglaubliche Leistung der kubanische Revolutionsarmee herabwürdigen, welche die technisch überlegenen Amerikaner mit einem kräftigen A-tritt zurück ins Meer warfen.
Auf dem Rückweg, wie könnte es anders sein, halte ich natürlich wieder am „Central Australia“. Dort rangiert die von Henschel & Sohn in Kassel gebaute Lok 1913. Sofort bin ich umringt von Erwachsenen und Kindern die alle Dollares haben wollen. Doch 1 Dollar Noten habe ich keine mehr und flüchte deshalb. Leider kann ich die Verladestelle nicht finden und fahre Richtung Varadero. Auch auf diesem Weg verfahre ich mich in irgendwelchen Orangenplantagen, stelle aber fest, dass dieser Weg viel kürzer zu sein scheint.
Wie so oft klingt der Abend auf der Terrasse der Al Capone Villa direkt am Meer aus.
05.03.1995: Während andere Touristen noch schlafen oder vielleicht gerade ins Bett gehen fahre ich nach Santa Clara. Einzige Entschädigung für die Müdigkeit ist der Sonnenaufgang in den ich fahre. Als es hell geworden ist suche ich mir irgendwo an der Autopista ein kleines Café in dem ich für einen Peso einen kleinen Wachmacher bekomme.
Eine weitere Zwischenstation ist das „Central George Washington“. Keine Ahnung warum im revolutionären Kuba vom Maximio Lider eine Zuckermühle nach einem amerikanischen Präsidenten benannt ist. Vor dem Tor steht ein abgestellter B-Kuppler (Dampflok) mit der Nr. 1 und im Depot räuchern die Loks 1638 und die 1639 vor sich hin. Die Nummer einer dritten Maschine ist nicht auszumachen. Mit Sicherheit sind auch hier die Diesellokomotiven 34 026, 34 066 und 34 077 für die Streckeleistungen verantwortlich und so fahre ich weiter zum „Central Marta Abreu“. Diese Mühle hat in ihrem Fuhrpark noch eine Dampfspeichelokomotive mit der Nummer 43467, welche 1919 von den Baldwin Lokomotive Works gebaut wurde.
Das „Central Carlos Caraballo“ begeistert mich mit den Loks 1550, 1556 und der grössten in Cuba im Einsatz stehenden Lokomotive der 1850, die 1935 bei Baldwin gebaut wurde. Hier treffe ich auch auf eine Gruppe Kanadier, die ebenfalls wegen der Dampfrösser hier sind und einen bestens detaillierten Atlas von Kuba haben. Gemeinsam rasen wir dem Zug hinterher und holen ihn in C. Santa Maria wieder ein und kreuzen auch einen von der Diesellok 37 084 gezogenen Zuckerrohrzug.
Als nächstes besuche ich das „Central Ifrain Alfonso“, wo ebenfalls in der Mühle nicht gearbeitet wird, sich aber die Loks 1635, 1636, 1637 und 1916 fotografieren lassen. Bevor ich nach Santa Clara fahre mache ich noch einen kurzen Stopp am „Central 10. Oktober“. Der Streckenbetrieb wird hier von der Diesellok 37 097 bewältigt und im Depot der Bahn finden sich nur die Loks 1661 und 1818.
Das Hotel „Santa Clara Libre“ ist ein geschichtsträchtiges Haus. Doch nicht so wie man es sich in diesem Moment vorstellt. Es ist ein 1956 errichteter zehnstöckiger grauer Betonklotz, in dem sich während der Revelution die letzten Batista Anhänger verschanzten. Am 29. Dezember 1958 jedoch, wurde die strategisch wichtige Stadt, von den Revolutionsgarden unter dem Kommando von Che Guevara eingenommen.
Noch heute zeugen die vielen Einschüsse an den Aussenmauern des Hotels von dieser Schlacht.
In diesem Hotel buche ich mir ein Zimmer für eine Nacht und gehe im Restaurant in der zehnten Etage Mittagessen.
Ich habe Verständnis für die prekäre Versorgungssituation auf Cuba, aber das gnubbelig-knorpelige Fleisch bekomme ich nicht runter.
Nach dem „Essen“ mache ich mich auf zum „Central Espartaco“, wo, welch ein Pech, ebenfalls Betriebsruhe herrscht. Ein Polizist mit geladener Kalaschnikow verscheucht mich, nach dem ich Bilder von der bei Broocksville gebauten Diesellokomotive 4123 und den Dampflokomotiven 1326, 1328 und 1329 gemacht habe. Die Dampfspeicherlokomotiven 1130 und 1131 kann ich leider nicht mehr fotografieren.
So fahre ich weiter durch die hier in Küstennähe dicht bewaldete Bergwelt zum „Central Pepito Tey“. In der Zuckermühle herrscht quirlige Aktivität und mehrere Dampfloks stehen im Einsatz [1330 abgestellt, 1356 uD, 1357 abgestellt, 1358 uD]. Nachdem ich etwas herum fotografiert habe, steuere ich Santa Clara an und bin sicher, dass ich morgen hier her wieder kommen werde.
Erst in der Dunkelheit bin ich zurück im Hotel.
Ich laufe noch etwas durch die Stadt. In den drei staatlichen Bars bekomme ich nichts zu trinken, weil es nichts gibt. Vor allen Restaurants in denen es was zu essen oder zu trinken gibt, stehen lange Schlangen. Im Schaufenster eines Geschäftes entdecke ich eine Babygarnitur für 188 Peso und mir fällt ein, dass der Durchschnittsverdienst ja nur bei 211 Peso liegt. Im gleichen Laden gibt es auch Arbeitsbekleidung für 5 Peso – subventioniert? Im Hotelrestaurant schlürfe ich dann doch noch einen Cuba Libre und gehe gegen elf Uhr abends auf mein Zimmer zu meiner Verabredung mit einer Hundertschaft Kakerlaken.
06.03.1995: Um sechs Uhr klingelt das Telefon – der von mir bestellte wake up call klappt. Um zwanzig nach Sechs sitze ich in der stoffbedachten Suzi und fahre über Cienfuegos in das 152 Kilometer entfernte Trinidad.
„The early bird catches the worm“ – traumhaftes Licht, bestes Wetter und bis zum Horizont kaum ein Tourist zu sehen. So schlendere ich nach meiner Ankunft ort einige Zeit durch die Gassen der Altstadt von Trinidad, die seit zweihundert Jahren einen Dornröschenschlaf zu halten scheint.
Ein Eselskarren holpert über die Kopsteinpflasterstrasse an mir vorbei, Kinder auf dem Weg zur Schule, laufen an den Fenstern vorbei, in denen die Bewohner ihre Vögel im Käfig für den Tag rausgehängt haben.
Zwar stört hier und dort mal ein Baugerüst das Bild, aber dank des Staus UNESCO Weltkulturerbe kann dieser historische Ort vor dem Verfall geschützt werden.
Von den im Reiseführer beschriebenen „zahlreichen Restaurants und Cafés“ kann ich nur eines finden. Alle Tische sind eingedeckt und es ist bereits zehn Uhr. Doch man will mich nicht bedienen. Wer weiss, vielleicht warten sie auf eine Reisegruppe oder so was.
So gehe ich ausserhalb der Stadt in einem Motel essen. Trotz dem ich der einzige Gast bin, ziehen sich die Zeremonien der Bedienung ewig in die Länge.
