Norwegen

Norwegen Geiranger Fjord

11. Januar 2020

Norwegen Fjord Winkinger

Von Jokkmok in Schweden zu den Trollstiegen in Norwegen sind es 1.445 Kilometer. Einen Großteil der Strecke lege ich auf dem wunderschönen Inlandsvägen zurück. Diesmal in umgekehrter Richtung. Doch nicht wie zuvor bei Sommerwetter. Der Tag ist grau und regnerisch. In Storlien überquere ich die Grenze nach Norwegen und urplötzlich ändert sich die Landschaft. Was eben noch sanfte bewaldete Hügel waren, sind nun steil aufragende Felsen. Was eben noch lichte Kiefernwälder waren, ist nun ein undurchdringlicher Dschungel aus dichten Nadelwäldern. Was eben noch kleine Dörfer und Städte mit den rotbraunen Holzhäusern waren sind nun Blockhäuser aus groben Stämmen und man würde sich nicht wundern, würde ein behaarter Wikinger, grimmig blickend vor die Tür treten, um dem fremden Gefährt einen Felsbrocken hinterher zu schleudern. Die tiefstehende Sonne lässt die tausenden Spitzen der Tannen hellgrün erstrahlen und färbt die Wolken in zarten Orange. Es war wirklich nicht übertrieben. Die Landschaften Norwegens sind einfach BANG!

Ich versuche soweit wie möglich zu kommen, doch die Müdigkeit ist erbarmungslos. Als zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und meinem, ein Elch die Straße überqueren will, er es sich aber dann glücklicherweise doch anders überlegt, beschließe ich das Glück nicht wieder weiter herauszufordern. Ich nehme einfach einen Parkplatz an der Straße nahe Dombas und falle ins Koma. KM 6561

Trollstiegen

Es ist halb sieben am Morgen als ich erwache. Ich schaue aus dem Fenster und stelle fest, dass ja noch was ist, was in meinen Planungen keine Berücksichtigung fand. Das Wetter. Es ist feucht und mit sieben Grad auch für norwegische Verhältnisse nicht besonders sommerlich. Die Wolken hängen so tief, dass man die Bergspitzen nicht sehen kann. So  beeindruckend die Welt der Wikinger, mit den schroffen Felsen und den reißenden Flüssen ist, ohne Sonne wirkt alles nur grau und kontrastlos. Trotzdem fahre ich zum Trollstigen, vielleicht wird es ja noch.

Norwegen Trollstigen Camping
Trollstigen in den Wolken

Trollstiegen ist der Name, der 1936 angelegten Serpentine von Åndalsnes hinauf über die Berge. Streckenführung sowie die Ausblicke sind spektakulär, würde man überhaupt etwas sehen können. Wolken und Nebel schieben sich unablässig über die Berge in das Tal. Betrug die Sichtweit im Tal noch gute hundert Meter sind es oben vielleicht noch dreißig Meter. Ich fahre hoch und wieder runter. Ich checke die Wettervorhersagen und bin verzweifelt. Morgen könnte es besser werden, muss aber nicht. Für die darauffolgenden Tage wird in Norwegen eher Regen und ganzheitliche Bewölkung vorhergesagt. Was tun? Ich entscheide mich dafür, im Tal am Trollstigen eine Hütte zu mieten und zu hoffen, dass es morgen wirklich besser wird. KM 6819

Norwegen Trollstigen Nacht
Trollstigen nach Sonnenuntergang

Geiranger Fjord

Nach gut zehn Stunden Schlaf schaue ich aus der Hütte in Richtung Trollstigen. Keine Veränderung. Tief hängende Wolken und Nebel. Ich packe mein Zeug zusammen und hoffe das es am Geiranger Fjord besser ist. Und tatsächlich. Unterwegs zeigt sich schon hin und wieder die Sonne und am Geiranger Fjord setzt sie sich dann endgültig gegen die Wolken durch. Mehrere Stunden genieße ich den Ausblick auf den Fjord und fahre dann hinunter nach Geiranger. Von dort nehme ich die Fähre nach Hellesylt. Die einstündige Fahrt, ist mit einundsechzig Euro kein billiges Vergnügen. Dafür wird unterwegs in mehreren Sprachen vieles über den Fjord und seine Anwohner berichtet. Die Menschen in den Höfen an den Felsen, man vermag sich gar nicht vorstellen, dass überhaupt jemand auf die Idee kommen würde dort zu siedeln, banden ihre Kinder an Seile, damit sie nicht abstürzten. Das kleine Bergdorf Knivsflå am Hang der Felsen wurde 1908 verlassen, da man den Abbruch eines großen Felsstückes befürchtete. Der Felsbrocken so wie die kleinen Häuser sind noch heute an Ort und Stelle.

