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Dampflok DDR DR

13. Januar 2020

Dampflok DR DDR Fotografie Photography Schmalspur Normalspur Straßenbahn

50 3558 kommt in Wernigerode mit einem Eilzug an.

WERINGERODE Meine „Fotokarriere“ begann im Jahr 1980. Ich war 16 und es war uncool mit den Eltern in den Urlaub zu fahren. Aber da war eben auch mein Interesse an der Eisenbahn und der Fotografie. Meine Eltern wollten nach Wernigerode, wo auch die Harzquerbahn ihren Ausganspunkt hatte. Die Selketalbahn mit ihren 100 jährigen Lokomotiven, sowie die gesamte Börde, in der noch täglich viele Dampflokomotiven im Einsatz standen, waren ebenso interessant. So quetschten wir uns in den Trabbi und fuhren in den Harz.  Obwohl die allgemeintouristischen Interessen meiner Eltern konträr zu den meinen standen, habe ich dort viel vom DDR Bahnalltag auf zwei Spurweiten erleben können. Wenn ich heute in meinem Notizbuch blättere, ist es immer wieder erstaunlich wie viele dampfbespannte Züge besonders auch auf Normalspur in dieser Zeit noch unterwegs waren. Damals ärgerte mich, dass viele Loks der Schmalspurbaureihe 99 bereits auf Ölfeuerung umgebaut waren. Heute sind die Bilder aus dieser kurzen Epoche besonders begehrt. Auf dem Normalspurteil des Bahnhofs Wernigerode waren immer zwei Loks der BR 50 mit Rangieren beschäftigt oder warteten auf die nächste Zugleistung. Nicht nur einmal bin ich am Abend von unserer Unterkunft etwa drei Kilometer zu Fuß zum Bahnhof gelaufen und habe mir die Ausfahrt des P 16475 nach Halberstadt angesehen. Der Zug war genauer betrachtet kein Foto wert. Zwei vierachsige Personenwagen und eine 50 Tender voran. Die Atmosphäre jedoch war unvergesslich. Ruhig war es am Abend auf dem Hausbahnsteig. Nur wenige Reisende nutzten jetzt noch den Zug nach Halberstadt. Um 20. 56 Uhr störte metallisches Peitschen der Signaldrähte die Ruhe. Mit blechernen Quietschen reckten sich die zwei Flügel des Signals in den Abendhimmel. Ein kurzer Pfiff der Lok und der Lokführer öffnete den Regler. Keine Mühe hatte die Lok die beiden Wagen zu beschleunigen. Immer schneller wurden die Auspuffschläge. Qualm und Abdampf in den Himmel blasend, beschleunigte die Lok jedes Mal als sein es ihr letzter Auftritt. Die Auspuffschläge verhallten in der lauen Abendluft. Die Signalflügel schepperten wieder in die Haltposition zurück und es kehrte wieder Stille auf dem Bahnhof ein. Ich lief beseelt die drei Kilometer bis zum Ferienquartier zurück.

