Prag 1993
Intro:
Die Stadt der tausend Türme mit der Josephstadt, der Vysehrad, dem Hradschin sowie weiten Teilen der erhalten gebliebenen mittelalterlichen Gebäuden der Kleinseite, bilden ein 800 Hektar umfassendes Denkmalschutzgebiet mit einzigartiger Silhouette.
Die steinernen Zeugen waren Heimat für Künstler wie Smetana, Antonin Dvorak, dem bedeutenden gotischen Maler Böhmens, Theoderich, Hofmalers des sächsischen Kurfürsten, Lucas Cranach und dem Hauptmeister der Donauschule, Albrecht Altdorfer. Mozart machte zwischen 1787 und 1791 gerne Urlaub in der Villa der Opernsängerin Josefina Duskova.
Franz Kafka und Egon Erwin Kisch ließen sich in den Cafés der Altstadt zu Zeilen inspirieren.
Berühmtester Vertreter der modernen tschechischen Kultur ist der Schriftsteller und Politiker Vaclav Havel.
Spätestens mit dem Fall des eisernen Vorhanges, avancierte Prag zu einem Magneten für Touristen aus aller Welt.
Heute ist es in Prag weniger das Gold, dass von den Dächern schimmert, als vielmehr das Geld, dass den Massen von Touristen abgenommen wird!
Reise:
Der Frühsommer 1993 war ideal für eine letzte Männerreise durch die ehemaligen Reiseziele des Ostblocks. Als Einwohner der von der BRD dazugekauften fünf neuen Bundesländer und DMarkzahler, waren wir in der glücklichen Situation uns all dies leisten zu können, was bis 1990 nur ein Traum war. Auf der Rückfahrt von unserem Ungarn Trip fuhren wir über die Slowakische Föderative Republik in die Tschechische Republik nach Prag.
Ja, die Tschechoslowakei hatte vor sechs Monaten aufgehört zu existieren. Während zwischen beiden deutschen Staaten die Grenzanlagen demontiert wurden, errichtete man nun eine Grenze zwischen der Tschechischen und der Slowakischen Republik. Die Autobahn wurde durch einen Schlagbaum unterbrochen. Die Grenzanlagen bestanden lediglich aus einem, auf einem Parkplatz aufgestellten Container an dem provisorische Kontrollen durchgeführt wurden.
In Prag angekommen suchten wir ein Hotel. Am Praga Hotel fragten wir nach einem Zimmer. Pro Person und Nacht wollten die uns 350 DM abzocken, was uns dann doch zu fett war.
Vor dem Hotel und in den angrenzenden Straßen hatte man in weiser Voraussicht überall Halteverbot eingerichtet. Busfahrer, welche ihre Gäste am Hotel absetzen wollten, mussten so zwangsläufig zu Verkehrssündern werden.
Wir wurden Zeuge wie man einem Busfahrer 200 DM per Sofortkasse aus der Tasche zog.
Eine Unterkunft in einem Hotel fanden wir etwas abseits, welches mit 50 DM pro Nacht nicht besonders günstig war, dafür aber den Hotelstandard in Prag drastisch nach unten zog. Das Hotel machte eher den Eindruck einer Herberge oder einem Bettenhaus für Wanderarbeiter.
Das Zimmer, in sozialistisch zweckorientiertem Stil, war nur mit dem notwendigsten Möbeln aus den frühen siebziger Jahre eingerichtet.
Gemeinschaftstoilette, Waschbecken und Dusche fand man am Ende des Flurs.
Die Spuren der letzten Saufgelage waren mit dem vollgekotzten Waschbecken unübersehbar.
Das Erfrischen ließen wir daher ausfallen und hikten bis zum Abend durch die Altstadt mit all ihren touristischen Hotspots. Die kulinarische Kultur Tschechiens ist ja nicht nur für guten Schnaps und noch besseres Bier bekannt, sondern auch für fleischhaltige Speisen mit Knödeln. Ein Grund dem Hunger in einem Restaurant nachzugeben. Mehrere tausend Kalorien sicherten die Energieversorgung für die nächsten 12 Stunden. Wir probierten zwei tschechische Bier und nahmen dazu Slibowitz. Auf der Rechnung fanden sich dann aber weit mehr Getränke als wir zu uns nahmen. Nach einer unerfreulichen Diskussion in zwei Sprachen verglichen wir uns. Nach Einbruch der Dunkelheit stürzten wir uns erwartungsvoll und naiv in das Prager Nachtleben.
Naiv bedeutete zum einen, dass wir uns ein Taxi nahmen und zum anderen, dass wir zum Wenzelsplatz fuhren. Der Touristenfalle schlechthin.
