PAKISTAN – Khyber Pass & Karachi
Als vor fast 10 Jahren die Pakistan Railways den Betrieb auf ihrer wohl schönsten Eisenbahnlinie, dem Khyber-Pass von Peshawar nach Landi Kotal an der afghanischen Grenze, nach zahlreichen Zwischenfällen aus Sicherheitsgründen einstellten, glaubte wohl niemand, dass hier jemals wieder ein Zug fahren würde. Schon in den siebziger Jahren beschränkte sich der Verkehr ohnehin auf nur noch wöchentlich ein Zugpaar am Freitag, bestehend aus meist zwei Personenwagen und gelegentlich beigefügten Güterwagen, die über die gesamte Strecke von je einer Dampflok der Baureihe SGS am Zuganfang und Zugende befördert wurden.
Die Khyberpasslinie gilt als technische Meisterleistung mit zahlreichen Brücken, Tunneln und zwei übereinanderliegenden Spitzkehren. Entsprechend lang war auch die Bauzeit. Erste Pläne zum Bahnbau entstanden 1879 im zweiten Afghanischen Krieg, doch da erste Gutachten zeigten, dass der Bau der Bahn auf große Schwierigkeiten stoßen würde, wurde die Strecke bis 1901 nur von Peshawar Cantonmeni bis zum Fön Jamrud verlängert. Im Jahre 1919 wurde ein neues Gutachten erstellt, welches die Bahn für realisierbar hielt Schon im darauffolgenden Jahr, als auch die Pathananenstämme sich mit dem Bahnbau einverstanden erklärt hatten, wurden die ersten Gleise verlegt. Die Pathanen beteiligten sich sogar am Bau. Die Gleise erreichten das 52 km entfernte Landi Kotal am 3. November 1925. Dessen Bahnhof erscheint mit seinen umfangreichen Gleisanlagen für die einmal pro Woche mit drei Wagen verkehrenden Züge völlig überdimensioniert. An der 40 Kilometer langen Strecke liegen vier Spitzkehren, 92 Brücken und 34 Tunnel mit einer Gesamtlänge von fünf Kilometern. Bis Ende 1926 wurden dann weitere 19 km Gleis bis in das unmittelbar an der Grenze gelegene Landi Khana fortgeführt, mit nicht minder spektakulärer Streckenführung. Dort traf man sogar schon Vorbereitungen für eine Verlängerung nach Tork-ham und Afghanistan. Diese Pläne wurden jedoch nie realisiert.
Gross kann der Nutzen dieser Verlängerung jedoch nie gewesen sein, denn nicht nur die Verlängerung wurde nie gebaut, ab 1932 wurde auch Landi Kolal – Landi Khana wieder aufgegeben. Noch heute, über 60 Jahre später, findet man dort noch alle Gleise; Signale, Tunnel und den Bahnhof von Landi Khana, wenngleich hier und dort eine kleine Steinlawine die Strecke unter sich begraben hat. 1929 waren im Fort ein britisches und drei indische Infanteriebataillone, eine indische Gebirgseinheit, eine Artillerieabteilung sowie eine Funkerbrigade stationiert. Dies unterstreicht auch die militärische Bedeutung der Bahn. Überhaupt konnte die Khyberbahn ihren strategischen Wert nie unter Beweis stellen, denn 1947 musste das britische Empire den Indern die Unabhängigkeit zugestehen. Selbst zu Glanzzeiten der North Western Railways, aus denen nach der Unabhängigkeit die Pakistan Railways hervorgingen, sah die Khyherbahn nie mehr als zwei Zugpaare pro Woche.
Auf Eisenbannfreunde übte der Khyberpass dennoch eine aussergewöhnliche Faszination aus, begibt man sich doch auf eine Reise in die Vergangenheit. Günter Oczko dazu: „Im Gegensatz zum gesamten indischen Subkontinent fällt dem Besucher auf, dass in der unmittelbaren Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan Gesetz und Ordnung sehr weitgedehnte Begriffe sind und die ansässigen Stämme doch weitgehend unabhängig leben und handeln. Karachi und Islamabad sind sehr weit weg und so verwundert es auch nicht, dass sehr viele Menschen am Khyber-Pass bestens bewaffnet bis hin zur Kalaschnikow auf der Straße anzutreffen sind. Wenn es einem mal gerade danach ist, ballert man auch ein bisschen sinnlos in die Luft oder auf Dosen, sozusagen aus Langeweile.“
Geregelte Arbeit haben am Khyber nur Wenige. Während ich einmal in einem Laden in Jamrud meine Vorräte für den Tag ergänzte, verschwand unser Taxifahrer in einem Nachbarladen, um sich mit der nötigen Tagesration Haschisch einzudecken – und es auch gleich am Morgen konsumierte. Dem ausländischen Besucher jedenfalls begegnen die Menschen am Khyber meist sehr freundlich, nur gelegentlich auch mal etwas reserviert. Der seit 1980 dauernde Krieg in Afghanistan und das Millionenheer von Flüchtlingen, die über die Grenze kamen und auch in der Region um Peshawar auf bessere Tage warten, hat die Sicherheitslage am Khyber etwas instabil gemacht.