Norwegen Geiranger aerial
Geiranger Fjord

Hellesylt ist anders als Geiranger. Ein ruhiger kleiner Ort an dem sich der Touristentrubel kaum wahrnehmbar ist. Am Abend fahre ich auf der nun fast leeren Fähre wieder zurück nach Geiranger und von dort zum oberen Ende der Trollstiegen. KM 7025

Flåmsbahn

Immer wieder schafft es die einzigartige Landschaft, trotz starker Bewölkung und gelegentlichen Schauern, mich tief zu beeindrucken. Von den Felsen, die an den Ufern der Fjorde aufragen, stürzen überall Wasserfälle hinunter. Nicht selten sieht man vier oder gar fünf auf einmal.

Oben an einer Felskuppe hängen schwere blaue Eismassen, die offenbar die Reste eines Gletschers sind. Und tatsächlich gibt es einen Ort weiter, in Värstolen, ein aufwendig gestaltetes und modernes Gletschermuseum. Wenig später passiere ich den Wegweiser zu einem Fjordmuseum. Was es alles gibt!

Eine weitere Fähre bringt mich über den Laerdalsfjord und gegen Mittag erreiche ich Flams. Hier hat die Flamsbahn ihren Ausgangspunkt. Sie ist eine der steilsten Bergstrecken der Welt und windet sich an den unzugänglichen felsigen Steilhängen hinauf nach Myrdal. Die Bahn ist bei jedem Wetter eine Möglichkeit abseits der Straße die Landschaft Norwegens zu erleben.

Norwegen Flams Bahn
Die Flåmsbana fährt bei jedem Wetter.

Utne Fjord

Es regnet in Strömen, es ist windig und kalt. Doch das hält die Besucher nicht davon ab, zu Fuß oder mit dem Rad auf Wanderungen zu gehen. In Regencapes, aber auch einige von ihnen in kurzen Hosen, quälen sich die Berge hinauf und hinunter. Doch glücklich sehen ihre Gesichter dabei nicht aus.

Über Aurland fahre ich die Serpentine hinauf zum Stegastein, genieße den trüben Ausblick über den Naerfjord, der ebenfalls zu UNESCO Weltnaturerbe gehört. Von dort führt die Straße über eine baumlose Hochebene, den Aurlandsfjellet. Die Serpentinen hinauf auf den Aurlandsfjellet und wieder hinunter nach Laerdal, stehen dem Trollstiegen in nichts nach.

Nach dem auch beim Besuch in dem verschlafenen Ort Gudvangen am Südufer des Aurlandfjord, der Regen nicht nachlassen will, fahre ich weiter. In Kvanndal bekomme ich die letzte Fähre nach Utne. In dem kleinen Ort mit den vielen traditionellen weißen Holzhäusern befindet sich auch das älteste Hotel Norwegens. Im „Utne Hotel“, welches seit 1722 besteht, ist nicht nur das Interieur historisch stimmig, auch die Angestellten begrüßen die Gäste in traditioneller Kleidung. In Utne ist man fern vom Touristentrubel der UNESCO Welterbestätten und erlebt ein authentisches Norwegenflair. KM 7554

Norwegen Utne Hotel
Utne Hotel

Hardanger Fjord

Meine Fahrt führt mich entlang des Utnefjord, dem Sorfjord und dem Eidfjord. Am Ende des Eidfjord befindet sich die wenig schöne Stadt Odda, welche ihre Bedeutung durch den Eisenerz- und Titanabbau gewonnen hat. Ab hier heißt der Fjord Sorfjord. Der Bu-Tunnel, ein Tunnel mit Kreisverkehr ist sicher für jeden Fahrer etwa besonderes. Die Straße folgt dem anderen Ufer bis man wieder am Eidfjord ist. Dort erreicht man die gleichnamige Stadt. Hier ist nichts mit Fjordidylle. Eidfjord besteht aus breiten Straßen, Betonbauten, Schnellrestaurants und Souvenirshops.  Es hat zumindest den Anschein, als sei Eidfjord der Sammelpunkt für asiatische Reisegruppen, die hier in großen Gruppen und mit entsprechenden Geräuschpegel die Straßen bevölkern. Weiter geht die Reise zum „Norsk Natursenter“. Dieser Ort ist Drehscheibe für ambitionierte Wanderer, die in der Umgebung lohnende und anspruchsvolle Ziele finden. Doch außer einem Naturparkzentrum, Trekkingausstattern, einem Restaurant und einen Souvenirshop gibt es auch in diesem Ort nichts viel. So mache ich mich auf in den Hardangervidda National Park, welcher mit gigantischen Felsmassiven, Wasserfällen und Stromschnellen den Besucher beeindruckt.

Norwegen Hardanger Waterfall

Die Straße durch den Hardangervidda Nationalpark führt über die größte Hochebene Nordeuropas und eröffnet unvergessliche Panoramen einer subalpinen Landschaft, die einen starken Kontrast zu der Welt in den Fjorden bildet. Die Hardangervidda ist Norwegens größter Nationalpark, der den größten Wildrenstamm Europas beheimatet.

Norwegen Hardangervidda Nationalpark
Bauernhof auf dem Aurlandsfjellet.