Als ich dann endlich mit frühstücken fertig bin und an der Verladestelle des „Central PepitoTey“ eintreffe, fährt mir der Zug in die Fabrik vor der Nase weg! Da ich auch mal etwas in den Tank bräuchte, suche ich eine „Cupet“ Tankstelle, finde keine, dafür aber einen Einheimischen, der mir seinen selbstgemixten Sprit verkauft und dadurch seinen Monatslohn verdoppelt.
Zurück an der Verladestelle hat sich nichts getan und ich will zu einem anderen Streckenast fahren, den ich aber nicht finden kann, da die Landkarte die ich habe einfach keine brauchbare Auflösung hat.
Also laufe ich bei dreissig Grad im Schatten die Strecke vom Werk aus Richtung Verladestelle entlang. Nach einer dreiviertel Stunde kommt die Lok 1220 mit einem Zug zur Verladestelle. Schon zehn Minuten vorher kündigt der Ölbrenner die Lok an. Unter der Lok schlagen stroposkopartig grosse Flammen aus der Brennkammer. Unglaublich was für einen Lärm eine kleine Schmalspurlokomotive machen kann. Ich stehe nahe dem Gleis, dass rechts und links total zugekrautet ist. Auf der Seite auf der ich stehe entweicht in Brusthöhe ein spitzer Strahl heisser Dampf aus der Lokomotive. Schnell noch ein letztes Bild und einen Hechtsprung in das mannshohe Gras. Etwas unsanft lande ich auf dem einen Meter tiefer gelegenen Weg.
Bis der Zug von der Verladestelle zurück kommt ist genug Zeit für ein Mittagessen in Cienfuegos. Ich finde ein Restaurant, doch das ist geschlossen. Gerade will ich wieder gehen, da muss mich im Innern jemand bemerkt haben, kommt raus und erklärt mir, dass man für mich öffnen würde. Nun gut, besser als weitersuchen. Man führt mich in einen abgedunkelten Raum, der wirklich fast wie ein Speissaal aussieht. Ich bekomme eine Karte und ein Glas mit zwei grossen Eisbrocken drin. In der Karte findet sich kein Hinweis auf irgendwelche Getränke. Als der Kellner kommt und wissen möchte, was ich essen möchte, versuche ich ihm klarzumachen, dass etwas zu trinken bei der Hitze doch nicht schlecht wäre. Ich frage nach Tonic, nach Bier und zu guter letzt nach Wasser. „No tengo bebidas“ ist die Antwort. Darauf habe ich dann doch keinen Bock und gehe wieder. Ich versuche es in einem heruntergekommenen Hotel. Die Eingangshalle ist ja noch ganz angenehm runtergekühlt. Doch im Restaurant herrschen arktische Temperaturen. Einen Stromengpass scheint es hier nicht zu geben, obgleich es doch landesweit immer wieder zu Stromabschaltungen kommt.
Obwohl es mich nach einer halben Stunde fröstelt, schmeckt das Essen einigermassen.
Zurück an der Strecke habe ich diesmal mehr Glück. Ein vollbeladener Zuckerohrzug wird zurück zum Central gefahren. Die wunderbaren Motive entlang der Strecke sowie der Zug vor dem dunklen Himmel eines aufziehenden tropischen Gewitters sind mit Sicherheit meine besten Bilder auf Cuba bis zu diesem Tag. Auch die Kanadier treffe ich hier wieder, die mit ihrer Limousine arge Schwierigkeiten auf dem zerfahrenen Feldweg haben.
Dann plötzlich wird es dunkel, Blitze zucken vom Himmel und Tropfen so gross, dass sie ein Schnapsglas füllen würde, fallen vom Himmel. Ich erlebe das erste tropische Gewitter in meinem Leben und ich finde es spannend. Ich steige aus und wasche schnell mal das Auto ringsum und bin danach selbst frisch geduscht. Keine fünfzehn Minuten später ist der Regen vorbei und die Sonne strahlt. Es dauert wiederum nur fünfzehn Minuten und ich bin wieder trocken.
Es ist später Nachmittag als ich die Heimreise antrete. Es geht über Sandpisten auf denen man von vulkankratergrossen Schlaglöchern unbeleuchteten Landmaschinen und Kühen aufgelauert wird. Der Vorteil der Kühe ist, dass ihre Augen im Scheinwerferlicht leuchten und man sie daher rechtzeitig sieht. Als die Strasse wieder einen Belag hat und ich denke, dass ich jetzt wieder etwas schneller fahren kann, erscheint vor mir in meiner Fahrtrichtung ein Pferdegespann mit einem vollbestezten Planwagen. Sicher so eine Art Busersatz. Ich fuhr geschätzte 65 km/h, das Pferdegespann fuhr bestenfalls Schrittgeschwindigkeit. Die einzige Beleuchtung war ein hinten angehängtes Marmeladenglas mit einer Kerze drin! Ich sehe die angsterfüllten Augen der Insassen direkt vor mir, kann in letzter Sekunde jedoch das Steuer noch rumreissen und links vorbeifahren. Was für ein Schreck und was für ein Glück, dass kein Gegenverkehr kam.
In der nächsten Ortschaft trillert ein Polizist auf seiner Pfeife und gestikuliert wild, doch für so einen Quatsch habe ich jetzt keine Zeit. Das Problem der Polizisten ist, das die meisten kein Auto haben und so muss er auf den nächsten warten den er anhalten kann. Vielleicht hält ja der Pferdewagen. An der nächsten Strassengabelung müsste ich irgendwohin abbiegen. Das Schild ist jedoch so verrostet, dass ich anhalten und aussteigen muss um es zu entziffern. Mein Auto und ich stehen glücklicherweise im Dunkeln, als ein Polizeiauto vorbeirast in dem ich auf dem Rücksitz gerade noch den Polizisten (der mit der Pfeife pfeift) erkenne.
Es scheint die verfolgen mich und es scheint, dass ich noch einmal Glück gehabt habe, das sie mich nicht entdeckt haben.
In meiner Hütte angekommen, dusche ich und gehe dann ins Restaurant eine Kleinigkeit essen, während der Kellner zum zwei Kilometer entfernten Hotel läuft, um die Zutaten die für Mojitos zu holen.
07.03.1995: Mit dem Frühstück bin ich heute erst um halb Elf fertig. Dann gehe ich im karibischen Meer baden und fotografiere die Pelikane, die sich während ich schwimme aus dem Flug senkrecht wie ein Pfeil, vier Meter neben mir ins Wasser tauchen, wobei ich jedes Mal einen Schreck bekomme. Wenig später tauchen sie dann mit einem Fisch im Schnabel oder eben auch nicht wieder auf. Zum Mittag finde ich mich wie ein normaler Touri wieder im Restaurant ein, esse zu Mittag, schlürfe danach einen Mojito, schaue auf den Pazifik und lausche der kubanischen Musik und stelle fest, dass eine solche Dosis Urlaub gar nicht so übel ist.
Aber ich muss dann irgendwann los, denn die Reiseleiterin hat darauf bestanden, wegen des Diebstahls in Havanna bei der Polizei eine Anzeige zu machen.