Günter Oczko zum Thema Sicherheit: „Um überhaupt in Richtung Khyber-Pass aufbrechen zu können, mussten wir im Januar 1994, genauso wie auch bei unserer ersten Reise zum Khyber 12 Jahre zuvor eine Sondergenehmigung der Khyberpolizei einholen. Zu unserer persönlichen Sicherheit stellte die Khyberpolizei uns wieder für zwei Tage einen bewaffneten Soldaten. Ohne Sondergenehmigung endet jede Individualreise zum Khyberpass schon vor dem ersten Schlagbaum am Stadtrand von Peshawar, denn hier wird jeder Khyberbesucher registriert. Wenn gleich der begleitende Soldat auch schon mal unsere ungestüme Bewegungsfreiheit nach dem besten Fotostandpunkt etwas einengte, nicht zuletzt auch aus Angst um unser Wohlergehen, so fühlt man sich doch sehr viel sicherer gegen mögliche Angriffe von Einzelnen, weniger freundlich gesinnten Flüchtlingen oder sonstigen etwas zwielichtigen Figuren. Bei Dämmerung sollte jeder individuell reisende Khyberbesucher tunlichst wieder zurück in Peshawar sein.
Für die Eisenbahnfreunde, die im organisierten Dampfloksonderzug zum Khyber- Pass sitzen, ist jedenfalls alles bestens arrangiert und somit genauso harmlos wie jede andere Bahnfahrt irgendwo auf dem indischen Subkontinent.“ Anfang der achtziger Jahre wurde der Khyber – Pass, der für Ausländer offiziell gesperrt war, wieder freigegeben. Bis 1984 fuhr pro Woche nur ein Zug. Danach wurde der Betrieb aufgrund von Kämpfen zwischen dem Militär und dort ansässigen Stämmen eingestellt. Im Sommer 1993 wurden zur Verwunderung und Freude vieler Eisenbahnfreunde vier Dampfloks der Reihe HGS nach Peshawar unbeheimatet, nachdem sie im Süden des Landes entbehrlich wurden. Sieben Jahre nachdem die letzten Rangierdampfloks der Reihe SGS verschwanden, kehrte der Dampf zurück. Wenngleich die Wiederaufnahme des planmäßigen Zugbetriebes auf keinen Fall angestrebt wird (er wäre vollkommen unrentabel, da sowieso kaum ein Fahrgast zahlt), so kann nun wieder auf Bestellung für einheimische Touristengruppen sowie ausländische Eisenbahnfreunde mit dem Dampfzug zum Khyber-Pass hinaufgefahren werden.
Zur Zeit stehen im Bw Peshawar die Loks HGS 2216, 2264 und 2277 zur Verfügung, eine vierte HGS erhält gerade in AW von Lahore eine Hauptuntersuchung. Mit der Wiedereröffnung der Strecke zum Khyber-Pass hat Pakistan als Reiseziel für Eisenbahnfreunde sehr an Attraktivität gewonnen, zumal es noch immer planmäßige Einsätze von Breitspurdampfloks SPS und SGS im Raum Malakwal, von CWD im Raum Samasata sowie Meterspurdampf auf dem Netz von Mirpur Khas gibt. Nachdem im Winter 1993 und 1994 schon fünf Reiseveranstalter aus Deutschland und England Dampfloksonderfahrten durch Pakistan durchgeführt haben, hat die Hauptverwaltung der Pakistan Railways in Lahore sehr wohl den Wert ihrer noch verbleibenden einsatzfähigen Dampfloks erkannt. So dürfte noch mancher Eisenbahnfreund die Gelegenheit haben, mit Dampf durch Pakistan zu fahren bis hinauf zum legendären Khyber-Pass.
