INDIEN TRAIN RIDE – 1994
Wer in Indien mit dem Zug fährt, sollte ein grundsätzlich positiver Mensch sein. Fahrpläne werden von Optimisten gemacht und man kann sagen, die Züge sind nicht immer pünktlich. Wartezeiten können absurd lang werden. Am Nachmittag des 02.02.1994 warteten wir in Bareilly auf den Zug, der uns nach Gorakhpur bringen sollte. Die meisten der Züge sind mit Dampflokomotiven bespannt. Wie in den meisten Personenzügen sind auch hier die Fenster vergittert aber ohne Scheiben. Die Gitterstäbe bieten jedoch genug Raum um auf Bahnhöfen von den fliegenden Händlern Waren kaufen zu können.
Indien ist 1994 ein Mekka für jene, die sich für schwere Dampflokomotiven vor langen Zügen begeistern. Reger Verkehr mit Dampfloks der Klasse YP und YG herrscht außer nach Gorakhpur auch nach Kasgany und Lakua. Im Breitspurteil des Bahnhof ist gerade die WG 8002 mit Ihrem Passenger nach Dehli angekommen und die WG 9384 stillt am Wasserkran ihren Durst. In knapp zwei Jahren wird man diese Maschinen sämtlichst auf dem Schrott finden.
Ein Bahnhof ist auf dem Subkontinent auch immer ein Ort, an dem die Schattenseiten der Gesellschaft unübersehbar zu Tage treten. Das Kastensystem aber auch die Überbevölkerung äußern sich hier in einer Vielzahl von Menschen die versuchen rund um den Verkehrsknotenpunkt mit Dienstleistungen aller Art Geld zu verdienen. Wenn sie Glück haben können sie als Gepäckträger oder Toilettenreiniger arbeiten. Immer mehr sind jedoch auf das Betteln angewiesen. Auf einem ungenutzten Teil des Bahnhofs, auf den Gleisen, ist eine große „Zeltstadt“ als Unterkunft entstanden. Wie schmutzig man nach eigenem Empfinden man selbst sich fühlt oder auch wirklich aussieht, man wird sofort als Mensch aus der „Ersten Welt“ identifiziert und es ist schwer einige Minuten nicht angebettelt zu werden. Bis heute jedoch ist mir verschlossen geblieben, warum „Bettler“ nie Essen sondern nur Geld annehmen.
Unser Zug läuft in den Bahnhof ein. Während der Fahrt fesselte die exotische und subtropische Landschaft den Blick. Fremde Gerüche und Geräusche die wohl für immer unvergessen bleiben werden. Die Faszination blendet in der Erinnerung sogar den Müll und den Gestank aus – nur idealisierte sonnendurchflutete Bilder sind im Kopf geblieben.
In der Stadt Lucknow, in der unser Zug hält, tobt gerade ein Studenten- und Arbeiteraufstand. Hunderte Menschen, auf dem Weg nach Hause und nicht wenige auch auf der Flucht vor der Polizei, stürmen den Zug.
Da der Zug ohnehin schon voll ist teilen wir nun das sechs Personen Abteil mit mit 18 ! weiteren Indern. Nach dem der Zug Lucknow verlassen hat, bricht der Abend herein und es dauert nicht lange bis es dunkel ist. Eine funzelige Deckenbeleuchtung versucht vergeblich da überfüllte Abteil zu erleuchten und es wird zunehmend schwer auf die Taschen aufzupassen. Es ist einfach unvorstellbar fünf oder sechs weitere Stunden in einem Zug zu fahren, in dem auf einem Quadratmeter fünf paar Schuhe stehen – ein Gang zur Toilette – ausgeschlossen! Glücklicherweise hält der „Assam-Express an vielen Stationen“. In Gondar kommt die Erlösung in Gestalt der „Railway Protection Police“ die den Zug räumt. Man wird von diesen Menschen, die gegen Missstände in einer Gesellschaft, die viele Menschen nicht als solche betrachtet, in der Welt nichts hören. Dies ist zu weit weg um eine Meldung wert zu sein. Monoton rattert der Zug durch die Nacht und trifft um 2.33 Uhr in Gorakhpur ein.
