RUMÄNIEN 1992 – WÄLDER & DAMPF

Rumänien Altstadt Tigru

1. Oktober 2018

Rumänien Karpaten Viseu de Sus Moldovita Covasna Tigru Murez Waldeisenbahn

Der Jäger von Viseu

Rumänien war ein schwieriges Reiseland und das vor allem für Bürger der DDR. Die schwierige Versorgungssituation mit Treibstoff und Lebensmittel, Benzin gab es nur gegen Talons und das Touristenvisum, welches man nur mit einer Besuchsadresse oder einem gebuchten Campingplatz erhielt, machten eine Reise dorthin unattraktiv. Wenn man auch noch Eisenbahnen fotografieren wollte wurde es nicht nur schwierig sondern auch fallweise gefährlich. Nur selten traf man auf Eisenbahner, die Einen gewähren ließen. Schnell wurde man für einen Spion gehalten und gelangte ins Visier der Sicherheitsorgane. Selbst in entlegenen Gebieten auf irgendeiner Waldbahn konnte man schnell verhaftet werden oder man blickte plötzlich in den Lauf einer doppelläufigen Flinte.

In Erinnerung geblieben ist mir auch die Geschichte eines Pärchens aus der DDR, die in den 1980er Jahren in Rumänien mit dem Auto unterwegs waren. In einer kleinen Ortschaft fuhren sie ein Kind an, das vermutlich an den Folgen des Unfalls verstorben ist. Vermutlich deshalb, weil dies nie geklärt worden ist. Sofort waren viele der Dorfbewohner an der Unfallstelle und brachten das Unfallopfer weg. Auf Grund der Verständigungsschwierigkeiten war die Ratlosigkeit auf Seiten des Pärchens groß und die Aufregung auf Seiten der Dorfbewohner nahm bedrohlich zu. Da niemand im Ort ein Telefon zu haben schien, konnten sie sich dann einigen, dass der Mann, welcher das Fahrzeug gefahren hatte, an der Unfallstelle bleibt und die Frau Polizei und Hilfe holt. Sie fuhr los. Nach ein paar Stunden kam sie mit der Polizei zurück in den Ort. Die Dorfbewohner und ihr Mann waren verschwunden und der Ort erschien als wäre hier nie etwas passiert. Niemand war auf der Straße zu sehen. Ihre Erregung steigerte sich ins Unerträgliche und sie begann nach ihrem Mann zu suchen. Die Polizei beteiligte sich daran nur widerwillig. Es dauerte nicht lange bis sie ihn auf einer etwas abgelegenen Wiese gefunden hatten. Er hing an einem großen Baum mit einer Schlinge um den Hals. Diese Geschichte machte mir deutlich wie grundsätzlich anders die Gepflogenheiten in Rumänien damals sein konnten.

Im September 1992 gab es dann die Möglichkeit mit einem Berliner Reiseveranstalter, Rumänien zu besuchen und sich dabei vornehmlich dem Thema Eisenbahn zu widmen. Die Welt der dampfbetriebenen Waldbahnen war in diesem Jahr noch in Ordnung auch wenn der Stern zu sinken begann. Noch Auf den Gleisen der CFR, der rumänischen Staatsbahn gab es auch noch vereinzelt Dampflokomotiven im Rangierdienst und Loks die man noch für Sonderzüge einsetzen konnte. So ging es dann am 06.09.1992 vom Flughafen Berlin-Schönefeld mit einer TU 154 nach Bukarest und von dort mit dem Bus nach Brasov. In Brasov wartete die 230.224 mit einem Sonderzug nach Covasna, dem Ausgangspunt einer schmalspurigen Waldbahn. Die 230.224, wurde mit einer deutschen Lizenz 1935 in der rumänischen Lokomotivfabrik Reșița gebaut.

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07.09.1992 Das in den Ostkarpaten gelegene Waldbahnnetz um Roznov und Tazlău wurde zum Abtransport des in den Bergen geschlagenen Holzes angelegt. Die Eröffnung erfolgte erst 1952. Für den Transport  waren Dampflokomotiven der Bauart Reşiţa und Nachbauten aus Reghin sowie vierachsige Flachwagen vorhanden. Die Lokomotiven aus Reghin waren 1985 und 1986 gebaut worden, als im übrigen Europa der Dampfbetrieb schon längst zu Ende gegangen war. Wir beobachteten die Rangierarbeiten im Sägewerk, welche an diesem Tag der 764 411 R oblagen. Sonst gab es in Rosnov und Tazlau nur Schrottloks zu sehen.