Da der Regen jedoch zunehmend ausdauernder wird, fällt der Aufenthalt hier an den Fjorden etwas kürzer aus als geplant und ich beschließe in Richtung Preikestolen zu fahren. Etwa zwanzig Kilometer südlich von Odda, direkt an der Fernverkehrsstraße 13, überquert man eine schöne Brücke aus Steinbögen. Die Stromschnellen, welche die Brücke überspannt, werden vom Zwillingswasserfall Låtefossen gespeist. An den hundertfünfundsechzig Meter hohen Wasserfällen befindet sich ein Parkplatz, ein Restaurant sowie ein Souvenirladen.

Norwegen Latefoss Waterfall
Latefoss Wasserfall

Sturmtief Yap

Von der Abzweigung der Straße 632 hinter Herabakka, windet sich eine kleine Straße die Berge hinauf durch dichte Wälder, hier ist man wieder ganz allein. Auf dem Scheitelpunkt staune ich nicht schlecht als ich in dichte Wolken fahre. Die Sichtweite beträgt gerade noch dreißig Meter und es regnet natürlich. In Hjorteland, wo man auf die 13 Richtung Stavanger abbiegt, ist die Sicht zwar wieder gut nur der Regen hört nicht mehr auf. In Jorpeland nehme ich mir ein Zimmer und hoffe, dass das Wetter in den nächsten 24 Stunden besser wird. KM 8025

Preikestolen

Ich sitze im Hotel „Verkshotellet“ und überlege was ich heute mache. Immer noch ist es bedeckt und die Wolken hängen tief. Alle, welche heute  die acht Kilometer  lange Wanderung über matschige Waldpfade und rutschige Steine, hinauf auf den Preikestolen auf sich nehmen, stehen oben in den Wolken, sind durchnässt vom Regen und sehen nichts. Ich beschließe daher nach Rekefjord zu fahren um den Leuchtturm zu besuchen. Unterwegs regnet es unablässig. Einen Blick auf den Leuchtturm bekomme ich nicht, da das gesamte Gebiet an der Küste zu einem Asphaltwerk gehört. Allerdings ist Rekefjord ein netter und verträumter Fischerort, in dem man viele interessante historische aber auch innovative moderne Gebäude sehen kann. So fahre ich dann wieder zurück nach Jorpeland mir was zum Abendessen besorgen und einen Schlafplatz suchen. Eignen tut sich dafür der Parkplatz am Preikestolen, mit Toiletten und einem Restaurant. Doch als ich da stehe regnet es, dass ich nicht mal aus dem Auto aussteigen kann.

Norwegen Fjord Fischerboote
Fischerboote in Rekefjord

Kein Blick auf den Lyse Fjord

Abermals checke ich das Wetter und mein Entsetzen ist groß. Keine Besserung für morgen. Vielleicht übermorgen, aber das kann sich auch wieder ändern. Es ist vorbei! Selbst wenn das Wetter in Stavanger etwas besser werden sollte, so stauen sich die Wolken hier trotzdem noch in den Bergen rund um die Fjorde.

Ich fliehe vor dem ewigen Dauerregen und fahre Richtung Süden wegen ist eine „Scenic Route“ Selbst jetzt im letzten Licht des Tages berauscht die Landschaft noch mit ihrer extremen Wildromantik, manchmal wirkt wie die übertriebene Gestaltung eines Modellbauers, der die ganze Schönheit Norwegens in ein kleines Diorama pressen wollte. An einem See halte ich um ein paar Stunden zu schlafen.  KM 8735

Am nächsten Morgen, ich fahre schon fast eine Stunde, traue ich meinen Augen nicht. Die Sonne geht an einem wolkenlosen Himmel auf. Wieder checke ich das Wetter und ich kann es kaum glauben es soll rund um Stavanger heute besser werden und sogar am Nachmittag Sonne geben. Ich drehe um und rase zurück. Doch je weiter ich in die Nähe von Stavanger komme, desto dichter werden die Wolken. Als ich die Fähre erreicht habe, von der es nur noch zwanzig Kilometer bis zum Preiskolen sind, offenbart sich, dass das Wetter dort heute genauso schlecht ist wie gestern. Auch der lokale Wetterdienst hat keine guten Aussichten für die nächsten Stunden oder gar Tage.

Norwegen Fjord Hellesylt
Die Idylle von Hellesylt bevor Sturmtief Yap durchzieht.

Wie schon gesagt, man muss wissen wann es vorbei ist. Doch manchmal ist die Hoffnung und die Unsicherheit über die Richtigkeit der eigenen Entscheidung stärker als die Vernunft.
Wieder kehre ich um, fahre nun aber zum Fährterminal nach Kristiansand. Auf den tausend Kilometer langen Umweg über Oslo und Malmö habe ich jetzt keine Lust mehr. Der Katamaran „Fjord Cat“, mit den beiden riesigen Turbinen, jagt mit einundachtzig Stundenkilometern, in nur zwei und einer viertel Stunde über die Nordsee nach Dänemark.

Zu Hause angekommen zeit der Kilometerzähler 10.111

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