Ein einprägsames Erlebnis war es, in einer spärlich erleuchteten Bahnhofshalle, über die vielen Unberührbaren zu steigen, welche die Nacht in den Bahnhöfen verbringen. Hier in Gorakhpur ist das nicht so ausgeprägt wie in Saharanpur wo ich es zum ersten Mal sah. Dort war es im Bahnhofsgebäude recht dunkel. Zuerst wunderte man sich über die eigenartigen Säcke die überall auf dem Boden lagen. Mit dem eigenen Gepäck beladen, musste man sich im Halbdunkel seinen Weg zwischen den Säcken mit den Füßen ertasten. Es dauerte einen Moment bis man realisierte, dass es in Decken gerollte Menschen waren die dort schliefen und vor der Kühle der Nacht Schutz suchten. Bis heute werden die Gesetze, die Diskriminierung der Dalits und das Kastensystem überwinden helfen sollen von der indischen Regierung nicht durchgesetzt. (Stand 1994).
Wir übernachten im Hotel „Urpan“. Es ist schwer ein solches Hotel zu beschreiben. Gemessen an den Verhältnissen vor Ort ist es sicher eines der besten Adressen. Durch ein sehr einfaches Restaurant geht es eine neonerleuchtete Treppe hinauf, die Wände sind mit giftgrüner Ölfarbe gestrichen. Die abenteuerlichsten Elektroinstallationen ziehen die Blicke auf sich. Die Zimmer sind sehr einfach, so dass sie wirklich nur zum Schlafen taugen. Wenigstens die Insekten und Geckos fühlen sich hier anscheinend sehr wohl.
Nach einem Frühstück in Form von Eiern, Toast, einer fetttriefenden Bratwurst und Tee, der nirgends in der Welt so gut schmeckt wie auf dem Subkontinent, besichtigen wir Saraya und die zur dortigen Zuckermühle gehörende Eisenbahn. Die älteste Lok die hier noch im Einsatz ist, wurde 1883 in England bei der „Vulkan Foundry“ für die indische Staatsbahn gebaut. Ihre großen Zeiten im Schnellzugdienst sind längst vorbei und heute zieht sie nur noch fallweise Zuckerrohrzüge von den Feldern zur Mühle.
„Just for Fun“ fahren wir am 04.02.1994 von Samastipur nach Naya Nagar. Auch auf dieser Kapspurbahn werden noch viele Züge von Dampflokomotiven gezogen. Auf mehreren hundert Kilometern Strecke erschließt diese Bahn die Dörfer und Agrarflächen im Hinterland. Hier ist Indien wirklich schön und auch noch weitestgehend müllfrei. Sattgrüne Wälder und Felder in einem fremd riechenden Kosmos. In den Zügen fährt auch das Heu und die Obsternte mit. Die Schweine und Ziegen vom und zum Markt sowieso. Verkäufer bieten aus ihren Bauchläden Zigaretten, Knabbereien und Getränke. Die Musikkapelle die in diesem Zug zu einer Hochzeit fährt spielt jetzt für uns, denn an diesem Tag waren wir die Attraktion.
Um den Gegenzug zu nehmen und am Abend wieder in Samastipur zu sein, steigen wir in Naya Nagar aus.
Ein verschlafen wirkender Ort. An einer fahrbaren Garküche gibt es gebratene Kartoffeln mit unbekannten Kräutern – das Beste was ich auf dieser Reise gegessen habe. Unsere Anwesenheit spricht sich schnell herum. „Fünf eigenartige Leute am Bahnhof die alles fotografieren“. Das Dorf erwacht und es dauert nicht lange bis wir von etwa 30 Leuten aus der nahen Umgebung bestaunt werden. Der Gegenzug soll um 11.19 abfahren. Doch wir erfahren, dass die Lok eine Schaden hat und der Zug sich deshalb um einige Stunden verspätet. Ein weiterer Vormittagszug ist ebenfalls ausgefallen.
Um 14.30 kündigt eine mächtige schwarze Rauchsäule unseren Zug an. Die YG 3520 hat mit dem hoffnungslos überfüllten Zug, auf dem auch schon die meisten Dächer besetzt sind, ihre Mühe. Zunächst finden wir Platz in einem Einstieg. Dort stehen mehrere Einheimische und deren Körbe in denen sich Fisch und Eis befinden, der sicher für den Markt in Samastipur bestimmt ist. Die Hitze hatte eine Teil des Eises schon schmelzen lassen, so dass nun im gesamten Einstiegsbereich „Fischsuppe“ schwamm. Also schnell wieder raus aus dem Wagen.
Die Abfahrt des Zuges zu fotografieren ist mir dann doch wichtiger als einen Platz zu suchen den es nicht gibt.