Auf der Polizeistation fühlt sich aber niemand so richtig verantwortlich für das Ausfüllen eines solchen Formulars. Vielleicht ist ihnen aber auch einfach nur die Sinnlosigkeit dier Unternehmung bewusst.
Mit einer Mischung aus Interesse und Ekel kann ich aber eine Gefängniszelle von innen sehen, in der die Männer und Frauen zusammen festgehalten werden und dessen Boden gleichzeitig als Toilette herhalten muss.
Die Reiseleiterin erzählt mir, dass es für einen Kubaner ausreicht, einen Ausländer in seinem Auto mitzunehmen um in diese Zelle zu kommen. Die meisten in diesen Zellen hier bei Varadero sind jedoch die, welche von der Polizei als Nutten, Zuhälter oder Dealer erkannt wurden oder jene aus dieser Gruppe, die sich weigerten Geld an die Polizisten zu zahlen.
Dies ist kein Fingerzeig, sondern nur die Beschreibung der Verhältnisse in Kuba 1995.
Diejenigen, welche am Sozialismus festhalten oder wenigstens noch Hoffnung haben werden mit jedem Tag weniger. Mehr werden jedoch jene, die an den Dollar glauben. Nur leider haben nur wenige die Möglichkeit ihn zu bekommen, zumal der Besitz von Dollarnoten offiziell verboten ist.
Auch die Zahl der Arbeitslosen, dessen Quote offiziell bei dreissig Prozent liegt steigt. Verliert man seine Arbeit hat man wenig Chancen in der kollabierenden kubanischen Wirtschaft einen Arbeitsplatz zu finden. Ein Jahr lang gibt es eine schmale Unterstützung vom Staat, danach muss man sehen wie man über den Tag kommt.
Nach diesem Diskurs über das Leben auf Kuba, schwinge ich mich in meinen Mietwagen und fahre nach Cantel und dem „Central Humberto Alvarez“. Leider ist die Mühle nicht in Betrieb aber auf dem Gelände arbeitet man an einigen Dampflokomotiven die eventuell während der Zuckerrohrernte noch zum Einsatz kommen. [1312, 1350 und 1356 Reparatur, 1 X ohne Nummer von Baldwin] [Diesellokomotive 2 achsig ohne Nummer, Bo´Bo´ohne Nummer]
Auf dem Weg zum „Central José Smith Comas“, komme ich in Cienfuegos an einer Bushaltestelle vorbei an der hunderte Menschen auf einen Bus warten. Ich nehme zwei Anhalterinnen mit, deren Ziel ein Haus in der Nähe des Centals ist.
Kaum habe ich das „Central José Smith Comas“ erreicht, fägt es an zu regnen. Prima, denn dass Stoffverdeck habe ich heute im Zimmer liegen lassen. Ich suche Schutz unter einem Baum, was aber nur kurz hilft und warte bis der Schauer vorüber ist.
Als die Sonne wieder vom Himmel brennt, fahre ich nach Carlos Rojas um den Zug der Staatsbahn mit der russischen Diesellok 71 050 (T3 MZTK) zu fotografieren. Jedoch gebe ich nach einer Stunde Wartezeit auf und fahre zurück zum Central.
Dort verpasse ich den Dampfzug in die Felder, weil ich vergas, was wirklich wichtig ist und keine Ahnung von den Betriebabläufen habe.
Auch die Strecke zur Verladestation kann ich nicht finden und so fahre ich ohne brauchbares Bild zurück zu meiner Hütte und bestelle mir zum Abendessen eine Pizza.
08.03.1995: Den heutigen Tag widme ich zunächst der ehemaligen „Hershey Cuban Railway“. Als ich auf dem Bahnhof in Mantanzas ankomme, schraubt die Zugbesatzung gerade am Triebwagen 3006 und dem Beiwagen 3011 herum, um das Gespann für die Weiterfahrt wieder fit zu bekommen.
Gute Zeiten für den Schuhputzer, denn Eile hat keiner der Fahrgäste. Zudem ist Schuhpflege ja auch wichtig, denn Schuhe gibt nur ein Mal pro Jahr auf Bezugsschein.
Plötzlich ertönt eine laute Klingel, die den Wartenden signalisiert, das es bis zur Abfahrt nur noch wenige Stunden sind und man sich langsam zum Fahrkartenschalter begeben kann um ein Billet zu kaufen. Es scheint als hätten die Arbeiten des Zugpersonals Erfolg gehabt. Ob der Triebwagen es jedoch bis zum nächsten Bahnhof schafft ist nie ganz sicher.
Geschäftigkeit breitet sich auf dem Bahnsteig aus und der Triebwagen wird aufgebügelt, dass bedeutet der Stromabnehmer wird hochgeklappt.
Ich mache mich auf eine geeignete Fotostelle zu finden.
In San Juan gehe ich in Stellung. Nach einiger Zeit kommt aber erstmal ein Kesselwagenzug gezogen von der Diesellok 51 005 aus der Gegenrichtung. Nach weiteren fünfzehn Minuten kommt der Triebwagen 3008 vorüber. Es ist jedoch ein frisch aufgearbeitetes und neu lackiertes Fahrzeug und nicht der 3008 der in Mantanzas stand. Offenbar nimmt man es mit dem Nummernschema nicht so genau.
Ich fahre weiter um ein anderes Motiv zu suchen. Überall an den Haltepunkten der Bahn stehen jede Menge Leute. Der Zug ist also noch nicht durch. Ich stelle mich bei Cienfuegos auf. Dann kommt endlich das Gespann aus 3008 und 3011. Der Zug ist völlig überfüllt und brauchte für vierzig Kilometer zwei Stunden! Um noch etwas Dampf zu erleben fahre ich nun zum „Cental Ruben Martinez Villena“. Unterwegs begegne ich einem knallgelb lackierten ebenfalls überfüllten KRAS Sattelzug, der zum Bus umbebaut wurde. Das Richtungsschild hat man kurzerhand auf dem Kühlergrill angeschweisst. Dieser Art Fahrzeuge begegnet man häufig. Hat ein Bus einen unreparablen Motorschaden, wird Motor, Lenkung und Getriebe ausgebaut, eine Deichsel angebaut und der antriebslose Bus von einem Traktor gezogen. Das geht dann zwar nicht mehr so schnell, aber wenn man eines auf Kuba hat, dann ist es Zeit.
Ich habe nie rausgefunden warum, aber im „Cental Ruben Martinez Villena“ ist wieder nichts los. Nur die Lok 1411 steht unter dem Baum vor dem Verwaltungsgebäude. Später rangiert sie noch etwas auf dem Werksgelände herum, wobei ich wieder die Gelegenheit habe mitzufahren und auch ein Stück selbst zu fahren. Auch wenn ich kein Wort verstehe von dem was die Lokmannschaft zu mir sagt, jeder den ich bisher auf der Insel getroffen habe war offen und freundlich.
Die Leute in den Zuckermühlen sind auch schon vertraut mit dem eigenartigen Hobby einiger „Urlauber“ Dampflokomotiven zu fotografieren. Ich bin nicht der erste und hunderte werden noch nach mir kommen.
Die Strecken sowie die Verladestellen des „Cental Ruben Martinez Villena“ kann ich auch nach einstündiger Suche nicht finden, sehe dafür aber zum ersten Mal einen Personenzug der Staatsbahn mit zwölf Wagen der die Relation Havanna – Guantanamo befährt.