Wir bummelten zunächst um den Wenzelsplatz. Dies war jedoch eher ein Spießroutenlauf als ein entspannter Spaziergang. Es war nicht möglich eine Minute zu gehen, ohne von Strichschnepfen, aufdringlichen Waldapothekern oder Schleppern angesprochen zu werden. An einer Ecke lockte uns dann lautes Wummern aus einer Disco. Es muss wohl das „Duplex“ gewesen sein, wenn es das 93 schon gab. Fluchtpunkt und Ziel zugleich checkten wir doch ein. Ein in Marmor eingefasster puristischer Nobelschuppen in dem der Schein das ausschlaggebende Kriterium war (und sicher auch heute noch ist).
Vom Sozialismus hatte man sich aber noch nicht trennen können und definierte den Begriff Vollbeschäftigung auf eine ganz eigene Art.
Mit einem Longdrink in der Hand würden wir sicher noch cooler aussehen. Wir bestellen. Eine Dame nahm die Bestellung auf, eine weitere mixte den Longdrink der dabei schon vor dem Trinken seinem Namen gerecht wurde. Nach einer Geduldsprobe wurde der preiswerte Mix von einer weiteren attraktiven Bediensteten gereicht. Bezahlen war in der Zwischenzeit nicht möglich, da die Drinks erst nach der Aushändigung, bei einem speziell dafür qualifizierten Herren bezahlt werden konnten.
Wir genießen unser Getränk, spackten cool zum Takt der Musik und hielten nach Chicas Ausschau. Sehr entspannt und kontaktfreudig wirkten die Pragerinnen. Überraschend schnell fand sich für meinen Freund ein lecker Mädchen. Doch nach zwei Tänzchen und einem kurzem Wortwechsel erlosch ihr Interesse. Für 50 DM wäre sie aber durchaus bereit gewesen, sich weiter mit uns abzugeben und ihre Freundinnen dazu zu holen.
Es dauerte eine Zeit bis wir realisierten, was dort lief. Nun fiel uns auch auf, dass dort eine wahre Barbie Schwemmen herrschte. Lange hielten wir es dann dort wohl nicht mehr aus. Wir hikten wieder durch die Sommernacht mit einem Stopover in einer Bar. Hier weht uns der Duft von Gras um die Nase, welches uns am Wenzelsplatz auch offen angeboten wurde.
Vom Nachtleben hatten wir nun genug und nehmen ein Taxi zurück zur Bettenburg. In dieser Zeit rankten sich schon abenteuerliche Geschichten um den Taxiservice. Vom Fahrer bediente und verriegelte Türen, überhöhte Preise und von Elektroschockern in den Sitzen war da die Rede. Ganz so hart kam es für uns nicht aber der Fahrpreis für die Rückfahrt betrug bei annähernd gleicher Entfernung etwa das Vierfache. Auf Stress haben wir zu fortgeschrittener Stunde wenig Lust und ließen uns abzocken. In der Nachwendezeit manipulierten die Taxifahrer ihre Zähler oder schalteten diese erst gar nicht ein. Die lizensierte Taxiflotte wurde zudem durch eine nicht unerhebliche Menge von „Schwarztaxis“ ergänzt.
Noch vor dem Schlafengehen ist für uns klar, dass wir hier nicht länger bleiben. An diesem Tag steht für uns auch fest, dass wir nie wieder kommen.
Am nächsten Tag besuchen wir auf meinen Wunsch noch das Verkehrsmuseum in Prag. Technische Museen lassen mich grundsätzlich kalt, da man dort ja nur noch stählerne Leichen vorfindet. Jegliches Leben ist aus ihnen gewichen und damit auch die Faszination die die Maschinen unserer Großeltern einst hatten. Doch die opulente und gut präsentierte Sammlung beeindruckt sicher auch so manchen technischen Laien.
Highligts: keine gefunden
Lowlights: Der Massentourismus mit all seinen Begleiterscheinungen macht es unmöglich die Karlsbrücke, das Goldene Gässchen oder beliebige andere, des Sehens für würdig befundene, Plätze irgendwie zu genießen.
Zumindest in den warmen Monaten schieben sich Massen von Touristen durch die Gassen der Altstadt, über die Karlsbrücke hinauf zur Burg. Man spürt kein historisches Flair mehr, fühlt sich aber an die Demonstrationszüge der Samtenen Revolution erinnert.
Unfreundliches Servicepersonal und überteuerte Leistungen mindern das Urlaubsfeeling. Zudem muss man ständig aufpassen nicht beklaut oder betrogen zu werden. Vorsicht auch in Wechselstuben. 0% Commission bezieht sich nur auf den Kauf ausländischer Währung. Wer tauscht muss zahlen. Die Kommission ist immer eine andere und kann auch weit über zehn Prozent betragen.
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