Nach den Fotos, hangele ich mich an der anfahrenden Lokomotive auf den Führerstand. Leider kann ich mich mit dem Personal nicht verständigen, sie haben jedoch nichts gegen eine Mitfahrt auf ihrem Arbeitsplatz. Die Temperaturen, die draußen noch als angenehm empfunden werden, liegen auf dem Führerstand bei annähernd 50 °C. Im nicht besten technischen Zustand, hat die Lokomotive Mühe den schweren überfüllten Zug zu beschleunigen. Der Heizer schippt unermüdlich alle fünf Minuten Kohle in das gefräßige Feuerloch. Die ausgeschlagenen Stangenlagen klappern im Takt dazu. An vielen Verschraubungen rinnt das Wasser an der Kesselwand herunter und es zischt Dampf aus undichten Stellen. Die lose Mittelpufferkupplung bewirkt, dass man das Gefühl bekommt als springe die Lokomotive vor und zurück. Es rumpelt und vibriert als sich die Tachometernadel die 58 k/mh Marke berührt. Nun beginnt eine angenehmer Wind den Führerstand zu lüften. Zurück durch die Zuckerrohrfelder, die Wälder und grüne Wiesen. Vorbei an Dörfern und Hütten aus Schilfrohr die man wohl nie wieder sehen wird. Der Zug eilt Samastipur entgegen. Das letzte Stück der Fahrt erlebe ich auf einem der Wagendächer wo einem ununterbrochen Rußstücke ins Gesicht stechen. Die Lokmannschaft holt das letzte aus der altersschwachen Maschine heraus um noch etwas Zeit bis Samastipur herauszufahren. Im rötlich warmen Nachmittagslicht läuft der Zug in den Bahnhof ein und eine der schönsten Zugfahrten geht zu Ende.
Von hier geht es weiter mit der Breitspurbahn nach Muzzafapur. Der „Tara-Express“ sollte planmäßig um 10.15 Uhr von Samastipur abfahren, hat jedoch sechs Stunden Verspätung. In Muzzafapur angekommen fällt in der Stadt der Strom aus.
Im Kerzen und Taschenlampenschein suchen wir den Weg aus dem Bahnhof zu einem Taxi. Der Fahrer des „Willy-Jeep“ Taxis hat einige Mühe das Hotel zu finden, doch schon bei dem zweiten Versuch gelingt es ihm. Dieses Hotel erinnert in allen Details an ein Stundenhotel und die nicht alltägliche Situation, dass es hier eine Badewanne und warmes Wasser aus allen Anschlüssen gibt unterstreicht die Vermutung. Trotzdem das Notstromaggregat die ganze Nacht „durchdieselt“ finde ich ein wenig Schlaf. Aber ausschlafen kann ich ja auch zu Hause.
DARJEELING HIMALAYA RAILWAY
Auf welchem schwarzen Tee findet man nicht den Aufdruck „Darjeeling“? Auch durch die koloniale Vergangenheit der Stadt im heutigen Bundesstaat Westbengalen, ist dieser Name sicher einigen bekannt. Doch es gibt noch andere Gründe, die den Ort Darjeeling zu etwas besonderen machen. Von hier, im Vorgebirge des Himalaya erreicht man Aussichtspunkte , von denen man bis zum Mount Everest blicken kann. Hier, zwischen Nepal und Bhutan, auf 2.185 Metern Höhe, bauten sich die englischen Kolonialherren ein Refugium, um sich vor der schwülen Hitze der Ebene zurück zu ziehen.
Damit auch die Anreise bequem ist, ließen die Engländer von Shiliguri ausgehend eine 610 Millimeter Schmalspurbahn bis hoch nach Darjeeling anlegen. Man sollte nicht vergessen, dass lediglich die Planungen und die Ingenieurleistungen von den Kolonialherren geleistet wurden. Die harte körperliche Arbeit wurde von mehr oder weniger freiwillig rekrutierten Landarbeitern verrichtet. 1964 wurde die Bahn bis zum Breitspurbahnhof von New Jalpaguri verlängert. Im Jahr 1994 ist diese Bahn sicher die spektakulärste Schmalspurbahn der Welt, zumal sie ausschließlich mit Dampflokomotiven betrieben wird.
Die Abfahrt des Passenger D 3 vom New Jalpaguri verschiebt sich von 6.45 Uhr auf 7.30 Uhr. Auf der vorderen Pufferbohle sitzen zwei Männer, die in jeder Steigung für gute Reibung sorgen. Aus einer großen Kiste greifen sie Sand, um diesen zielgenau auf die Gleise rieseln zu lassen. Im offenen Führerstand wacht der Lokführer über die Strecke und der Heizer über das Feuer. Enge Kurven, Loops und Spitzkehren lassen die Strecke in dem schwierigen Gelände schnell an Höhe gewinnen.