Zu guter letzt lande ich wieder an der Kreuzung Roble, wo nach kurzer Zeit die Lok 1711 mit einem Leerzug für den nächste Tag vorbeikommt.
Da der Zug mit zwanzig Wagen zu schwer für die Steigung ist, wird er geteilt und die Diesellok 38 255 leistet der Dampflokomotive bei beiden Zugteilen Vorspann.
Auf der Rückfahrt nach Varadero begegnet mir ein Ford V8 Stake Truck aus den dreissiger Jahren. Das Wort Wegwerfgesellschaft kennt man in Kuba nicht. Nichts, so scheint es, ist so alt oder kaputt, dass man es nicht noch einmal reparieren könnte. Einige Fahrzeuge büssen im Laufe der Jahrzehnte schon mal Scheinwerfer, Scheiben oder sogar Türen ein aber sie fahren.
Nach Einbruch der Dunkelheit auch ohne Licht wenn es sein muss.
09.03.1995: Der Wecker klingelt um 4:45 Uhr. Widerwillig quäle ich mich aus dem Bett. Das ist dann doch wirklich etwas zu früh. Aber ich will in das 300 Kilometer entfernte Pinar del Rio fahren. Dafür benötigt man gute vier Stunden und etwas von dem guten Morgenlicht möchte ich dann dort auch noch haben.
Glücklicherweise führt die Strecke die meiste Zeit nur über die Autopista. Aber auf dem Weg durch Havanna verfahre ich mich wieder gründlich, da die verrosteten oder ganz fehlenden Wegweiser die Bestimmung der richtigen Abfahrt verhindern. Ich besichtige eine Art Satellitenviertel, ein Industriegelände, welches gerade von der Natur zurückerobert wird, komme an mehreren umgefahrenen Wegweisern vorbei und mehr durch Zufall erreiche ich dann doch wieder die Autopista nach Pinar del Rio. Bei Marianos verlasse ich die Autopista um im „Central Augusto Ceser Sandino“ vorbeizuschauen. Die Lokomotiven die hier herumstehen sehen eher nach Schrott aus. Der einzige Fakt, der glauben lässt, dass hier eines Tages wieder Betrieb herrscht ist, dass auf dem Werksgelände die Gleisanlagen erneuert werden. Das Notizbuch vermerkt: Lok 1204, 1405, 1350, und eine Diesellok 4117 (Whitcomb 1941, 20 Ton, ex US Army).
Von hier fahre ich zum „Central Pablo del la Torriente Brau“, wo auf dem Werksgelände die Lok 1103 umherfährt, die sich wegen unzähliger Undichtigkeiten in eine grosse Dampfwolke hülllt.
Im Depot stehen die Loks 1101, 1102, und 1703 unter Dampf und die Lok 1501 ist in Reparatur.
Genug mit Eisenbahn für heute. Ich fahre in den bergigen Guira Nationalpark, der in der Sierra Rosario liegt. Hier gibt es keine Zuckerrohrfelder mehr sondern nur eine Art Küstenregenwald. Leider ist das Wetter hier im Westen kühl und regnerisch. Zwei der Routen durch den Regenwald verloren sich irgendwann einfach im Dschungel oder fanden unter einem Bergrutsch ein jähes Ende, so dass ich wieder umkehren musste.
Zu allem Überfluss sind in der Betonstrasse riesige Krater dessen scharfe Kanten mich einen Reifen gekosten haben.
Auch ohne Tankanzeige ahne ich, dass der kleine Tank bald leer sein muss. Ich fahre zurück in eines der Dörfer. Doch in dieser touristisch nicht erschlossenen Gegend gibt es keine „Cupet“ Tankstellen und ich muss Leute ansprechen und ihnen versuchen mein Anliegen zu erklären.
Das gelingt mir auch und ich bekomme wieder einen dieser Spezialmixturen, mit denen Kubaner ihr Einkommen aufbessern.
Das Auto schluck den Mix etwas wiederwillig, scheint von den 45 PS nur noch 23 an die Räder abzugeben, aber es läuft wenigstens.
Ein zweites Mal versuche ich nun den Nationalpark und die Berge zu durchqueren. Obwohl einige Strassenstücken von Flüssen überspült oder fast weggespült sind gelingt es mir. Welche Überraschung kaum habe ich den Bergkamm hinter mir gelassen strahlt wieder die Sonne und der Himmel ist wolkenlos.
Als ich um die Mittagszeit am Hotel „San Cristobal“ vorbeikomme, beschliesse ich dort etwas zu essen. Ja ich weiss ich wollte ins Vinales Tal bei Morgenlicht. Aber dieses Ziel muss mir unterwegs irgendwie abhanden gekommen sein. Na ja, aber im Urlaub kann ja auch einfach mal die Reise das Ziel sein – oder?
Das Essen besteht aus Reis, Ei und einem Etwas, das hier als Fleisch bezeichnet wird. Ohne abwertend zu sein, es ist ein graues Ragout, an dem nicht ein Molekül essbar ist. In Europa würde man dieses Fleisch nicht mal als Tiernahrung verkaufen dürfen. Aber Ei und Reis ist ja dann auch genug und der Kaffee ist unübertroffen in Duft und Geschmack. Der Preis für dieses Mal wird einfach von Peso zu Dollar umgerechnet und zwar im 1:1 Kurs.
In rasanter Fahrt über matschige Feldwege dekoriere ich den Suzuki in Offroadstyle. Fast überflüssig zu erwähnen, dass ich zu einem Central (Zuckermühle) fahre. Wie so oft ist auch hier, im „Central Jose Marti“ das Werk nicht in Betrieb. Auf dem Gelände kann ich aber Lok 1401,1502, 1701 und 1702 fotografieren.
Vor dem Werkstor steht ein himmelblauer Traktor – Bus, der von seinem Fahrer liebevoll geputzt wird, bevor er den Nachmittagsverkehr vom Werk in die umliegenden Städte macht.
Hier in Jose Marti werde von einem Kubaner angesprochen. Nachdem ich eine Weile angestrengt zugehört habe, verstehe ich auch, dass er mich zu sich nach Hause einladen will. Er versucht mir dies auch irgendwie schmackhaft zu machen. Doch er kann nicht mehr anbieten als etwas Wasser. Sicher habe ich nicht alles verstanden was ersagte aber sicher werde ich sein verzweifeltes Gesicht nicht vergessen als er anfing zu weinen….
Nun habe ich fast den ganzen Tag mit verrosteten Dampflokomotiven in vergammelten Zuckerrohrfabriken verbracht und will noch irgendwie was anderes sehen. Ich fahre zurück nach Havanna. Die Autopista von Pinar del Rio Richtung Havanna endet vor Havanna aprupt in einer Müllkippe und kann nur über provisorische Abfahrten verlassen werden.
Als erstes steuere ich das Hemingway-Museums in San Francisco de Paula an. Leider hat das Anwesen von Ernest Hemingway, welches man besichtigen kann ab 17:00 Uhr schon geschlossen und so bleibt mir nur durch das Villenviertel Vedado zu schlendern.
Die ehemals prunkvollen Villen, die der einst von einer Familie bewohnt wurden sind heute das Heim von bis zu sechs Familien. In einige Häuser hat man in die hohen Salons sogar noch eine Zwischendecke eingezogen um mehr Menschen unterbringen zu können.