So wurde unter anderem vom 21.1.1994 bis zum 29.1. 1994 von einem Reiseveranstalter eine Tour nach Pakistan organisiert, bei der unter anderem auch die Khyberbahn in der North West Frontier Province besucht wurde. Dabei konnte, wie die Teilnehmer von drei anderen Reisegruppen im vergangenen Jahr, auch unser Leser Jörg M. Seifert eine der berühmtesten Passstrecken der Welt mit Dampflokomotiven befahren. Er beichtet: „Wir fuhren zunächst mit dem Bus nach Jamrud. Auf der Fahrt dorthin passierten wir an der Stadtgrenze einen Schlagbaum, der die Grenze zu den Stammesgebieten markiert. Nach einer Scheinanfahrt ging es von Jamrud aus bei traumhaft schönem Wetter in die bizarre Bergwelt. Vorbei an den Wohnburgen der Stammesfamilien, bei dessen Kindern es Tradition ist, die vorbeifahrenden Züge zu steinigen.“
Die Zuglok und die Lok am Zugschluß, die man in den Spitzkehren benötigt, hatten keine Probleme, unsere zwei Personenwagen und den Wasserwagen bergwärts zu ziehen. Dank gebührt auch der pakistanischen Seite, durch deren Kooperativität es möglich war, fast jeden gewünschten Streckenkilometer abzulichten. Auch bei den Einheimischen fand der Zug Anklang, zeitweise war die Pufferbohle der Lok so dicht besetzt, daß kaum die Rauchkammer zu sehen war. In Landi Kotal, wo die Menschen bis heute vom Waffen- und Rauschgifthandel leben, war Endstation für unseren Zug, und nach kurzem Aufenthalt ging es wieder gen Peshawar.
In Jamrud trafen wir auf den Hilfszug gezogen von HG/S 2277, der immer dort bereit steht, wenn ein Zug am Pass unterwegs ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch in Zukunft Reisegruppen finden, mit deren Hilfe diese einzigartigen Loks instandgehalten werden können, so dass man sie noch recht lange auf dieser legendären und spektakulären Strecke erleben kann.
Karachi – Der Hafen
Ich und mein Reisbegleiter beeilen uns mit dem Frühstück, denn wir wollen möglichst früh am Fischmarkt sein. Mit einem Taxi, eine Kutsche bräuchte zu lange, fahren wir die M. A. Jinnah Road hinunter zum Westkai. Gleich hinter dem Eingang erhebt sich die alte Markthalle aus viktorianischer Zeit. Hier wird täglich der Fang der Fischerboote versteigert. Von Geschäftigkeit getrieben, laufen Händler und Fischer scheinbar wild durcheinander. Überall auf den Tresen und auf dem Boden vor der Halle liegt Fisch der mit Schippen von Salz haltbar gemacht wird. Die Luft ist erfüllt von dem intensiven Geruch der herumliegenden Meeresbewohnern. Hier sehe ich zum ersten Mal einen Hai. Gegen halb Zehn geht der Handel seinem Ende entgegen und wir laufen zum Hafen hinunter.
Die bunten Fischerboote bedecken die Wasseroberfläche vollends, so dass man gerade noch das gegenüberliegende Ufer erkennen kann. Unzählige Masten ragen wirr in den Himmel und mischen sich mit den Tauen und der Takelage zu einem unlösbaren Gewirr.
Je nach Grösse sind die Boote zwei Wochen und bis zu fünf Monaten auf See. Unglaublich, denn auch die grösseren Boote wirken hier im Hafen schon wie Nussschalen. Um den Fisch auf diesen langen Fahrten frisch zu halten werden 150 bis 300 Blöcke Trockeneis mitgenommen. Damit auch die Besatzung für diese Zeit mit Lebensmitteln versorgt ist, nehmen sie auch Ziegen, Hühner und Gemüse mit. Als Treibstoff für den Motor werden bis zu fünfzigtausend Liter Diesel mitgeführt.
Die Fangquote beträgt zehn bis fünfzigtausend Fische, wo bei ich interessant fand, dass man uns die Fangquote in einzelnen Fisch statt in einer Gewichtseinheit nannte.
Nachdem wir hier auch einen Film durch geleiert haben, gehen wir weiter zur Werft in der die Fischerboote gebaut werden. Wir fühlen uns um vierhundert Jahre zurückversetzt. Die Boote werden hier so gebaut, wie man es auf Darstellungen aus dieser Zeit gesehen hat. Die Boote werden auf dem sandigen Boden auf Kiel gelegt und dann mit blossen Händen und Zimmermannsgeschick auf traditionelle Art gebaut. Die farbenprächtigen Anstriche geben jedem Boot sein individuelles Aussehen. Wie wir dort staunend herumlaufen, werden wir von einem der Bootsbauer auf das Dach seiner Werkstatt zum Tee eingeladen. So sitzen wir in der Morgensonne im Schneidersitz auf dem Dach und schlürfen schwarzen Tee mit Zucker, während der Chef an seiner Wasserpfeife zieht. Wir erfragen dabei ein Paar Fakten zum Bau der Boote. So erfahren wir, dass die Bauzeit eines Bootes etwa sechs Monate beträgt. Die Lebensdauer der Boote ist je nach Beanspruchung auf bis zu fünfzig Jahren ausgelegt.
Leider müssen wir nach einer Stunde Abschied nehmen, denn es ist der Tag an dem wir nach Indien weiterfliegen.
Quelle: APA GUIDES PAKISTAN, APA PUBLICATIONS (H K) LIMITED, 1993
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