Obwohl dies ein planmäßiger Zug ist, der auch von Einheimischen genutzt wird, ist es uns möglich viele Extrastops für Fotos entlang der Strecke einzulegen. Im Kopfbahnhof von Kurseong kreuzt man den Gegenzug. In der engen Ortsdurchfahrt Richtung Darjeeling teilt sich die Strecke den Platz mit fliegenden Händlern, Fußgängern und Autos.
Fahrzeiten sind nur grobe Planungen an die man sich nicht immer halten kann. Die zum Teil über einhundert Jahre alten Lokomotiven brauchen unterwegs auch schon mal etwas mehr Zuwendung durch einen geschulten Mechaniker.
So sollte eine mehrstündige Verspätung immer eingeplant werden.
Unser Zug kam mit eineinhalb Stunden Verspätung in Darjeeling an.
Die letzten Sonnenstrahlen, die am Abend durch die Gassen fallen, verschwinden und es beginnt empfindlich kühl zu werden. Düster und heruntergekommen wirkt nun die Stadt. Von der kolonialen Herrlichkeit hat außer den mehrstöckigen Holzhäusern in verblichenen Farbkleid nicht viel die Jahre überstanden. Schwaches gelbliches Laternenlicht erleuchtet brüchige Gehwege und Bretterbuden, in denen die Waren des tägliches Bedarfs angeboten werden.
Im Hotel „Central“, in dem wir untergekommen sind, haben sich jedoch herrschaftliche Gepflogenheiten bis heute gehalten.
Die Zimmereinrichtung scheint zu großen Teilen über 50 Jahre alt zu sein. Ein Bett, ein Schrank, Stühle und ein Tisch aus dunklem Tropenholz stehen auf einem dicken Teppich. Ein dicker „Teppich“ , mit dem die Tür verhängt ist, schützt dem Raum vor Zugluft, welche durch die Ritzen der Tür zieht. Altertümliche Lampen mit aufwendigen Verzierungen spenden ein warmes Licht. Jedoch betragen die Stromschwankungen hundert Prozent und so wird es immer mal wieder minutenlang stockdunkel im Zimmer.
Knarrend öffnet sich die Tür und der Hotelpage schlüpft mit zwei Kohleneimern beladen in den Raum. Bedächtig schichtet er neue Steinkohlen auf das glimmende Kohlenbett im Kamin.
Als wir vom Abendessen kommen, lodert das Feuer im Kamin und die wohlige Wärme im Zimmer lässt uns schläfrig werden.
Um 4:00 Uhr ist die Nacht beendet. Wir greifen unser Fotozeug und Decken und besteigen vor dem Hotel die Land Rover. Die Autos rumpeln eine unbefestigte Bergstraße hinauf. Die Scheinwerfer brennen einen Tunnel in die Nacht. Das Gras entlang des Weges schimmert weiß vom Raureif. Es sind wohl kaum über null Grad Celsius. Nach einer halben Stunde sind wir angekommen am Aussichtspunkt Tiger Top.
An diesem Morgen ist es windstill und klar und während des Sonnenaufgangs schälen sich die Silhouetten des Himalaya aus dem Schwarz der Nacht. Es ist bitterkalt. In eine Decke gewickelt, versuche ich warm zu bleiben. Für die Batterien meiner Kamera sind es hier oben die letzten Minuten und sie sterben den Kältetod. Den Rest der Reise werde ich mich auf meine gute alte mechanische Kamera verlassen müssen. Doch auch ohne Bilder bleibt der Blick auf die schneebedeckten Gipfel bis hin zum Mount Everest unvergesslich. Von dunklem Orange bis zum strahlenden Weiß, zeigen die Gipfel der Berge auf denen die Götter wohnen ihr vollendetes Farbenspiel.
Verbotenes Land
Assam, ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung wo ich war. Auch von Teepackungen war mir dieser Landesteil namentlich nicht wirklich ein Begriff. Klar, den APA Guide hatte ich vor der Reise verschlungen und mir war klar, dass diese Gegend bis vor kurzem für Ausländer absolutes Tabu war.
Viele separatistische Bewegungen liefern sich zum Teil bis heute Kämpfe mit der indischen Armee und verüben Anschläge. Einige Orte sind auch heute nur mit Sondergenehmigungen zu bereisen.
Seit 1988 werden Stück für Stück Waffenstillstands- und Friedensabkommen geschlossen.
Diese innenpolitisch komplexen Vorgänge interessieren uns auf dieser Reise nicht. Den Leistungen der letzten klapprigen Kapspurlokomotiven aus der indischen Lokomotivschmiede TATA galt unser Interesse.