Wind, Regen, die salzige Luft sowie die der Sozialismus hat den Gebäuden in den letzten vierzig Jahren stark zugesetzt. Es bleibt abzuwarten wie viele der Villen in zehn Jahren noch übrig sind.
Ein anderes Schauspiel erwartet mich am Malecon. Die Strandpromenade, die sonst Treffpunkt und Flaniermeile der Kubaner ist, bleibt heute gesperrt. Ein tropischer Sturm drückt das Meerwasser in die Kanalisation, die Gullideckel hat man vorsichtshalber entfernt und nun schiessen in regelmässigen Abständen zehn Meter hohe Fontainen aus den Gullilöchern auf dem Malecon. Riesige Wellen schlagen gegen die Uferbefestigung, und meterhohe Wellen überspülen dann die Fahrbahn des Malecon. Ein faszinierendes Schauspiel, dem ich mich nicht entziehen kann. Ich fahre auf den Malecon und stelle das Auto auf einen der Gulliöffnungen um zu sehen was passiert. Das Auto wurde einfach weggeschoben als die Fontaine aus dem Loch gegen den Unterboden knallte. Es hat sicher nicht viel gefehlt und das Auto wäre umgestürzt. Danach stelle ich das Auto an die Uferbefestigung um mich einmal so richtig überspülen zu lassen. Es sollte sich jedoch herraustellen, dass wenn das Wasser getrocknet ist, das gesamte Auto mit einer Salzkruste überzogen ist. Es war wirklich nicht einfach, eine Tankstelle zu finden um mit etwas Wasser zwei Sichtlöcher in die Frontscheibe zu waschen.
Auf dem Weg nach Varadero verfahre ich mich natürlich wieder eine halbe Stunde komme aber ohne Kollisionen mit Kühen oder Tischen sicher an.
10.03.1995: Trotzdem ich bis halb Zehn geschlafen habe, bin ich wegen der Anstrengungen der vergangenen Tage ganz schön geschafft.
Nun versuche ich mir erstmal schnell noch etwas vom Frühstück zu sichern.
Der tropische Sturm hat sich immer noch nicht ganz verzogen und die Wolken geben der Sonne keine Chance.
Ich entschliesse mich nach dem Frühstück noch einmal nach Havanna zu fahren. Als ich am Flughafen vorbeifahre, knattert in fünfzig Meter Höhe eine DC – 3 der AEROTAXI über die Strasse – WOW diese Luftfahrtlegende aus der Mitte der vierziger Jahre ist hier auch noch unterwegs. Das wäre kein schlechtes Motiv aber sehr zeitaufwendig wenn man keinen Flugplan hat.
In Juan Cocho treffe ich an einem Bahnübergang auf eine Zuckerrohrzug gezogen von den Hershey Loks 20804 und 20807. Da an der Station noch Fahrgäste stehen warte ich noch einige Minuten bis der Brill Triebwagen 3020 nach Mantanzas kommt. Wenige Minuten später kommt der Triebwagen 3010 nach Havanna durch. Das nenne ich Glück. Alle Fahrgäste sind weg und ich kann weiterfahren.
Das Hemingway Museum hat geöffnet und für drei Dollar darf man auf dem Gelände herumschlendern. Das Betreten der Räume ist nicht gestattet aber der Blick durch die geöffneten Fenster vermittelt auch einen kleinen Eindruck vom Lifestyle eines Schriftstellers im sündigen Kuba der fünfziger Jahre. Alles in allem ist das Anwesen eine Oase hoch über dem Alltag Havannas.
Eine andere Oase ist der zwanzig Kilometer südlich des Stadtzentrums von Havanna gelegene „Lenin Park“.
Um den Bewohnern von Havanna vor allem aber den Kindern Freizeitgestaltung und Erholung zu bieten, wurde dieser Park 1970 eröffnet.
Er erstreckt sich über eine Fläche von 7,5 Quadratkilometern. Der Park ist zum Teil dicht mit mit Palmen, Zedern, Pinien und Araukarien bewaldet. Neben einem Aquarium, Swimmingpools, einem Open-Air Kino, einer Kunstgalerie, einem Café und dem Restaurant Las Ruínas befindet sich dort auch eine Schmalspurbahn, auf der Lokomotiven von Zuckerrohrbahnen Dienst tun. Diese befördern Spass – Personenzüge auf einem Rundkurs durch den Park.
Jetzt wo ich hier bin, ist natürlich nichts mehr los, die Signal- und Sicherungsanlagen sind teilweise demontiert, Lok 1 war nicht zu finden und Lok 2 steht als Schrott im „Central Augusto Cesar Sandino“. Im Lokschuppen des gleichen Centrals steht auch die Lok 3, an der jedoch Reparaturarbeiten durchgeführt werden.
Ich fahre nun also wieder zurück zum Malecon, der wegen des Sturms immer noch teilweise gesperrt ist und geniesse das Schauspiel der Wellen die die Uferpromenade überfluten.
Danach gehe ich kubanisch, oder heisst es korrekter karibisch?, essen. Da das El Patio eines der berühmetesten Restaurants Kubas ist, habe ich mir hier sogar die Speisen aufgeschrieben, die ich verzehrt habe.
Frijoles Negros – schwarze Bohnen, pikante Fleischbällchen und geröstete Bananenscheiben.
Cerdo con adobes cubano – Schweinefleisch kubanischer Art, dünne Scheiben Fleisch geröstet und mild gewürzt, Arros blanco [weisser Reis]
Tamal de Maiz con Chichronnes – Meisbrot mit knusprig gebratenem dünnen Scheiben Schweinefleisch
Viandas Fritas o cocidas – gekochte Zuckerrohrstücken
Postre Criollo – Zucker, Schweppes, Rum und ein Minzezweig
Café Cubano – ca 8 ml Kaffe vergleichbar mit einem Espresso
Im Innenhof des Restaurants befindet sich ein Springbrunnen in dem Schildkröten und etwa dreissig Zentimeter lange Babykrokodile schwimmen, die aber schon sehr kräftig zuschnappen können, wie ich bei einem Selbstversuch feststellen musste.
Gestärkt kehre ich dem Restaurant den Rücken und begebe mich zur Calle 72, wo sich die Tropicana Show befindet.
Zwar ist der Weg dort hin ausgeschildert aber die Beschilderung folgt keiner erkennbaren Logik, so dass es wieder einige Zeit braucht die Örtlichkeit zu finden.
In Vedado, Havannas Altstadt findet man auch den „Salon Rojo“ (der rote Salon) direkt neben dem Hotel Capri, was einst mit finanziellen Mitteln aus dem Budget Al Capone´s Bruders erbaut wurde. Hier zahlt man zehn Dollar Eintritt. Geboten wird ebenfalls eine Art Cabaret, jedoch erreicht dies hier bei weitem nicht die Qualität eines Nacional, geschweige denn eines Tropicanas. Dafür sind sämtliche Getränke (einheimisches Bier, alle Rum-Varianten und Alkoholfreies) inclusive.
Mit dem völlig verdreckten Jeep fahre ich in der Calle 72 vor der Tropicana Show in eine Insel aus Marmor, Spiegeln und Skulpturen ein. So gleich springt ein Angestellter herbei und parkt mein Auto weg. Ich trete ein und man sehe und staune, hier gibt es sogar funktionierende Computer.