Dampflok DR DDR Fotografie Photography Schmalspur Normalspur Straßenbahn DIE POLEN SIND SCHULD! Im Abteil saßen zwei „Halbstarke“, die sich, Zigaretten paffend, über Erlebnisse im letzten Schuljahr oder beim Fotografieren unterhielten. Sie trugen die grünen Parker die damals so up to date waren. Einer von ihnen hatte sogar einen echten Bundeswehrparker aus der BRD. Auch die Hosen waren „Verwandschaftsimporte“ der Marke „Levis“ und „Jingler“. Es sind nur etwa 100 Kilometer bis Frankfurt an der Oder, aber in der DDR von 1981 war die Reise durchaus ein Abenteuer. Ganz besonders wenn man vorhatte , die letzten dort im Einsatz befindlichen Dampflokomotiven zu fotografieren. Es hatte sich zugetragen, dass 1980 der polnische Elektromonteur Lech Valesa, mit seiner Arbeiterpartei „Solidarnosz“ Entwicklungen in Gang gesetzt hatte, wie sie nur wenige Jahre später das ganze sozialistische Lager erfassen würden. Dies ahnten oder glaubten damals allerdings die wenigsten Menschen und so versuchten auch die Beiden aus ihrem Dasein in der behüteten sozialistischen Gesellschaft innerhalb eines Mauerstreifens mit Stacheldraht das Beste zu machen. Polen war offiziell immer noch der „Sozialistische Bruderstaat“, jedoch waren Reisen nach oder auch nur in die Nähe Polens mit Schwierigkeiten verbunden. In Frankfurt/O. angekommen, schlenderten die Beiden den richtigen Weg suchend, Richtung Grenzbahnhof. Eine gute Fotostelle fanden sie auf einer Fußgängerbrücke über die Verbindungsstrecke vom Grenzbahnhof zum Güterbahnhof Frankfurt /Oder. Im Halbstundentakt wurden dort schwere Züge von einer Dampflok eine Steigung hinaufgeschleppt. Zusätzlich wurden einige der Züge nachgeschoben. Dies war in den kalten Tagen des März, zumindest für Interessierte, eine beeindruckende Show die af viele Meter Film gebannt wurde. Mächtige Dampffahnen in den Himmel schreibend, kam ein Zug nach dem anderen vom Grenzbahnhof die Steigung hinauf, um seine Last zum Güterbahnhof Frankfurt zu bringen. So hatten die Beiden einen interessanten Vormittag und ahnten nicht, dass sie schon beobachtet wurden. Wenig später kamen zwei betont unauffällig und schlecht gekleidete Herren auf der Brücke auf sie zu. Der Frage nach der Fotogenehmigung und dem Personalausweisen, folgte die „Bitte“ mitzukommen. In einem zivil aussehenden „Wartburg“ fuhr man einige Kilometer durch die Plattenbausiedlungen der Stadt, bevor das Auto vor einem der typischen Betonbauten anhielt. Bald wurde klar, die STASI war der Beiden habhaft geworden. Ein umsichtiger und staatstreuer Bürger hatte die „Spionagetätigkeit“ der beiden Teenager beobachtet und dem Staatsorgan gemeldet. Nun konnte die Gefahr für die sozialistische Republik abgewendet werden. Wie schon erwähnt, handelt es sich um zwei 16 Sechszehnjährige, die mit ihren recht einfachen Kameras, die Dampfloks fotografierten, für die sie sich interessieren. Doch auf die Ausübung solcher Hobbys, noch dazu in Sichtweite der polnischen Grenze reagiert das Vaterland sehr gereizt. Der Verdacht liegt nahe, dass dies eine Gelegenheit war, Jugendlichen die noch leicht zu beeindrucken sind, die Macht des Staates vor Augen zu führen, um so die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass sie sich später wirklich ernsthaft gegen Dinge wehren, welche Unrecht sind. Wir heute wissen hat man das Gegenteil erreicht. Nach stundenlangem Verhör nimmt man den Beiden die Filme ab, um sie wie man sagt, entwickeln zu lassen und sie den Beiden zurückzugeben, wenn keine bedenklichen Details darauf zu sehen sind. Es ist natürlich klar, dass man die Filme nie wieder sehen wird. Schließlich entlässt man die Beiden mit der Aufforderung Frankfurt/Oder sofort zu verlassen. Nur leider wissen sie nicht wo sie sind. Es dauert drei Stunden bis sie zu Fuß den Weg zum Bahnhof gefunden haben. Ein gelungener Tag. Im Herbst des gleichen Jahres versuchten sie es noch einmal. Schon vom Bahnsteig konnte man in das Bahnbetriebswerk schauen, wo Dampflokomotiven aus Polen und der DDR einträchtig nebeneinander standen. Es begann sehr vielversprechend endete aber abrupt, als sie auf dem Bahnsteig von der TRAPO (Transportpolizei) angesprochen wurden. Man zwang sie zu Überprüfung der Personalien in die Holzbaracke nahe des Bahnhofs. Man rief zu Hause bei den Eltern an, fragte ob sie über den Ausflug informiert seien und diesen gestatteten. Da dies der Fall war, ließ man sie mit Aufforderung Frankfurt/Oder sofort zu verlassen frei. An eine Abreise war jedoch noch nicht zu denken. Eine Aufgabe war noch zu erledigen und so begaben sich die Beiden wieder zu der Fußgängerbrücke nahe des Grenzbahnhofs zu Polen. Vorsichtiger als beim ersten mal versteckten sie sich in Büschen und warteten bis die Züge die Steigung hinauf kamen. Im letzten Augenblick sprangen sie hervor, machten Bilder um sich danach sofort wieder in die Deckung der Büsche zu begeben. Vielleicht hatten sie aber auch nur mehr Glück. Von diesem zweiten Besuch, sind einige gute Aufnahmen erhalten geblieben. Die DDR, STASI und die TRAPO dagegen sind glücklicherweise nicht erhalten geblieben.