Deutlich gezeichnet vom tropischen Klima sind die großen Buchstaben auf dem kleinen Flughafengebäude. BAGDOGRA steht dort. Überraschenderweise gibt es hier im ersten Stock ein großes gepflegtes Restaurant, in dem wir die Zeit bis zum Abflug verbringen können.
An der Wand prangt ein aufdringliches Fotografieren verboten Schild. Wir halten uns besser daran. Die MIG 21 Düsenjäger der indischen Luftwaffe, die ständig starten und landen, machen deutlich wer hier auf dem Flughafen das sagen hat.
Mit Zwischenstop Calcutta gelangen wir nach Dibrugarh im Bundesstaat Assam.
Mit dumpfen Dröhnen kurvt der TATA Bus durch die hüglige Landschaft und der Fahrer versucht jedes Schlagloch zumindest mit einem Rad zu treffen.
Zwischen hohen Bäumen breiten sich sattgrüne Teefelder aus. Idyllisch wie in einer Teewerbung, wären da nicht die Plantagenarbeiterinnen, die mit einer Chemiebombe auf dem Rücken die Felder besprühen. Nicht nur hier sondern überall. Nicht nur zwanzig sondern tausende Arbeiterinnen und Arbeiter. Werde ich je wieder einen Teebeutel in die Tasse hängen, ohne das dieses Bild vor meinem inneren Auge im Kopf projiziert wird?
Wir biegen auf eine Hauptsraße Richtung Tinsukia ab. Hinter der Stadt führt die Bahnlinie nach Makum parallel zur Straße. Wir fahren neben dem Passenger 251 gezogen von der YP2381 her.
Wir fahren auf Höhe der Lokomotive parallel zum Zug. Dampf entweicht aus allen Ritzen der Kesselverkleidung, das Geklapper der Treibstangen ist bis in den fahrenden Bus zu hören. Bis Powai folgen wir dem Zug. Dort trifft er auf die YG 4440 die im Bahnhof ihren Güterzug zurecht hobelt.
Hier nahe der Grenze zu Burma, betreibt die „Indian Coal Ldt“ eine Kohlemine mit einer streckenweise zweigleisigen Werkbahn, die den Transport zur Kohlewäsche übernimmt. Außergewöhnlich daran ist nur, dass die Züge von ausgedienten Satteltanklokomotiven der „Darjeeling Himalaya Railway“ gezogen werden. Die nur etwa drei Kilometer lange Strecke, ist mit der Ortsdurchfahrt samt Fußgängerbrücke, einer langen Brücke und der Lage mitten im Dschungel, fotografisch interessant.
Was wir nicht sehen sind die rußschwarzen Arbeiter, die sich ohne Sicherheitsvorkehrungen hunderte Meter tief in den Boden graben um das schwarze Gold ans Tageslicht zu bringen. Auf dem Anschluss zur Staatsbahn wird die Kohle dann wiederum ohne technische Hilfsmittel mit Körben von Hand in Güterwagen umgeladen. Wie hunderte Ameisen wimmeln die Arbeiter auf den Kohlebergen durcheinander. Für das nackte Überleben verkaufen sie ihre eigene Gesundheit. Wenn sie mit 40 Jahren an Staublunge sterben wartet schon der nächste ungeduldig auf den Arbeitsplatz. Auf der Rückfahrt von Ledo nach Dibrugarh kreuzt die Pazifik Lokomotive YP 2339 mit dem Passenger 252 unseren Weg.
Modi Luft, prangt in großen Lettern auf der betagten Boing 737-200. In der Kabine ist von der Beschriftung in Deutsch bis zu den Uniformen der Stewardessen alles noch so, wie man es von der Lufthansa übernommen hat. Auch die üppigen Sitzabstände, wie sie noch Anfang der achtziger Jahre üblich waren, hat man nicht verändert.
Die ewig lächelnden Gesichter der Stewardessen mit den schwärzesten Augen, die ich je gesehen hatte, sind das einzige was einen daran erinnert, dass man auf dem indischen Subkontinent ist. Als Mahlzeit wird ein pikant scharfer, eingerollter Fladen mit Fleisch und Gemüse gereicht. Mit dem Ausschank von Alkoholika ist man nicht sparsam. Es scheint fast, als würden sie uns zum trinken animieren. Bier und indischer Whiskey fließen in Strömen. Es ist geradezu bedauerlich, dass dieser Flug nur drei Stunden dauerte.
Beschwipst und gut gelaunt landen wir in Delhi, wo wir in dem vornehmen Hotel Imperial unterkommen.
Schreibe einen Kommentar