08.09.1992: Wer Moldovita kennt, denkt sicher an das weltberühmte Kloster mit seinen Wandmalereien. Eine Randgruppe von Menschen denkt jedoch nicht an ein

Kloster, sondern an die Waldeisenbahn. Die Strecke schlängelte sich am Ufer des gleichnamigen Flüsschens Moldovita entlang nach Argel und holte aus den Seitentälern Holz für das Sägewerk in Moldovita. Die ab 1900 angelegte Bahn, mit einer Spurweite von 760 mm hatte zu ihrer Hochzeit ein Streckennetz von 65 Kilometern.

Rumänien Karpaten Viseu de Sus Moldovita Covasna Tigru Murez WaldeisenbahnIn Moldovita war die Krauss-Lok 763.193, ein echtes Schmuckstück, täglich im harten Waldbahndienst eingesetzt und vom Personal geliebt. Zu unserem Besuch war die Lok leider gerade zur Überholung in Reghin. Die CFF Moldovita war die schönste Waldbahn in Rumänien, die jedoch 1999 stillgelegt und abgebaut wurde. Die 764 426 war an diesem Tag bereits auf der Waldbahn unterwegs. Auf Drehschemelwagen stehend, Dampf und Rauch in der Nase, fuhren wir begleitet von vom stählernen Geklapper der Wagen in die Wälder. Die Lok 764 449 brachte den leeren Zug zu einem Waldarbeitercamp. Dort gab es ein kleines Mittag, bevor es wieder zurück nach Moldovita ging. Ein Fotomotiv waren auch all die zum Teil mit aufwendigen wie kunstvollen Verzierungen versehenen Holzhäuser. Selbst die Dachziegel waren aus Holz gefertigt. In den kleinen Ortschaften teilt sich die Waldbahnen oft die sandige Dorfstraße mit Pferdefuhrwerken und den wenigen Autos. Hier und dort wird gehalten und etwas Holz ausgeladen, ein Schwein oder ein paar Hühner eingeladen. Eile kennt hier niemand und so ist auch immer genügend Zeit für ein Gespräch und den neuesten Klatsch und Tratsch.

09.09.2016: CFF Viseu de Sus
Viseu de Sus ist der Ausgangspunkt der Wassertalbahn. Die Waldbahn am Ufer der Vaser wurde 1932 fertiggestellt und wird von der staatlichen CFF betrieben. Wie alle Waldbahnen beträgt die Spurweite 760 Millimeter. Mehrmals wöchentlich fahren die Produktionszüge für den Holztransport in die Wälder. Dabei werden sie auch von den Waldarbeitern und Förstern, sowie den Bewohnern des Wassertals genutzt. Meist fahren die Menschen einfach auf den leeren Holztransportwagen mit, da es offiziell keinen Personenverkehr gibt. Für die Waldarbeiter und die Bewohner des Wassertals gab es jedoch Triebwagen und Personenwagen, die bis Anfang der 1990er Jahre auch rege genutzt wurden. Die Bahn transportiert auch die Forstfahrzeuge, Geräte und Weidevieh. Um neue Waldgebiete zu erschließen, wurde 1952 vom Gleisdreieck Novat Delta eine Linie nach Izvorul Boului in das Novat-Tal gebaut.

Der Betrieb einer rumänischen Waldbahn hat wenig mit dem Betrieb auf einer streng reglementierten Eisenbahn zu tun. Die Gleise sind auf einem groben Planum verlegt, werden auf Holzschwellen genagelt und die Schienenstöße verschraubt. Wetterunbilden, Steinschläge oder umgestürzte Bäume setzen der Strecke sehr zu und so kommt es relativ häufig vor, dass Wagen oder gar die Lokomotive entgleisen. Die Bahnarbeiter sind jedoch sehr geübt und können Lokomotiven und Wagen mit Hebewerkzeugen und Baumstämmen schnell wieder engleisen.