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Der „Gipser“ verlässt Sangerhausen.

DONNER IM RIESTEDTER FORST Klappernd recken sich die Signalflügel in Himmel. Ein Pfiff gellt über den Bahnhof,  ein zweiter Pfiff der Lokomotive am Zugende meldet die Bereitschaft zur Abfahrt.  Ein Auspuffschlag. es folgt ein zweiter und ein dritter. In immer schnellerer Folge stößt das kraftvolle Dreizylindertriebwerk Dampf und Rauch in den Himmel. Das Stampfen der Lok wird immer lauter und nun kommt das stählerne Grollen der voll beladenen Schüttgutwagen dazu. Donnernd passiert die Lokomotive meinen Standpunkt auf der Brücke und minutenlang übertönen die Wagen jedes Wort das man sagen würde. Immer schneller wird der Zug und die Schläge der drei Zylinder der Lokomotive am Zugschluss sind nun zu einem dumpfen Rauschen verschmolzen. Die Maschinen nehmen Anlauf um die Steigung aus der Goldenen Aue, hinauf auf die Höhe des Mansfelder Landes u schaffen. Mit etwas Glück kommen sie ohne Halt bis zum Blankenheimer Tunnel. Weit hin hallt das Donnern der Lokomotiven von den Berghängen wieder. In Blankenheim ist der Scheitelpunkt. Die nicht gekuppelte Schiebelok wird sich dort vom Zug lösen und zurück nach Sangerhausen fahren. Zwei Mal habe ich für einige Stunden die Strecke zwischen Sangerhausen und Blankenheim besucht und dabei sogar Fotografen aus Japan getroffen, bei denen dieses Schauspiel auf dem Programm stand. Die Lokomotiven wurden mit Schweröl gefeuert und wären auf Grund ihrer Leistungsfähigkeit die letzten gewesen die man verschrottet hätte. Doch dann kam die Ölkrise der 1980er Jahre und hatte auch in der DDR spürbare Folgen. Die UdSSR wollte nun für Rohöl auch konvertierbare Währung haben und man schränkte den Ölverbrauch wo immer möglich ein. Für die mit Schweröl gefeuerten Lokomotiven bei der Deutschen Reichsbahn bedeutete dies innerhalb einen Jahres das Aus. Diese Lokomotiven mussten durch Lokomotiven mit Kohle Feuerung oder Diesellokomotiven ersetzt werden.

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Eine Schiebelok ist notwendig den „Gipser“ nach Blankenheim hoch zu bringen.

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41 1125 im Bahnbetriebswerk Göschwitz.

Sommer 1982, die Schule war endlich geschafft. Zwei Monate Ferien bis die Ausbildung begann. Einen Teil der Zeit wollte ich unbedingt nutzen um in den Süden der DDR zu fahren, wo es noch über dreihundertfünfzig Dampflokomotiven geben sollte. Ich, reiseunerfahren und nicht wissend  wo und wann welcher Zug mit Dampf fahren würde, brauchte einen Verbündeten. Ich schaffte es einen Freund zu überreden, dessen Vater  im Verkehrsministerium arbeitete und der sich etwas auf den Gleisen der DR auskannte. Die wenigsten werden wissen was ein Hackenporsche ist aber jeder kennt einen Einkaufstrolley. Diese großen Taschen mit Rädern, die alte Menschen oft hinter sich her ziehen gab es auch in der DDR. Von diesem Hackenporsche die Räder entfernt, als Schultergurte  Jalousiebäder angebunden und eine Schlafmatte runtergeschnallt – fertig war der Trekkingrucksack. Waschzeug, Kamera, Filme und Salami reingeschmissen und es konnte losgehen. An einem  Abend im Juli bestiegen wir einen D-Zug  nach Meiningen. Dort in Meiningen befand sich das größte Dampflok Ausbesserungswerk in der DDR und war dadurch ein Magnet für Eisenbahnfreunde aus dem ganzen Land. In den harten 2. Klasse Bänken der Großraumwagen konnte man nur sehr unbequem schlafen. Völlig schlaftrunken entstiegen wir dem Zug. Auf dem Bahnsteig warteten bereits zwei unaufällig gekleidete Männer des Ministeriums für Staatssicherheit auf uns. Das Meiningen nur vierzehn Kilometer von der innerdeutschen Grenze entfernt lag, daran hatten wir nicht gedacht. Mit einen Wartburg ging es zu einer alten Villa in der die MfS Dienststelle eingerichtet war. Verhör, Anruf bei den Eltern, der übliche Wahnsinn den Eisenbahnfreunde in der DDR öfter über sich ergehen lassen mussten. Scheinbar waren wir glaubhaft in unserer Offenheit, als wir bereitwillig erzählten, das wir mit dem Zug durch den Süden reisen um Dampflokomotiven zu fotografieren. Irgendwann durften wir wieder gehen. Zum Glück wurden nicht zum Bahnhof geleitet, der Stadt verwiesen und in den nächsten Zug gesetzt. So trauten wir uns sogar auf das Gelände des Reichsbahnausbesserungswerkes und konnten einige Stunden fotografieren.

