TÜRKEI – DAMPF UNTERM HALBMOND
11.09.1993 – 18.09.1993
Im Sommer 1990 erloschen die Feuer in den letzten planmäßig eingesetzten Lokomotiven auf türkischem Boden. Bis zu diesem Zeitpunkt, vier Jahre nach dem offiziellen Ende des Dampfbetriebes in der Türkei, hatten sich noch viele der Ferrofossilien als Rangierlokomotiven halten können. Mit diesen Dampfloks blieb auch die nötige Infrastruktur, wie Wasserkräne, Ausschlackgruben und Kohlebansen erhalten. Beste Bedingungen um vermeintlich Versäumtes nachzuholen. Günter Ozcko und Dietmar Kramer veranstalteten so ab 1991 zahlreich Touren mit authentischen Zuggarnituren bespannt mit allen noch verfügbaren Dampflokomotivbaureihen der TCCD:
Zwei Wochen vor der zweiten Tour entschloss ich mich an dieser Tour teilzunehmen. Allerdings beinhaltete der Preis von 1.100 Mark nur das Landarrangement. Den Flug hin und zurück bekam ich für günstige 470 Mark in einem türkischen Reisebüro im Berliner Stadtteil Wedding.
Nachdem ich es vom Flughafen in Ankara zum Busbahnhof der gleichen Stadt geschafft habe, geht die Suche nach dem richtigen Bus und dem dazugehörigen Ticketverkauf los.
Ich spreche kein Türkisch, ein schlechtes Deutsch und ein noch schlechteres Englisch.
Es mutet wie ein Wunder an, dass ich es bis in den Bus nach Erzurum geschafft habe.
Mit wenigen Pausen rast der Überlandbus in 14 Stunden von Ankara nach Erzurum. Unterwegs gab es im Bus auch einen „Steward“, der aus einem Kühlschrank Wasser, welches in wabbeligen Plastiktüten eingeschweisst war, verteilte. Ich war der einzige Ausländer in diesem Bus. Ein älterer Türke war ein Gastarbeiter der ersten Generation in Deutschland und so konnte ich wenigstens etwas Konversation betreiben.
In Erzurum schlage ich mich zum „Büyük Erzurum Hotel“ durch in dem auch die anderen Reiseteilnehmer untergekommen sind. Für mich gibt es noch ein fensterloses Zimmer in dem ich natürlich verschlafe.
Ohne Frühstück fahre ich mit einem Taxi zum Bahnhof.
Für einen schwarzen Tee am Bahnsteigimbiss ist noch Zeit. Tiefbraun mit viel Zucker. Obwohl ich nicht der überzeugte Teetrinker bin, dieser Tee überzeugt mich geschmacklich. Wenig später setzt sich der Güterzug mit Personenbeförderung nach Kars, gezogen von der 56 140, in Bewegung. Bis Ende der 80´er Jahre war das hier Normalität. Die Dampflokära endete offiziell mit der Einführung der Diesellokbaureihen DE 11 und DE 24. Völlig abgewirtschaftete und schrottreife Lokomotiven versahen aber in abgelegenen Gegenden bis 1990 ihren Dienst. Die stählernen Zeugen waren in vielen Depots bis 1994 zu sehen. Lokomotiven, deren Kesselfrist noch nicht abgelaufen war zogen bis Ende der 90´er Jahre Sonderzüge für zahlende Gäste. So auch zwischen dem 12. und dem 18. September 1993 zwischen Erzurum und Kars.
Um 1915 war das Gebiet der Schauplatz des viel diskutierten Völkermordes an den armenischen Anatoliern durch die Türken. Das Gebiet um Kars war bis nach dem 2. Weltkrieg an das Russische Reich angegliedert.
Die spektakuläre Bergstrecke führt auch zum höchstgelegenen Bahnhof Atit (2300 m) der TCCD und von Kars sind es nur noch wenige Kilometer bis zur armenischen Grenze.
Von Erzurum nach Sarikamiú existierte eine Breitspurstrecke als Teil einer geplanten aber nie fertig gestellten Strecke Europa – Indien Von Sarikamiú nach Kars gab es eine russische 750 mm Schmalspurbahn. Beide Strecken wurden zwischen 1957 und 1962 auf Normalspur umgespurt.
Bekanntermaßen strebt die PKK in der Osttürkei einen unabhängigen Staat an.
Es ist müßig zu erörtern ob das Huhn oder das Ei zuerst da waren.
Fakt ist, dass diese Situation bis heute unverändert anhält.
In der Nacht waren in Erzurum Schüsse zu hören und auf der Fahrt von Erzincan und Divigri sind Soldaten im Zug mitgefahren. Anschläge auf Einrichtungen des türkischen Staates, wozu auch die Eisenbahn gehört, fordern immer wieder Opfer.
„Alles was hier wächst hat Stacheln!“ ist der Spruch an den ich mich bis heute erinnere.
Erosionshalden, Steine und Dornenbüsche sind die bestimmenden Elemente der osttürkischen Landschaft. Das wenige Grün findet sich fast nur in den Flusstälern. Weite Täler wechseln mit spektakulären Bergpanoramen und der Verlauf der Strecke ist gekennzeichnet durch unzählige Brücken und Tunnel.
Der Bau der Strecke durch die Euphratschlucht forderte die Ingeneure und gehört wohl zu den landschaftlich beeindruckensten Strecken des Orients.
Nach zwei Dritel der Strecke von Erzurum nach Erzincan fährt die Bahn in das Euphrattal ein. Zunächst noch weitläufig verengt sich aber nach Gülübag dramatisch.
Die Landschaft ist hier schon mediterran und hinter Ulukisla fährt man durch ein unsichtbares Tor. Plötzlich wird es feuchtwarm, rechts und links der Bahn liegen Felder und die Landschaft ist saftig grün.
Quellen
Mein Reisetagebuch
Recherchen bei Brockhaus und Wikipedia
Schreibe einen Kommentar