Drei Sitzplatzkategorien werden angeboten 30, 45, und 55 Dollar. Ich entscheide mich für die goldene Mitte muss aber wenig später feststellen, dass die besten Plätze an der Bar sind.
Mir persönlich hat die Show nicht besonders gefallen. Es war ein Mischmasch der Stile und Kulturen und hatte so einen Comictouch. Da mischen sich lateinamerikanische Rhythmen auch mal mit einem Walzer und immer ist es so laut, dass sich die Boxen fast überschreien.
Es macht auf mich den Eindruck als hätte man die Show für Touristen aufbereitet und versucht jedem Geschmack gerecht zu werden.
Am besten gefallen hat mir die Location. Die Show und die Bar befinden sich in einem Innenhof in dem mehrere riesige Bäume stehen. Auf dem Barhocker sitzend und einen Drink schlürfend, kann man die Eidechsen am Baum beobachten, wie sie den Insekten die vom Licht angezogen werden hinterher jagen.
Nachdem ich mein Gratis – Begrüssungs – Schaumwein Glas geleert hatte wollte ich an der Bar noch einen Mojito bestellen.
Dies gelang mir aber erst nach dem ich auffällig mit einem Bündel Dollar Noten winkend meine Liquidität bewiesen hatte.
Nach dem die Show zu Ende war und ich gehen wollte, gab es noch etwas Unruhe, als einer der Kellner nicht glauben wollte, dass ich meinen Drink schon bezahlt hatte.
So beschwippst irre ich noch eine Stunde durch Havanna bis ich die Autopista nach Varadero gefunden habe. Auf besagter Autopista fahre ich dann Schlangenlinien um die Kühe, die nach Mitternacht dort zahlreicher als Autos sind, zu umfahren und nicht um zu fahren.
Um drei Uhr am Morgen falle ich todmüde in mein Bett.
11.03.1995: Gegen neun Uhr schreite ich zum Frühstück und da es mir heute an Elan fehlt sitze ich dort bis elf Uhr. Herrlich, man kann draussen sitzen, der Kellner fragt etliche Varianten „huevos revueltos“ ab, ich esse tropische Früchte und das Meeresrauschen ist die Musik dazu.
Danach cruise ich etwas durch die Gegend. Im „Central Jose Smith Comas“ ist heute wenig los und so fahre weiter. In Jovellanos begegnet mit ein Autocarril (Triebwagen zur Personenbeförderung) der Staatsbahn. Hinter Jovellanos stelle ich mich für ein Foto von dem Autocarril an die Strecke, stelle aber nach einer halben Stunden fest, dass dieser in die andere Richtung ausgefahren ist.
Da nur ein paar Kilometer weiter die Schornsteine des „Central Julio Reyes Cairo“ qualmen, fahre ich jetzt dort hin. Unterwegs bemerke ich eine Rauchfahne, die sich durch die ausgedehnten Zuckerrohrfelder bewegt. Ein beladener Zuckerrohrzug der zum „Central Julio Reyes Cairo“ fährt. Obwohl ich alles aus dem kleinen Suzuki raushole, muss ich erkennen, dass ich mich zu lange mit dem hässlichen Triebwagen aufgehalten habe und den Zuckerrohrzug vor dem Werk nicht mehr einholen werde. Ich rase auf das Werk zu und sehe schon vier weitere Mietwagen, die ja nur weiteren ENS (english nativ speaker) und Eisenbahnfreaks gehören können. Um die letzte Kurve vor dem Bahnübergang, dort stehen die Eisenbahnfreaks, ich sehe sie zu spät, fahre durch die Pfütze wo bei ein grosser Schwall rotbraunen Wassers einem der Fotografierenden zu der gewünschten Urlaubsbräune verhilft. Auch ich schaffe noch ein Bild bevor der Zug im Werk verschwindet.
Unmittelbar danach werde ich von einem Kubaner angesprochen, der mir einige Fabrikschilder verkaufen will. Zwar hat man auch hier das finanzielle Potenzial dieses eigenartigen Hobbys erkannt, jedoch ist auch dies nicht ganz ungefährlich. Für solcherlei Harmlosigkeiten sind schon einige Kubaner ins Gefängnis gegangen. Die Notwendigkeit den Alltag durch einige Dollars zu verbessern ist jedoch grösser als die Angst.
Ich verteile an die umstehenden Kinder Kekse und als ich von allen Seiten umzingelt bin und die Kekse alle sind schlage ich mich zum Auto durch und fahre noch einmal zum „Central Jose Smith Comas“.
Hier ist gleich ein ganzer Bus mit einer Reisegruppe fotografierender Eisenbahnfans vor Ort. Die Gruppe beansprucht den Zuckerrohrzug der durch die Station Progreso fährt lautstark für sich, denn sie hätten für die Reise hierher bezahlt und im Übrigen hat einer der Mitreisenden heute Geburtstag. Eine Logik die ich sicherlich auch wegen meiner schlechten Englischkenntnisse nicht verstehe.
Das Motiv von dem Zug im weichen Nachmittagslicht, lässt den Tag trotz der Auseinandersetzung versönlich ausklingen.
12.03.1995: An diesem Morgen enttäuscht der Himmel wieder mit einer dichten Wolkendecke und es so kühl, dass niemand beim Frühstück draussen sitzen möchte.
Das Verdeck des Autos muss ich wegen des beginnenden Regens schliessen bevor ich nach Madruga fahre. Auf dem Weg dort hin wird der Regen immer stärker und die winzigen Scheibenwischer schaffen es kaum die Scheibe frei zu wischen. Als ich eine kleine Hügelkette passiert habe klart der Himmel glücklicherweise wieder auf und ich postiere mich an einer Brücke hinter Madruga in Erwartung eines Zuckerrohrzuges. Nach fünfzehn Minuten kommt eine einzeln fahrende Lokomotive und als sie die Brücke passiert, steht der Wind so ungünstig, dass ausser Qualm auf dem Bild nicht viel zu sehen sein wird. Die zweite Enttäuschung ist dann die Diesellok 38 225 die mit einem Zug in die Felder fährt.
Ich beschliesse mein Glück im „Central Julio Reyes Cairo“ zu versuchen.
Auf dem Weg von Mantanzas nach Jovellanos entdecke ich durch Zufall die dicht beieinander liegeneden Centals „Victoria de Yaguayay“ und „Granma“. Das „Cental Victoria de Yaguayay“ ist nicht in Betrieb aber die folgend aufgelisteten Dampflokomotiven können auf dem Gelände bestaunt werden: 1594, 1813, 1814. Die Lok 1614 wird gerade zerlegt und von der Lok 1811 existiert nur noch der Tender.
Für die Streckeneinsätze während der Zafra stehen die Dieselokomotiven 34 082, 4119 und 4208 bereit.
Im „Central Granma“ gibt es noch Streckeneinsätze mit Dampflokomotiven, die insgesamt vier Verladestellen bedienen. Die Strecken stehen auch mit den Centrals „Smith Comas“, „Julio Reyes“ und „Jaguayay“ in Verbindung.