ZU GAST BEI GOETHE Heute absolut unvorstellbar, dass wir im Garten des Weinberghauses im Park an der Ilm übernachtet haben. Das im 16. Jahrhundert erbaute Haus war Goethes erster eigener Wohnsitz in Weimar. Wenige Monate nach seinem Eintreffen in Weimar ersteigerte er es 1776 zusammen mit dem dazugehörigen Garten. Heute gehört das Gelände zum Weltkulturerbe. Um das Bedürfnis einer Morgenwäsche zu befriedigen fragten wir in einer Laubenkolonie, ob wir die Pumpe benutzen dürfen. Auch das war kein Problem. Erfrischt, sowie mit Salami und „KARENA“ Brause gestärkt, machten wir uns auf zum Bahnbetriebswerk Göschwitz, der Heimat der Baureihe 41, die nach dem Ende der Öl gefeuerten Baureihe 44 einen Teil der Personen- und Güterzugleistungen auf der Saalebahn erbrachten. Von Göschwitz fuhren wir dann mit dem Zug über Schlettau nach Crottendorf.

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86 1001 in Schlettau mit einem Güterzug am 14.08.1982.

Es dürfte damals keinen Eisenbahnfreund in Ost oder West gegeben habendem diese Strecke nicht bekannt war. Geradezu berühmt wurde sie mit den letzten Einsätzen der Baureihe 86 der Deutschen Reichsbahn in den 80er Jahren. Die Baureihe 86 war bei der Deutschen Reichsbahn Ende der siebziger Jahre aus dem Betriebsdienst ausgeschieden, wurde aber wie viele Dampflokomotiven aus Mangel an Dieseltreibstoff in den Betriebsdienst zurückgeholt. Die Einsätze der Baureihe 86 dauerten bis in das Jahr 1988 an. Die Strecke Schlettau – Crottendorf war damit eine der letzten Strecken in der DDR auf der regelmäßig Dampflokomotiven eingesetzt wurden. Von Crottendorf reisten wir mit einer Übernachtung in Jöhstadt weiter nach Cranzahl, wo wir m Kosten zu sparen jeweils in den Bahnhöfen übernachteten.

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99 1779 in Neudorf mit einem Zug nach Oberwiesental.

Die ORWO Schwarz Weiß Filme hatten meist eine sehr gute Qualität und waren toleranter gegen Unter- oder Überbelichtung als Farbfilme. Aber die Sehnsucht nach Farbe im grauen DDR Alltag war groß. Meine ersten Versuche mit Diafilmen machte ich im Frühjahr 1981 und wenn die Sonne im Rücken stand, waren die Ergebnisse auch gut. So richtig sicher war ich mir aber nie. So wechselte ich scheinbar unsicher oder unentschlossen, während einer Tour zwischen Schwarz-Weiß und Farbdiafilmen hin und her. Auf ORWO UT 20 gebannt, legt die 99 1779 auf dem Weg nach Oberwiesenthal einen Zwischenhalt in Neudorf ein. Auf der beschriebenen Tour, ging es dann nach einer weiteren Fotoexkursion auf der Schmalspurbahnstrecke zwischen Freital-Hainsberg und Kipsdorf, wieder nach Berlin zurück.

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