Rumänien Karpaten Viseu de Sus Moldovita Covasna Tigru Murez WaldeisenbahnAuch Reparaturen an Gleisen müssen ab und zu durchgeführt werden. Die Uhren der Menschen in den rumänischen Waldkarpaten haben nur einen Stundenzeiger und so stört es auch niemanden, das der Zug für die 30 Kilometer lange Fahrt nach Faina, nahe der Grenze zur Ukraine manchmal mehr als vier Stunden benötigt. Im Einsatz und in unterschiedlichsten Verfallstadien waren folgende Lokomotiven zu sehen: 764 457, 764 484, 764 469, C-Kuppler, Normalspur der CFF , 50 797. Letztere diente hier im Winter als provisorische Heizanlage.

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10.09.2016: Die Stadt Viseu de Sus liegt etwas abseits des Sägewerks und der Schmalspurbahn. Nur ein Mal unternahm ich mit  einem Bekannten einen Ausflug dorthin. Graue Tristesse trostloser Wohnlandschaften, durchzogen von rissigen Straßen in denen viele Menschen scheinbar nicht wissen, womit sie ihren Tag füllen sollen. Nicht das sie etwa faul oder ideenlos wären. Es gibt einfach nichts mit dem die Hände der Menschen etwas gestalten könnten. Kein Geld, kein Material, keine Arbeit, keine Perspektive. Alles was ihnen bleibt, ist sich mit der fatalen Situation zu arrangieren, sich irgendwie einzurichten. Wer kann da nicht verstehen, dass Einige dann in die Wälder gehen, wildern oder ohne Lizenz Holz schlagen um es zu verkaufen?

Nicht besser als die Wohnkatakomben war das Hotel zu beschreiben. Ein verwitterter grauer Betonklotz, der außen wie innen so einladend war wie ein Luftschutzbunker. Die Zimmer als einfach zu beschreiben würde ihnen nur unzureichend gerecht werden. Das eine Laken unseres Doppelbetts hatte ein riesiges Loch, dass von dem verbliebenen Stoff nur gerade noch eingerahmt wurde. Das andere Laken hatte Flecken, die den Gedanken aufkommen ließen, dass in diesem Bett einmal jemand gestorben war, der erst nach Tagen gefunden wurde. Die Inneneinrichtung war nicht aus Sperrholz sondern bestand aus Sperrmüll. Das Interieur wurde von einer schwachen Glühlampe in gelbliches Licht getaucht aber sehen wollte man ja am liebsten nichts. Während die Köche in der Küche das Abendessen auf einem offenen Feuer, über dem ein Rost gelegt war zubereiteten, krochen blaue Schwaden verbrannten Fetts die Treppenaufgänge hinauf. Es gab gebackene Schafskäsebuletten. Ich weiß nicht was ich an diesem Abend gegessen habe, aber die Schafskäsebomben waren es nicht. Die lösen bei mir eine Essblockade aus. Mein Mitbewohner und ich fnden das alles sehr amüsant, die Toleranzgrenze anderer Mitreisender war da weit niedriger. Auf Drängen einer Gruppe Unzufriedener wechselten wir am nächsten Tag die Unterkunft. Als wir noch einmal zurückkehrten um unsere Sachen zu holen, waren die Glühbirnen im Treppenhaus bereits wieder aus den Fassungen entfernt. Aus welchem Grund man das tat, blieb verborgen. Vielleicht waren auch Glühbirnen so kostbar, dass man sie nur zu besonderen Anlässen ihrem Zweck zuführte und sonst unter Verschlusshielt, weil man fürchtete sie würden gestohlen werden.

Wir ziehen uns dann wieder zurück in die Idylle der Waldkarpaten und fahren mit einem Zug und der Lok 764 457 in das Novat Tal. Hier in der Tiefe der Waldkarpaten sollte man nicht allzu weit ohne Waffe in den Wald gehen. Eine Begegnung mit einem Bären, die es hier in der abgelegenen Idylle noch zahlreich gibt, geht selten gut aus.