Bevor ich jedoch losfahre um Streckenfotos zu machen, muss ich noch einmal zurück nach Jovellanos zur „Cupet“ Tankstelle, damit mir unterwegs das Benzin nicht ausgeht. Doch der Tankstelle ist das Benzin „Especial“ selbst ausgegangen und leider ist weit und breit kein sozialistischer Spezialmix zu bekommen. Ich riskiere es dann mal und fahre zunächst zur Verladerampe des „Central Julio Reyes Cairo“.
Heute ist Sonntag und wie es scheint ist der Zug heute schon etwas früher gefahren. Auch der Schornstein der Fabrik schmaucht nur leicht vor sich hin und die Arbeiter fahren in ihren Ami Oldtimern oder per Anhalter nach Hause.
Da die Tankanzeige nicht angeschlossen ist, habe ich keine Ahnung wie viele Tropfen Benzin noch im Tank sind und versuche nun die „Cupet“ Tankstelle in Cardenas zu erreichen. Auf einer Strasse mitten durch die Zuckerrohrfelder hinter Carlos Rojas beginnt der Suzuki zu stottern und wenig später geht der Motor aus und ich stehe da. Offenbar habe ich mich um einige Kilometer verrechnet, denn bis Cardenas sind es noch fast fünfzehn Kilometer.
Nun gut ich mache mich auf Benzin zu holen. Zu meinem Glück kommt nach einigen Schritten zu Fuss ein Traktor mit einem offenen Einachsanhänger, der mich auf der Ladefläche mit nimmt. Auf der Ladefläche sitzt schon eine Gruppe Musiker die zu irgendeinem Fest fahren. So zuckelt die Fuhre im Kriechtempo Richtung Cardenas. Immer wenn ein Schlagloch kommt bremst der Traktorist und alle wissen, dass sie sich jetzt festhalten müssen. Am Eingang des „Central Cardenas“ angekommen, gibt es eine lebhafte Unterhaltung zwischen dem Traktoristen, der übrigens Alex heisst, mir und einem Arbeiter aus dem Werk. Natürlich verstehe ich kein Wort, aber es gelingt mir, den Anwesenden klar zu machen, dass mir das Benzin ausgegangen ist und ich kein Abschleppseil habe.
Die Musiker velassen uns nun, da sie hier ihr Ziel fast erreicht haben und ziehen zu Fuss weiter. Der Traktorist gestikuliert mir, wieder den Platz auf der Ladefläche ein zu nehmen und tuckert mit dem Gespann los. Wir fahren zu einem Freund von ihm, der im Besitz eines Abschleppseiles ist. Mit dem Seil für alle Eventualitäten gerüstet, fahren wir wieder die etwa zwölf Kilometer zurück zu meinem liegengebliebenen Auto.
Das Auto wird an den Anhänger angebunden und schon geht es los. In meiner misslichen Lage und im Auto sitzend, habe ich eine gute Sicht auf die Lok 1530 des „Central Cardenas“, die mit einem beladenen Zuckerrohrzug im schönsten Abendlicht Richtung Zuckerfabrik dampft.
Wieder zurück in Cardenas, es ist nun schon dunkel, halten wir vor einem kleinen Haus. Hier wohnt eine Freundin des Traktoristen und diese spricht sogar deutsch, weil sie für einige Jahre als Vertragsarbeiterin in der DDR war. Zu meinem Erstaunen wird in diesem Haus auch sächsisch gesprochen, da aus der Zeit als Vertragsarbeiterin drei befreundete Herren aus Dresden zu Besuch sind.
Nachdem nun alle Unklarheiten beseitigt werden konnten, fahren wir weiter zum Haus des Traktoristen. Alex läd mich nicht nur zu vier Litern „Regular“ (Benzin) ein, der der sozialistischen Volkswirtschaft auf wundersame Weise verloren ging, sondern auch zu frisch gepressten Orangensaft und Kaffee. Dann folgt eine komplette Besichtigung seines Heims, mit Kindern, Frau und der nähenden Oma. Das Heim ist einfach aber auffallend sauber. Zum Kochen gibt es nur einen einfachen transportablen Gaskocher aber dafür im Wohnzimmer einen Farbfernseher. Man erzählt mir viel und ich verstehe wenig. Alle sind so freundlich, dass es schon wieder fast unangenehm ist und ich hole aus dem Auto die letzten beiden Tüten mit Kleidung, und Hygieneartikeln. Das wiederum ist dem Traktoristen und seiner Familie sehr unangenehm und die Tüten verschwinden erst einmal. Ausgepackt und gefreut wird sicher (und hoffentlich) später. Wir fahren den Freund des Traktoristen nach Hause und ich dann selbst zur „Cupet“ Tankstelle den ausgetrockneten Tank füllen.
An dieser „Cupet“ Tankstelle in Cardenas gibt es auch einen Shop der mit dem INTERSHOP in der ehemaligen DDR vergleichbar ist. Für Dollar gibt es hier fast alles zu kaufen was das Herz begehrt und die sozialistische Planwirtschaft nicht herstellen oder liefern kann.
Das es hier in Cardenas diesen Shop gibt, hängt sicher auch mit der Nähe zu Varadero zusammen, wo die Menschen sicher öfter mit Touristen in Berührung kommen. So stehen an diesem Shop täglich nach Feierabend etwa fünfzig Menschen an.
Ja, ich habe auch zwei oder drei Bilder vom Meer gemacht.
13.03.1995: Heute nach dem Frühstück, heisst es Abschied nehmen. Nein nicht von der Insel, jedoch von meiner treuen Suzi, die jetzt keinen Reservereifen mehr hat und hinten links etwas hängt. Ein Blick auf das Fahrgestell verrät, dass eine der Federlagen Opfer der Belastungen der Feldwege und Schlaglochstrassen wurde. Die Kosten für den Mietwagen beliefen sich auf:
602 Dollar für zwei Wochen
299 Dollar Benzinkosten
Nachdem ich das Auto abgegeben habe, bleibt mir nichts weiter als Urlaub zu machen wie der Ottonormaltourist. Baden gehen, Eis essen, Sonne tanken, einen Drink schlürfen. und Reisetagebuch schreiben.
Am Abend schneide ich mir ein Krokodilsteak klein, dass ja gar nicht so unlecker wäre, wenn der Koch es nicht versalzen hätte.
Während ich esse, berieseln mich abwechselnd zwei Folkloregruppen mit ihren Spiel der immer gleichen kubanischen Lieder. Dabei spüre ich immer den inneren Zwang meinen Vorrat an Dollarnoten mit den Musikern zu teilen.
Guantanamera, guajira guantanamera,
Guantanamera, guajira guantanamera.
Yo soy un hombre sincero,
De don de crece la palma,
Yo soy un hombre sincero,
De don de crece la palma,
Yantes des morirme guiero,
Echar mis versos del alma,
Guantanamera, guajira, guantanamera
Guantanamera, guajira guantanamera.
14.03.1995: Heute stehen wieder Sonne, Wind und Meer auf dem Programm und ich beginne mich ernsthaft zu langweilen. Der Reisebetreuer möchte mit mir, wegen des Dokumentes zu dem Diebstahl in Havanna, noch einmal zur Polizei fahren.
Wir nehmen ein Taxi. Der Reiseleiter nimmt seine Frau mit, die muss auch irgendwie in die Stadt. Ich zahle (sicher zu viel, aber zu viel ist ja auch relativ). Ich bekomme mein Dokument oder besser gesagt Zettel, der mir in Deutschland helfen soll die Reisegepäckversicherung zur Kasse zu bitten.
Ansonsten passiert an diesem Tag herzlich wenig, ausser das ich mich am Abend noch ein wenig der Faszination der Halbwelt in Varadero hingebe und in der BAVARIA Bar ein paar Mojitos schlürfen gehe.
15.03.1995: Aufstehen, frühstücken, Langeweile!. Ich mache einen Spaziergang durch Varadero und fotografiere in der Gegend rum. Bis zum Hotel Sol Palmeras, welches ungefähr fünf Kilometer, auf der Mitte der Halbinsel Varadero liegt, laufe ich. Hier brauche ich dann erst einmal etwas zu trinken.
In der Mitte der Hotelhaupthalle gibt es zur Unterhaltung der Touristen einen künstlichen Regenwald mit Vögeln und Echsen. In einer Ecke der Hotellobby befindet sich eine nachempfundene Zigarrenfabrik, in der jedoch nur zwei ältere Herren die teuren Tabaktorpedos drehen. Da man zur Zeit kubanische Betriebe offiziell nicht besichtigen darf, die Nachfrage nach Besichtigungen aber gross ist, soll man sich so einen Eindruck von der Zigarrenherstellung machen. Da ich noch keine Andenken habe, kaufe ich hier im Wert vo 75 Dollar einige Zigarren. Zurücklaufen brauche ich nicht, denn es gibt hier auch eine Autovermietung und ich fahre von dort mit einem Peugot 205 Richtung „Central Julio Reyes“.
Um etwa zwei Uhr nachmittags bin ich am Central und es herrscht Hochbetrieb. Die Dampflokomotiven 1646, 1813 sowie die Diesellok 37 124 stehen zur Fahrt auf die Felder breit. Zuerst rückt die Lok 1813 aus. Ich möchte die Ortsdurchfahrt in Union del Reyes fotografieren und fahre los. Das ich keine brauchbare Karte habe, folge ich dem Feldweg neben der Strecke. Der Weg wird jedoch immer schlechter und die Spurrillen der Landmaschinen sind bis zu fünfzig Zentimeter tief. Eine Weiterfahrt ist mit dem Peugot hier nicht möglich und der Zug ist weg.
Ich fahre zurück zum „Central Julio Reyes“ und warte….. und warte.
Nach drei Stunden gebe ich auf und starte zu einer eineinhalbstündigen Irrfahrt durch die Felder, bei der ich versuche irgendeine Verladestelle zu finden oder einen Zug zu erwischen. Fast alle zweihundert Meter überquere ich Gleise. Alle sind befahren. Wenn man doch nur fliegen könnte, dann würde man sicher sehen, dass die Felder im ganzen Land mit einem dichten Netz von Gleisen durchzogen sind, die nur dem Abtransport des Zuckerrohrs dienen.
Beim Abendessen höre ich zum 4.712. Mal Guantanamera und zahle meinen obligatorischen Dollar.
16.03.1995: Da ich ab heute wieder unmotorisiert bin, besichtige ich die Halbinsel Varadero ausgiebig, denn was ich heute hier sehe ist, bis ich das nächste Mal vielleicht hier bin schon wieder historisch.
Ich geniesse Sonne Meer und Wind, beobahte wieder die Pelikane und vergesse fast die Koffer zu packen. Es ist ja nur noch einer, der Inhalt des anderen Koffers ist auf der Insel beblieben und auch ein Stativ muss ich nicht mehr einpacken.
Am Abend bin ich wieder mit der hilfsbereiten Lazara Montes verabredet. Wir gehen Languste essen.
Wir besuchen dafür eine Familie in Varadero, die in ihrem Privathaus ein kleines Restaurant betreibt. Der Hausherr war bis vor kuzem Koch in einem der Hotelburgen und hat sich nun selbständig gemacht. Sein Gewerbe wird natürlich von den staatlichen Organen streng überwacht. Er darf nur fünfzehn Langusten im Monat verkaufen und muss vom Umsatz sieben Prozent Steuern abführen. Einen Gewerberaum darf er jedoch nicht anmieten.
So wirkt auch das „Restaurant“ insgesamt etwas improvisiert. Die individuelle Bedienung, zusammen mit den Übersetzungen von Lazara machen diesen Abend zu einem unvergessenen kulinarischen Erlebnis.
Nach der Vorsuppe essen wir Languste in verschiedenen Variationen zubereitet. Dazu werden frittierte Bananenscheiben und Salate gereicht. Die Flasche spanischen Wein und den Kaffee Cubano will ich nicht unterschlagen.
Alles in allem bezahle ich fünfunddreissig Dollar. Für mich ein günstiges Vergnügen, für neunundneunzig Prozent der Kubaner unerschwinglich.
Ein letztes Mal kehre ich auf einen Mojito im Freiluftbiergarten des BAVARIA Hotels ein.
16.03.1995: Bis zu Abreise sind es noch ein paar Stunden hin. Genügend Zeit noch einmal todesmutig im Meer baden zu gehen. Es ist leider so, dass ich beim Baden in tropischen Gewässern jeden Augenblick mit einem riesigen Hai rechne, der mich in mundgerechte Stücke zerteilt. Da jedoch nach dem Schwimmen alle Extremitäten noch dran sind, kann ich mir das Vergnügen gönnen für zehn Dollar fünfzehn Minuten lang mit einem Jetski über die Wellen zu jagen.
Für einen Happen Essen ist auch noch Zeit, bevor der Bus mit mir zu seiner zweistündigen Reise zum Flughafen nach Havanna startet. Unterwegs ein letzter Blick auf die türkisblauen Wellen der Karibik.
Die IL 62 M mit der ich zurückfliege, muss wohl den ganzen Tag in der Sonne gestanden haben. Im Innern herrschen 35 Grad Celsius. Während des Fluges sinken die Temperaturen jedoch schnell auf kühle 12 Grad Celsius. Als wir das Bermudadreieck überfliegen gehen alle Anschnallzeichen an und die Maschine holpert eine Stunde lang jaulend auf und ab, als würde sie auf einer kubanischen Landstrasse unterwegs sein.
Das Essen ist einfach nur grauenhaft aber es gibt Cuba Libre so viel man wünscht. Das entschädigt.
Die mitreisenden Kubaner, die sicher zu einer Schicht der Privilegierten gehört, fühlt sich wie zu Hause. Sie versammeln sich im Heck wo auch ich sitze, lassen Rumflaschen kreisen (ich habe nicht gezählt wie viele) und verbreiten den Wohlgeruch mehrerer dicker kubanischer Zigarren.
Ich beginne zu frieren, da ich dieses Mal bei der Verteilung der Decken nicht schnell genug war oder weil ich einfach zu weit hinten sass. Auf meine Beschwerde hin, wird aber wenigstens die Klimaanlage eingeschaltet und ich muss doch nicht erfrieren.
Auf dem Flug nach Deutschland ist die Maschine vollgetankt und es muss kein Stopp in Gran Canaria gemacht werden.
Nach neun Stunden und fünfundzwanzig Minuten Flug empfängt mich trübes regnerisches Wetter am Flughafen Berlin Schönefeld.
Quellen:
Reisetagebuch
Dampf & Reise 2/1992
Lazara Montes
NUR Touristic Service
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