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Covasna

11.09.1992 Ausbessungswerk Reghin
Für die noch zahlreichen Wald- und Industriebahnen Rumäniens lieferte die Lokomotivfabrik Reşiţa in den 1950er Jahren vierfach gekuppelte Tenderloks, um den teilweise überalterten Triebfahrzeugpark zu modernisieren und zu vereinheitlichen. Größter Abnehmer waren die Staatlichen Waldbahnen CFF, die 120 Stück als Reihe 764.4 in Dienst stellten. Bei der als „Reşiţa-Type“ bezeichneten Lok handelte es sich um eine verbesserte Version, einer bereits vor dem 2. Weltkrieg gelieferten Bauart, die in ihrer Konzeption auf eine ungarische Werkloktype zurückgeht. Im Gegensatz zu dieser Lok erhielten die Neubaulokomtiven einen größeren Kessel, wodurch die Leistung auf 150 PS stieg. Die Loks konnten mit Kohle wie auch mit Holz befeuert werden und waren in der Lage, auch unterwegs aus Flüssen und Tümpeln Wasser zu nehmen. In den 1980er Jahren  nahm die Reparaturanfälligkeit der mittlerweile bald 30 Jahre alten Loks stark zu, so dass man verfügte, insgesamt zwölf weitere Loks zu bauen. Diese wurden zwischen 1982 und 1987 vom Traktorenwerk in Reghin nach originalen Plänen aus Reşiţa gebaut. Mit der politischen Wende kam auch nach und nach das Ende für fast alle noch verbliebenen Waldbahnen, wodurch auch die noch in größerer Zahl vorhandenen Loks überzählig und abgestellt wurden. Trotz dieser Entwicklung wurde im Jahr 1992, die Budapester 764.348 (MAVAG Baujahr 1949) im Werk IUPS Reghin noch einmal aufgearbeitet.

12.09.1992  Tigru Murez
Das Schmalspurnetz um Tîrgu Mures umfasste die Linien Tîrgu Mures –Sovata (84.4km), Band–Miheşu de Câmpie (27.7km) und Tîrgu Mures –Band– Lechinţa (90.4km). Die Bahn führt durch das wildromantische Widder – Tal in Mitten des Apuseni – Gebirges. Fast einen Tag benötigte die kleine Bahn für die Stecke über die sanften Hügel nach Lechinta. Bussen und Lastwagen hatte das Relikt aus Opas Zeiten nichts entgegenzusetzen. So wurde eine Linie nach der anderen stillgelegt, bis 1998 das endgültige Aus kam. Auf dieser Bahn wurden schon in den 1970er Jahren die Dampflokomotiven von Dieselloks abgelöst. Nur die ausgestellte Schlepptenderlok 764 206 erinnert noch an die Dampflokzeit. Man könnte davon ausgehen, dass eine Reisegruppe mit den erforderlichen Genehmigungen und einem lokalen Reiseleiter, keine Probleme beim Fotografieren auf Bahngelände bekommt. Dem Lokomotivführer des Schmalspurzuges war das alles egal. Er hob Schottersteine aus dem Gleisbett auf und schleuderte sie in unsere Richtung. Das war dann zu heiß und wir brachen den Besuch hier ab. Nahe Tigru Murez gab waren einige ehemalige Dampflokomotiven der Rumänischen Staatsbahn abgestellt, was damals auch für mich interessant war. Doch die Mehrheit der Reisenden zogen es vor im besten Haus am Platze das Mittagessen einzunehmen. Damals hat mich das geärgert. Heute sind mir Schrottloks genauso egal wie ein üppiges Mittagessen.

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Stundturm

Sighisoara ist eine der reizvollsten Städte Transsilvaniens. Das alte Zentrum und die Burg, eine der schönsten bewohnten in Europa, strahlen eine besondere Stimmung aus. Durch winklige Gassen mit ihren krummen Häusern gelangt man auf den Burgberg, wo Gotik, Renaissance, Barock und Historismus in seltener Geschlossenheit das Stadtbild bestimmen. Pferdefuhrwerke rattern lautstark über das Kopfsteinpflaster. Durch den 64 Meter hohen Stundturm, das Wahrzeichen der Altstadt, erreicht man den von herrlichen Patrizierhäusern gesäumten Burgplatz. Für den mühseligen Aufstieg entschädigt ganz oben der  Blick über die verschachtelten Dächer der Stadt und Teile der Stadtmauer mit dem von ursprünglich sechzehn noch erhaltenen sechs Wehrtürmen.

Eine Nacht betteten wir uns in einem Hotel in Brasov, bevor es dann am nächsten Tag zurück nach Berlin gehen sollte. In Brasov besuchten wir am Abend ein Kellerrestaurant, wo rumänische Speisen und Folklore geboten wurden. Besonders lecker war die endlose Weinverkostung, die dafür sorgte, dass wohl sicher alle einen seligen Schlaf vielen und am nächsten Morgen einen kleinen Hangover hatten.

Nach dieser Reise konnte ich die Menschen verstehen, die nach Deutschland auswandern wollten. Ich konnte nur nicht verstehen, warum dies nicht gleich alle und sofort wollen

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